Krise überstanden: Meierei Horst schreibt schwarze Zahlen

Stand: 18.07.2024 15:11 Uhr

Eben noch in der Krise - jetzt schwarze Zahlen: Die Meierei Horst konnte die drohende Insolvenz abwenden. Jetzt sucht sie weitere Milchbauern, um die Absatzmenge zu erhöhen.

von Sven Jachmann

Es läuft wieder bei der Meierei Horst. "Wir schreiben seit Anfang 2024 wieder schwarze Zahlen", freut sich Leiter Achim Bock. "Im Januar 2023 ging es noch um die nackte Existenz." Nun herrscht früh morgens in Horst wieder Hochbetrieb. Eine Maschine füllt die Milch in die Ein-Liter-Verpackungen und nebenan arbeitet Hans-Werner Thomsen die Bestellungen ab. An diesem Morgen stellt er palettenweise Eimer mit Sahne zusammen - geordert von den Eisdielen. "Die Sahne ist gerade der Renner. Wir merken das sofort, wenn es wärmer wird. Das ist gut für uns, also hoffen wir, dass es noch ein bisschen länger so warm bleibt."

Schritt für Schritt in die Technisierung investieren

Die schwere Krise ist überstanden - um aber weiter wettbewerbsfähig zu bleiben, muss die Meierei in ihre Anlagen investieren. "Wir prüfen gerade, was wir mit unserer Joghurtabfüllung machen können", erklärt Achim Bock. Jede Investition in die Technik will in Horst genau überlegt sein.

Bauer Christian Ratjen steht bei seinen Kühen auf der Weide. © NDR Foto: NDR
Christian Ratjen sitzt im Aufsichtsrat und sieht die Meierei technisch gut aufgestellt.

Um Kosten zu sparen, schaut sich die Meierei auch auf dem Gebrauchtmarkt für Maschinen um. So hatten sie zuletzt die Buttermaschine erneuert. Um eine neue Steuerungsanlage kamen sie allerdings nicht herum. Die schlug mit 120.000 Euro zu Buche. Derartige Neuanschaffungen sind aber eher die Ausnahme. "Technisch steht die Produktion für mein Gefühl auf sehr guten Beinen", sagt Landwirt und Aufsichtsratsmitglied Christian Ratjen. Schon seine Eltern haben die Meierei beliefert.

Ausblick 2024 – neue Kunden gewinnen

Es läuft zwar wieder in Horst, aber noch nicht rund. Denn es gibt ein neues Problem: "In der Krise haben die Verbraucher unsere Produkte gekauft. Das haben wir richtig gemerkt. Aber im Juni kam ein Einbruch, den wir uns bis jetzt noch nicht erklären können." Das Milchgeschäft bleibt schwierig.

Das Tal ist zwar durchschritten, aber die Gewinne sind noch nicht stabil genug. Dafür braucht die Meierei mehr Großkunden aus der Gastronomie oder Bäckereien, die Milch in Zehn-Liter-Schläuchen abnehmen. Und auch im Biobereich will die Meierei weiter wachsen. Achim Bock schaut dabei nach Hamburg - einer der größten Biomärkte mit vielen potentiellen Kunden.

Nicht ohne unsere Buttermilch

Dass hier wieder auch nur ein Liter Milch den Betrieb verlässt, danach hatte es vor zwei Jahren nicht ausgesehen. Die Meierei stand kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. "Wir hatten schon Kontakt zu einem Insolvenzverwalter und hatten uns mit ihm beraten", erzählt Achim Bock. Er musste dann doch nicht Insolvenz anmelden und das war in erster Linie den Verbrauchern zu verdanken. Denn als die mitbekamen, dass die Meierei möglicherweise ihren Betrieb aufgeben muss, bekam Achim Bock zahlreiche Mails.

"Die Leute haben uns geschrieben, wenn unsere Buttermilch vom Markt verschwindet, wäre das eine Katastrophe" Achim Bock, Leiter der Meierei Horst

Leiter Achim Bock hält das fertige Produkt in seinen Händen. © NDR Foto: NDR
Freut sich nach durchgestandener Krise über schwarze Zahlen – Leiter Achim Bock.

"Mir war das nicht bewusst, dass so viele Menschen Wert auf Regionalität legen", sagt Cordula Thies, die mitten in der Krise neu ins Unternehmen gekommen war. Die Menschen aus der Region kämpften für ihre Produkte und traten als Teilhaber in die Genossenschaft ein. "Diese Gemeinschaft hat unsere Arbeitsplätze gerettet. Und das hat mich dazu gebracht, auch meinen Teil dazu beizutragen und ich habe versucht mit zu helfen", sagt Cordula Thies. Auch sie erwarb Anteile an der Genossenschaft.

Meierei brauchte 300.000 Euro

Die genossenschaftlich organisierte Meierei konnte knapp 400 neue Mitglieder gewinnen. Innerhalb weniger Wochen wuchs die Zahl auf 786. Viele von ihnen erwarben Anteile für ab 539 Euro aufwärts. So kam die Meierei an dringend benötigtes frisches Kapital. Mit mehr als 400.000 Euro sogar mehr als erhofft. Eine Rendite hatte Achim Bock den neuen Mitgliedern für ihre Einlagen aber nicht zu bieten.

"Wir haben von Anfang an gesagt, es geht um den Erhalt der Meierei und den Erhalt unserer Produkte, die handgemacht sind und aus der Region kommen." Achim Bock, Leiter der Meierei Horst

So retteten die Mitglieder nicht nur die Buttermilch, sondern auch Joghurt, Sahne und Butter. "Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich dachte, ich müsste mir eine neue Meierei suchen", sagt Christian Ratjen nach der Rettungsaktion.

Höhere Preise am Markt durchgesetzt

Die Meierei Horst von außen. © NDR Foto: NDR
Die Meierei Horst in der Bahnhofstraße. Hier wird seit 133 Jahren Milch und Butter produziert

Auch die Bauernproteste kamen der Meierei zu Gute. Als die Landwirte mit ihren Traktoren gegen die Landwirtschaftspolitik protestierten und auch für höhere Lebensmittelpreise kämpften, verhandelte die Meierei unter anderem mit Edeka, Rewe und Famila um mehr Geld. Denn sie musste auch ihre Lieferanten bezahlen. Das Argument in den Verhandlungsrunden: "Wir gehören zu den wenigen Meiereien, die noch frische Produkte für Schleswig-Holstein produzieren. Wir müssen die Preise anheben, sonst gibt es uns nicht mehr." Damit setzte sie den Partnern bewusst die Pistole auf die Brust.

Außerdem erinnerte Achim Bock die Handelsketten daran, wie gern sie mit dem Thema Regionalität werben. Das zog. Der Handel erhöhte die Preise für Biomilch von 1,79 auf 1,89 Euro. Ein Liter konventionelle Milch kostet jetzt 1,49 statt 1,39 Euro.

Landwirte mit stabilen Preisen bei der Stange halten

Die Landwirte bekommen aktuell 43 Cent für den Liter, garantiert. In manchen Monaten hatte die Meierei zuletzt auch ein, zwei Cent mehr pro Liter ausgezahlt. "Wir garantieren stabile Abnahmepreise, dadurch sind uns die Landwirte treu geblieben", erklärt Bock.

Anderswo können Milchbauern zwar in einem Jahr deutlich mehr verdienen, dann kann aber wieder ein Jahr folgen, in dem sie von ihren Milchbetrieben deutlich weniger bekommen. In Horst aber können Bauern wie Christian Ratjen ohne diese Schwankungen besser kalkulieren. Doch für alle Beteiligten bleibt das Geschäft mit der Milch schwierig.

Bei einer Krise sparen die Kunden als erstes bei den Lebensmitteln, also auch bei der Milch, weiß Achim Bock. Dann sinkt die Bereitschaft, für einen Liter Milch 1,49 Euro auszugeben. Aber vielleicht gehen sie dafür die kommenden Tage öfter mal ein Eis essen. Mit Sahne natürlich. Aus Horst.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 15.07.2024 | 19:30 Uhr

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