In guten wie in schlechten Zeiten: Wenn der Partner Krebs hat
Eine Krebsdiagnose trifft nie nur die erkrankte Person - sie stellt das Leben der gesamten Familie auf den Kopf. So erging es auch dem 49-jährigen Feuerwehrmann Tobias Mayer und seiner Frau Ulrike aus Kollmar.
"Mir wurde der Boden unter den Füßen weggezogen", erinnert sich Ulrike Mayer an die Zeit, als bei ihrem Mann 2016 schwarzer Hautkrebs am Auge diagnostiziert wurde. Damals stand die Frage im Raum, ob das Auge entfernt oder bestrahlt werden sollte. Tobias Mayer wurde in Frankreich behandelt, doch vier Jahre später streute der Krebs. Es folgte eine Immuntherapie und sieben Wochen auf der Palliativstation. Kurz davor hatte das Paar in Kollmar (Kreis Steinburg) gerade mit dem Bau ihres neuen Hauses begonnen. Eine extreme Belastung.
"Irgendwie fällt das in der Gesellschaft oft unter den Tisch, dass wir als Angehörige auch Emotionen haben, dass es uns auch nicht gut geht." Ulrike Mayer, Frau eines Krebspatienten
Die Arbeit als heilsame Ablenkung
Besonders in der Anfangsphase hatte Ulrike Mayer das Gefühl, alleine mit der Situation fertig werden zu müssen. Doch eine Psychologin der Palliativstation des UKSH, wo ihr Ehemann behandelt wurde, half ihr, die nötige Stärke aufzubringen: "Sie hat mich aufgebaut und mir gesagt, was ich leiste, ist eigentlich für drei oder vier Personen." Für Tobias Mayer bedeutet der Krebs nicht nur körperliche Einschränkungen, sondern auch eine Umorientierung im Leben. Der Feuerwehrmann ist trotz der Krankheit beruflich aktiv geblieben und koordiniert heute die Zertifizierung von Einsatzkräften. "Hoffnung gibt mir die moderne Medizin, aber auch die Arbeit - sie lenkt mich ab", erzählt er.
"Wenn wir die Hoffnung verlieren, dann sind wir auch verloren"
Zusammen mit ihrem kleinen Hund Spike, ihrem "Seelenhund", schöpfen Tobias und Ulrike Kraft bei langen Spaziergängen. "Dabei besprechen wir alles, was uns belastet", erklärt Ulrike. "Wenn wir die Hoffnung verlieren, dann sind wir auch verloren." Auch ihr Glaube schenkt ihr Kraft: Sobald sie eine Kirche sieht, zündet sie eine Kerze an - für Tobias und ihre Familie. Die Söhne der Mayers, heute 22 und 19 Jahre alt, hatten ebenfalls mit den Folgen der Diagnose ihres Vaters zu kämpfen, sagt sie. "Es hat mich immer gestört, dass nach ihren Gefühlen kaum gefragt wurde. Wie geht es dir damit, dass dein Vater Krebs hat? Welche Ängste hast du?", sagt Ulrike.
Gemeinsam weniger einsam: Ein Paar-Seminar soll helfen
Die Bedeutung von psychologischer und sozialer Unterstützung für Angehörige ist unbestreitbar. Doch viele Betroffene wissen gar nicht, dass sie ein Anrecht auf psychoonkologische Betreuung haben. "Man muss aktiv nachhaken, Termine machen und dranbleiben", betont Tobias Mayer. An Krankenhäusern gibt es, abgesehen von der Palliativstation, oft kaum Angebote. Diese Lücke möchte die Schleswig-Holsteinischen Krebsgesellschaft füllen. Sie bietet eine Anlaufstelle für Betroffene von Krebs. Die Mayers werden am Wochenende ein Seminar besuchen, auf das sie sich schon lange freuen. "Ich, Du, Wir", ist das Thema der 3-tägigen Auszeit, was zum zweiten Mal von der Schleswig-Holsteinischen Krebsgesellschaft organisiert wird, finanziert von Spenden. Die Mayers sind gespannt.
Besser verstehen, wie der andere fühlt
"Wir hoffen, dass wir dort endlich Menschen treffen, die uns verstehen, ohne dass wir viel erklären müssen", sagt Tobias. Das Seminar, was im Kloster Nütschau (Kreis Stormarn) stattfindet, richtet sich gezielt an jüngere Krebspatienten, die mit ihren Partnerinnen und Partnern neue Wege im Umgang mit der Krankheit finden möchten und verspricht intensive Workshops, kreative Angebote und Gespräche in geschützter Atmosphäre. Besonders gespannt sind die Mayers auf den Workshop "Wie geht es mir - wie geht es dir? Ein Perspektivwechsel". "Ich erwarte mir, dass wir besser verstehen, wie der andere fühlt - das kommt im Alltag oft zu kurz", sagt Ulrike Mayer und blickt ihren Mann an. Der nickt, wissend.
Kostbar: Gemeinsame Zeit abseits des Alltags
Auch der kreative Ansatz der Kunst- und Tanztherapie des Wochenend-Seminars weckt Hoffnung, neue Ausdrucksmöglichkeiten zu finden. "Es wäre schön, einfach mal nicht reden zu müssen und trotzdem zeigen zu können, was einen bewegt", meint Tobias. Neben der inhaltlichen Arbeit freuen sie sich auf die gemeinsame Zeit abseits des Alltags. Die Geschichte von Tobias und Ulrike Mayer zeigt, wie wichtig es ist, die Angehörigen in den Blick zu nehmen. Sie sind oft die tragenden Säulen, die den Betroffenen den Rücken stärken.