Kiels Weg zur Zero-Waste-Stadt: Müllsammeln reicht nicht
Zero-Waste-Konzepte appellieren häufig an Einzelne: Müll sparen, bewusst konsumieren. Doch wie effektiv sind solche Maßnahmen wirklich? Ein Blick auf Kiels Zero-Waste-Ansatz zeigt, wie komplex der Weg zu einer "müllfreien" Stadt wirklich ist.
Über 44.000 Tonnen Müll - so viel hat Kiel alleine im Jahr 2021 produziert. Diese Zahl steht im Kontrast zu dem ehrgeizigen Ziel der Stadt: Sie will Deutschlands erste Zero-Waste-City werden. Konkret bedeutet das: Bis 2035 will Kiel die Müllmenge halbieren, bis 2050 sogar um 70 Prozent reduzieren. Bereits seit 2020 arbeitet die Stadt gemeinsam mit ihren Bürgerinnen und Bürgern an einem umfassenden Konzept.
"Wir schaffen Räume für gemeinschaftliche Praktiken wie Reparieren, Tauschen und Teilen," so Selina Kahl, Projektleiterin von "Zero.Waste.City". Von 107 Maßnahmen konnten bislang 22 umgesetzt werden. Darunter Müllsammelaktionen und Repair-Cafés die helfen sollen, das Bewusstsein in der Bevölkerung zu schärfen. Doch Kahl betont auch, dass individuelles Handeln allein nicht ausreicht: "Die Politik muss aktiv werden, um Anreize für nachhaltiges Wirtschaften zu schaffen und den Weg für echte Kreislaufwirtschaft zu ebnen.
Zero-Waste ist mehr als Müll sparen
Kreislaufwirtschaft bedeutet, Produkte nach ihrem Gebrauch nicht wegzuwerfen, sondern sie zu reparieren, wiederzuverwenden oder zu recyceln. Zum Beispiel wird ein kaputtes Handy repariert, statt ein neues zu kaufen. So werden wertvolle Materialien geschont und weniger Abfall entsteht. Das große Ziel dahinter: nachhaltiger wirtschaften und damit CO2-Emissionen reduzieren.
Creative Circular Cities plant Upcycling-Festival in Kiel
Parallel zu den städtischen Zero-Waste-Maßnahmen ist Kiel Teil des europäischen Projekts "Creative Circular Cities" (CCC). In Zusammenarbeit mit fünf anderen Städten im Ostseeraum - Aarhus, Riga, Tallin, Gdynia und Turku - sollen mithilfe von Kreativschaffenden neue Ansätze zur Kreislaufwirtschaft entwickelt werden. "Kreativität, um weniger Ressourcen zu verbrauchen, ist eine zentrale Qualität, die wir brauchen, um Veränderungen zu gestalten," erklärt Fridtjof Stechmann, Projektleiter von CCC. Bereits in Planung ist ein Upcycling-Festival in Kiel, das Bürgerinnen und Bürgern eine Plattform für Austausch zu bieten und Kreislaufwirtschaft greifbarer machen soll.
Kreislaufwirtschaft beginnt beim Produktdesign
Lokale Projekte und das Engagement von Einzelnen können viel bewegen, gleichzeitig stehen sie oft systemischen Hürden gegenüber. Auch Stechmann sieht die Notwendigkeit politischer Rahmenbedingungen: "Wir brauchen Gesetze, die Kreislaufwirtschaft fördern. Eine Verpackungssteuer wäre zum Beispiel ein starkes Signal, dass wir es ernst meinen mit der Reduzierung von Abfall." Tatsächlich wird die Einführung einer Steuer für Einwegverpackungen, wie To-go-Bechern, seit einiger Zeit in Kiel diskutiert. Unterstützt wird sie unter anderem von Umweltdezernentin Alke Voß (Grüne) sowie Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD). Ohne solche Regelungen bliebe der Druck auf Verbraucherinnen und Verbraucher hoch, so Stechmann, während Unternehmen oft wenig Anreize hätten, nachhaltige Produkte anzubieten.
Zero-Waste - ein Gemeinschaftsprojekt
Während lokale Projekte wie Kiels "Zero-Waste-Haushalts-Challenge", bei der Menschen lernen, ihren Abfall im Alltag zu reduzieren wichtige Schritte sind, wird deutlich: Ein umfassender Wandel kann nur gelingen, wenn Bürgerinnen und Bürger, Politik und Wirtschaft gemeinsam an einem Strang ziehen. Zudem zeigen Projekte wie "Creative Circular Cities" , dass Städte wie Kiel nicht allein vor dieser Herausforderung stehen. "Wir lernen von Städten wie Turku, die ein sehr umfangreiches zirkuläres Konzept entwickelt haben," so Stechmann. "Solche Erfahrungen dienen uns als Blaupause für eigene Maßnahmen". Die internationale Zusammenarbeit soll dazu beitragen, innovative Lösungen schneller in die Praxis umzusetzen.