Wieder Kokainfund an der Ostsee: Verändern sich Schmuggler-Wege?
Der Kokain-Schmuggel nimmt zu - auch in Schleswig-Holstein. Das hat das zuständige Zollfahndungsamt Hamburg bestätigt. Aktuell gibt es auch Funde am Strand von Heiligenhafen. Die Ermittler stehen vor einem Rätsel.
Kokain-Päckchen, die am Strand gefunden werden - was bisher nur aus der Nordsee bekannt war, kommt nun auch an der Ostseeküste vor. Bereits vergangene Woche hatte ein Spaziergänger am Ostseestrand in Heiligenhafen (Kreis Ostholstein) ein 20-Kilogramm-Kokain-Paket gefunden. Am Mittwoch meldete die Zollfahndung weitere Funde.
Wo kam das Kokain her und auf welchen Routen wurde es geschmuggelt? Die Ermittlungen laufen noch, sagte der Sprecher des Zollfahndungsamtes Hamburg, Andreas Thaysen, am Dienstag NDR Schleswig-Holstein. Was ihn überrascht, ist die Tatsache, dass es das sogenannte Drop-Off - also das Fallenlassen von Rauschgift-Päckchen - nun offenbar auch in der Ostsee gibt: "Kokainanspülungen kommen immer mal wieder vor, aber eben hauptsächlich in der Nordsee", so Thaysen.
Die Zollfahnder sprechen jetzt mit Kollegen aus anderen Ostsee-Ländern und überprüfen, ob in Dänemark, Schweden oder Polen ähnliche Pakete angespült wurden. Außerdem wird noch ausgewertet, wie die Strömungen zuletzt waren und wer in den vergangenen Tagen und Wochen über die Ostsee geschippert ist. Damit hoffen Polizei und Zoll herauszufinden, wo das Kokain herkommt, wer es geschmuggelt hat und wer es eigentlich erhalten sollte.
Peilsender oder Leuchten: Kriminelle arbeiten mit allen Mitteln
Die Zollfahnder gehen davon aus, dass das Rauschgift mit Schiffen aus Südamerika kommt. Brasilien, Ecuador, Kolumbien: All das könnten die Herkunftsländer sein. Die Ware kommt dann üblicherweise über die Nordsee nach Norddeutschland. Wenn etwas schief geht - wenn zum Beispiel die Leine reißt und das Paket mit Koks aus Versehen im Meer landet und an Land gespült wird - dann stößt schon mal ein Spaziergänger auf so ein Päckchen. Schmuggler arbeiten laut Thaysen auch manchmal mit Peilsendern oder Leuchten an den Päckchen, damit sie schneller von den Kriminellen gefunden werden. In diesem Jahr gab es zum Beispiel bereits einen Kokainfund vor Borkum an der Nordsee und im vergangenen Jahr bei Westerhever.
Verdächtiges Päckchen gefunden? Finger weg!
Wer ein verdächtiges Päckchen mit einer unbekannten Substanz am Strand oder anderswo findet, sollte am besten sofort die Polizei rufen. Es mache keinen Sinn, die Ware mit ins Auto zu nehmen, denn dann mache man sich mitunter selbst strafbar, weil man Betäubungsmittel bei sich hat, sagt Thaysen und ergänzt: "Und bitte auch nicht solch ein Paket aufschneiden. Man weiß nicht, was da für Sicherungen dranhängen."
Ostsee für Schmuggler gefährlicher
Die Frage stellt sich, ob Schmuggler jetzt neue Wege gehen und die Ostsee eventuell vermehrt nutzen. Die kompaktere Ostsee mit viel Schiffsverkehr ist laut Zollfahndung für Schmuggler deutlich gefährlicher und steht mehr unter Beobachtung. Ob die 20 Kilogramm von Heiligenhafen tatsächlich für Schleswig-Holstein bestimmt waren, lasse sich ebenfalls schwer sagen. "Wir vermuten eine gescheiterte Übergabe, aber wir wissen nicht, welche Täter da hinter stehen. Haben sich da bestimmte Schiffe bewegt? Hat jemand was beobachtet? Diese Fragen stellen wir jetzt", so Thaysen.
LKA: "Schleswig-Holstein ist ein Transitland"
Das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein schließt nicht aus, dass das Kokain von hier aus über Land weiter verteilt werden sollte. "Schleswig-Holstein ist ein Transitland", erklärt Sprecherin Carola Jeschke. "Die Nähe zu Dänemark und die Häfen eignen sich dazu, die Ware weiterzuverteilen."
Rauschgiftkriminalität nimmt zu
Insgesamt nimmt nach Angaben des Zollfahndungsamtes die Rauschgiftkriminalität zu - deutschlandweit und auch im hohen Norden. Kokain spielt dabei eine immense Rolle. "Es ist auch ein gesellschaftliches Problem, und man muss die Frage stellen: Warum ist die Nachfrage auch hier bei uns so groß?", so der Sprecher des Zollfahndungsamtes.
Vor allem über die Häfen Rotterdam und Antwerpen kommt immer mehr Kokain nach Europa. Das zeigten zuletzt Analysen von Europol. Demnach gibt es Rekordwerte bei der weltweiten Kokainproduktion und es wird auch mehr Kokain beschlagnahmt. Im vergangenen Jahr waren es mehr als 300 Tonnen Kokain in Europas Häfen - auch der Hamburger Hafen spielt hier eine große Rolle.