Maßnahmenpaket für Schulen in SH: Das plant das Bildungsministerium
Lesezeit erhöhen, Rechtschreibung verbessern, Mathelehrkräfte besser ausbilden - Das sind die zentralen Stellschrauben des zweiten Maßnahmenpaketes, das Bildungsministerin Karin Prien (CDU) am Mittwoch in der Fritz-Reuter-Schule in Kiel-Friedrichsort vorgestellt hat.
Seit Jahren entwickeln sich die Kompetenzen bei Grundschülern in Schleswig-Holstein besorgniserregend. Im Lesen, Schreiben und Rechnen werden die Mindeststandards im Land nicht erreicht, wie mehrere Studien belegen. Schon bei der Einschulung unterscheide sich der Bildungsstand der Schüler, so die Ministerin. "Unsere Schülerschaft wird immer heterogener. Das betrifft nicht nur Geflüchtete und die Kinder aus Familien mit nichtdeutscher Muttersprache, sondern auch viele Familien, in denen seit Generationen deutsch gesprochen wird, lesen ihren Kindern weniger vor", sagte Prien. Ziel müsse es sein, diesem Abwärtstrend entgegenzuwirken.
Die Maßnahmen, die das Bildungsministerium am Mittwoch vorstellte, fokussieren drei Schwerpunkte: Regelmäßiges Lesen, die Rechtschreibung sowie den Ausbau der mathematischen Fähigkeiten.
Verbindliche Lesezeit und Grundwortschatz
So soll beispielsweise die Lesezeit in allen Fächern verbindlich eingeführt werden. Um die Rechtschreibung der Schülerinnen und Schüler zu festigen, soll ein verbindlicher Grundwortschatz gelten. Die Wörterliste des Rechtschreib-Grundwortschatzes "Ebbe, Krabbe, Flut und Seepferdchen" mit über 1.000 Wörtern, soll als Richtlinie dienen. Der dritte Schwerpunkt: Für das Fach Mathematik werden Lehrkräfte verstärkt fortgebildet, auch soll eine Zusammenarbeit mit Kita und Grundschule soll enger verzahnt werden.
Schülerinnen und Schüler für Mathe begeistern?
Kay Tonner ist Schulleiter und Landesbeauftragter für die Mathematik-Olympiade. Er unterrichtet Mathematik an der Fritz-Reuter-Schule in Kiel-Friedrichsort. Drei ausgebildete Mathefachlehrkräfte gibt es an seiner Schule. Im Vergleich: Das Fach Deutsch unterrichten etwa 20 Lehrkräfte, sagt Tonner. "Auch bei uns sehen wir einen Mangel an Fachkräften."
Er will Schülerinnen und Schüler für Mathemathik begeistern. Sein Geheimnis: Schülerinnen und Schüler neugierig machen. "Wir bearbeiten gemeinsam Aufgaben, die die Kinder können, das motiviert." Die Kinder finden über Gemeinschaft und Begeisterung zusammen. "Wenn der Schüler dann begreift: Ich habe eine Aufgabe gelöst, die ich nicht erwartet hatte zu lösen und dann versteht, eigentlich ist das gar nicht so schwer, dann motivieren wir die Kinder." Auch das sei Teil der Maßnahmen, ergänzt Prien, die Stigmatisierung des Faches lösen.
Unterricht muss Lebenswirklichkeiten abbilden
Vor allem müssten die Aufgaben näher an die Lebenswirklichkeit der Schüler angepasst werden, sagte Bildungsministerin Prien. "Es gibt wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, dass eine Aufgabe wie 'Sonntags sitzt die Familie am Kaffeetisch, die Torte wird aufgeteilt', für manche Kinder eine Lebenssituation ist, die sie nicht kennen". Deshalb müsse man Texte und Formulierungen wählen, die näher am Alltag der Kinder und Jugendlichen ist, so die Ministerin.
Opposition: Ausbildung der Lehrkräfte als Schlüssel
Doch die Maßnahmen stoßen auch auf Kritik. Aus Sicht der SPD müssten die Maßnahmen bereits vor der Einschulung ansetzen. "Ein Blick auf die Adressaten des Paktes zeigt, dass die Ministerin in erster Linie Zweifel an den basalen Kompetenzen der Lehrkräfte zu hegen scheint. Diese Zweifel teilen wir nicht. Unsere Lehrkräfte brauchen Bedingungen, unter denen sie gut arbeiten können", so Martin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Er sieht eine Lösung bei der Lehrkräfteversorgung. "Es muss darum gehen, endlich wieder ausreichend studierte Lehrkräfte an die Schulen zu bekommen.
Geht es nach Habersaat müsse die Förderung der Schülerinnen und Schüler bereits vor der Einschulung beginnen. "Der Grundstein für eine Förderung der Basiskompetenzen erfolgt optimalerweise bereits in der Kita", so Habersaat weiter.
FDP fordert Sprachtests und Fördermaßnahmen
Auch die FDP kritisiert den Ansatz des Bildungsministeriums. Die Maßnahmen seien ein "kleines Päckchen", das nicht ausreiche, so Christopher Vogt, Vorsitzender und bildungspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion. "Das regelmäßige Lesen ist von besonderer Bedeutung und hierbei gilt es auch, die Familien mit in die Pflicht zu nehmen, auch wenn dies natürlich nicht überall einfach ist."
"Bei der Rechtschreibung muss sich die Ministerin vorwerfen lassen, dass sie diese wichtige Kompetenz in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt hat", so Vogt weiter. Er plädiert stattdessen für Sprachtests und entsprechende Fördermaßnahmen vor der Einschulung.
GEW: Fachkräftemangel beseitigen
Die Bildungsgewerkschaft GEW begrüßt mehr Lesezeit in den Klassen 5 und 6, hält die Maßnahmen des Bildungsministeriums jedoch nicht für ausreichend. "Wir brauchen in den Schulen in erster Linie bessere Arbeitsbedingungen und mehr ausgebildete Lehrkräfte statt Handreichungen und mehr Fortbildung", so die GEW-Co-Landesvorsitzende Kerstin Quellmann. Auch führe der Unterricht mit vollausgebildeten Lehrkräften bei den Schülerinnen und Schülern zu besseren Unterrichtsergebnissen. "Deshalb muss die Landesregierung die Attraktivität des Berufes steigern, damit wir den Lehrkräftemangel in den Griff kriegen."