Krankenhausreform: Land und Kliniken sehen Versorgung gefährdet
Nachdem der Bundesrat die Reformpläne durchgewunken hat, stellt sich Schleswig-Holstein auf die Umsetzung der Krankenhausreform ein. Die Versorgung der Menschen könnte sich aus Sicht von Gesundheitsministerium und Krankenhausgesellschaft verschlechtern.
Bei Politik und Kliniken ist seit langem Konsens, dass sich die Strukturen im Krankenhausbereich ändern werden - und müssen. Allein schon weil Personal und Geld knapp sind. Eine Reform ist deshalb gewollt. Nur eben nicht so.
Land und Kliniken fehlt unter anderem die "Beinfreiheit", wie es Patrick Reimund, der Geschäftsführer der schleswig-holsteinischen Krankenhausgesellschaft, und Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) nennen. Reimund hält es zwar für sinnvoll, dass der Bund grundsätzliche Kriterien vorgibt, nach denen Leistungen angeboten und welche Strukturen vorgehalten werden - aber Besonderheiten der Länder, so die Kritik, würden nicht berücksichtigt.
Einzelheiten stehen noch aus, Befürchtungen gibt es schon
Wie sich Lauterbachs Reform genau auswirken wird, ist noch offen. Es fehlen noch Verordnungen und Berechnungstools des Bundes. Erst dann kann das Land sich an eine neue Krankenhausplanung machen. Absehbar ist aus Sicht von Gesundheitsministerium und Krankenhausgesellschaft aber schon, dass die Versorgung sich in manchen Bereichen verschlechtern könnte:
- Ländliche Regionen: Ministerin von der Decken sieht die Versorgung hier gefährdet. Ein Grund ist, dass der Bund zwar angekündigt hatte, auch kleineren Kliniken in der Fläche eine Vorhaltepauschale zu zahlen - damit sie finanziell überleben können, auch wenn sie nur eine Grundversorgung anbieten. Diese sei aber wiederum von Fallzahlen abhängig - das Ziel, die Kliniken vom wirtschaftlichen Druck zu befreien, werde nicht erreicht.
- Schlaganfallversorgung: Wegen des Mangels an hochspezialisierten Fachkräften hatte Schleswig-Holstein eigentlich vor, die flächendeckende Versorgung mit Kooperationen zwischen Kliniken zu sichern. Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit werden durch die Reform laut Ministerium aber stark eingeschränkt - und das Konzept geht nicht mehr auf. Das kann am Ende längere Wege für die Patienten bedeuten - dabei gilt bei Schlaganfällen "Time is brain" - sprich: Je schneller, desto besser.
- Geburtshilfe: Auch in diesem Bereich sieht das Land zu starre Vorgaben, die den Landeskonzepten entgegenstehen. Ein Beispiel: Nur zwei der fünf Perinatalzentren mit der höchsten Versorgungsstufe erreichen regelmäßig die vorgegebenen Mindestfallzahlen. Die beiden Standorte in Kiel und Lübeck würden aus Sicht des Landes aber nicht für eine flächendeckende Versorgung ausreichen. Auch hier wären laut Gesundheitsstaatssekretär Oliver Grundei keine Ausnahmen auf Landesebene mehr möglich - die anderen Standorte würden wegfallen.
- Fachkliniken: Von ihnen gibt es in Schleswig-Holstein nach Angaben der Krankenhausgesellschaft mehr als "normale" Allgemeinversorger. Geschäftsführer Reimund hält das Thema deshalb für "hochgradig relevant" - er fürchtet, dass nicht alle Fachkliniken die neuen, höheren Anforderungen der Reform erfüllen können. Bisher bieten sie laut Reimund in der Regel bewusst nur ein kleines Leistungsspektrum an - müssten künftig aber Strukturen vorhalten, also etwa Personal, das auf ein größeres Leistungsspektrum ausgelegt ist.
Hoffnung auf Änderungen nach der Bundestagswahl
Eigentlich soll die Krankenhausreform auch die Qualität der Versorgung erhöhen. Gesundheitsstaatssekretär Oliver Grundei (CDU) befürchtet aber, dass durch zu starre Vorgaben auch Strukturen zerschlagen werden, bei denen es gar keine Qualitätsprobleme gibt. Ministerin von der Decken kündigt an, die "Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser soweit wie möglich zu erhalten." Chancen, das Gesetz noch zu verändern, sieht sie erst nach der nächsten Bundestagswahl 2025.
Fachlich waren sich die Länder eigentlich einig, dass es Änderungen braucht - im Bundesrat ging die Reform trotzdem so, wie sie war, durch. Auch Schleswig-Holstein enthielt sich - weil die Grünen dagegen waren, den Vermittlungsausschuss anzurufen, der möglicherweise noch Veränderungen hätte erwirken können.
Ministerin: Ohne Ampel-Aus hätte es vielleicht Nachbesserungen gegeben
Ex-Gesundheitsminister Heiner Garg von der FDP wirft deshalb den Grünen vor, mitverantwortlich zu sein, wenn eine Klinik durch die Reform in die Schieflage gerät. Auch der SSW nennt die Enthaltung des Landes "bedauerlich" - und die SPD sieht die Ministerin dadurch "düpiert."
Hätte sich die Ministerin ein Machtwort des Ministerpräsidenten gewünscht? "Ich hätte mir gewünscht, dass wir mehr Zeit gehabt hätten, um zu einer einvernehmlichen Anrufung des Vermittlungsausschusses zu kommen", sagt Kerstin von der Decken nur. Ohne das Ampel-Aus kurz zuvor, meint sie, hätte es sicher eine Mehrheit für den Vermittlungsausschuss gegeben.