Hilfe für die Seele: Was Psychoonkologen leisten
Bei Renate Lacher wurde im vergangenen Jahr Lungenkrebs diagnostiziert. Durch die Unterstützung einer Psychoonkologin hat sie gelernt, mit der Angst vor Krebs umzugehen.
Einen Spaziergang am See, frische Winterluft einatmen, die Natur genießen - all das wird für Renate Lacher wohl nie wieder selbstverständlich sein. Sie läuft beinahe andächtig durch den Park des Regio-Klinikums Elmshorn und bleibt vor dem roten Backsteingebäude stehen - dem Ort, an dem sich vor anderthalb Jahren vieles verändert hat. Im Frühjahr 2023 fühlt sich die Anfang Fünfzigjährige schlapp und unwohl, nach und nach kommen Nasenbluten und Husten als Symptome hinzu. "Ich habe schon geahnt, dass etwas nicht mit mir stimmt", sagt Lacher. Es beginnt eine regelrechte Ärzte-Odysee: Lacher wird bei verschiedenen Fachrichtungen vorstellig, schließlich bekommt sie eine Überweisung für das Regio-Klinikum Elmshorn.
"Und in dem Moment, als mir gesagt wurde, 'Tut mir leid, da ist etwas, das muss kontrolliert werden' - ab da habe ich gar nichts mehr wahrgenommen". Patientin Renate Lacher
Warten auf die Diagnose
Die Ärzte stellen damals Veränderungen an ihrer Lunge fest. Zunächst ist eine exakte Diagnose aber nicht möglich und Lacher wird wieder nach Hause geschickt. In diesen Tagen erlebt sie ein Auf und Ab der Gefühle, sagt sie. "Ich habe mein Testament gemacht. Das ist nichts, woran man in meinem Alter unbedingt denkt. Aber ich wollte das geklärt haben, auch für meine beiden Söhne", so Lacher.
Doch auch nach weiteren Untersuchungen gibt es keine wegweisende Diagnose - noch immer ist unklar, ob der Tumor in der Lunge gut- oder bösartig ist. Klar ist aber: Es muss operiert werden. Die Thoraxchirurgie des Klinikums entfernt daraufhin den linken Oberlappen der Lunge. Die OP verläuft erfolgreich. "Und dann kam eben ein paar Tage später der Arzt und sagte 'Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht: Es ist tatsächlich Lungenkrebs. Aber sie brauchen keine Nachbehandlung, keine Chemo, keine Strahlenbehandlung, nichts.'"
Psychoonkoligischer Beistand für Krebspatienten
In diesen Tagen erlebt Lacher wie viele Krebspatienten ein Wechselbad der Gefühle. Das Regioklinikum Elmshorn bietet deswegen Betreuung durch Psychoonkologen an, eine spezielle Form der Beratung extra für Krebspatienten. "Weil sie häufig Ängste und Sorgen haben und gerade im Krankenhaus das andere Personal leider wenig Zeit hat, darauf einzugehen. Das ist also meine Aufgabe, die Patienten zu begleiten, Zeit zu haben, damit Ängste und Sorgen auch mal ausgesprochen werden können", sagt Kristin Löffler.
Sie ist gelernte Diplom-Sozialpädagogin und hat eine Fortbildung zur Psychoonkologin absolviert. Mithilfe eines Fragebogens und ersten Gesprächen prüft sie, ob bei Patienten ein Bedarf besteht. Gut ein Drittel der Krebspatienten entscheiden sich hier am Klinikum demnach für das Angebot. Die Beratung wird dann zeitlich an die jeweilige Krebstherapie angepasst. "Wenn eine Patientin zum Beispiel in einer bestimmten Woche Chemotherapie bekommt, ist klar, dass wir nicht zu selben Zeit ein Gespräch führen. Sondern erst danach", erklärt Löffler. Und auch der Zeitraum der psychoonkologischen Therapie kann individuell angepasst werden - für den Klinikaufenthalt selbst, aber auch die Zeit nach der aktiven Behandlung.
Strategien der Psychoonkologie
Psychoonkologen wie Löffler arbeiten laut Deutscher Krebsgesellschaft nicht nur an Kliniken, sondern auch zertifizierten Krebszentren oder Krebsberatungsstellen. Das Deutsche Krebsforschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft bezeichnet psychosoziale Angebote zudem als Qualitätsmerkmal der onkologischen Versorgung. Auch am Klinikum Elmshorn ist man überzeugt, dass zu einer guten Betreuung von Krebspatienten nicht nur eine wirksame medizinische Therapie, sondern auch psychosoziale Unterstützung gehört.
Angst, Wut und Hoffnung
Renate Lacher erhält noch am Krankenbett Besuch von der Psychoonkologin.
"Ich war erst skeptisch und dachte mir, was will die denn jetzt? Mir die letzte Salbung geben? Aber dann habe ich gemerkt, dass mir das erste Gespräch gut getan hat." Patientin Renate Lacher
Es folgen weitere Gespräche zwischen Löffler und Lacher. Nach der OP beginnt für Lacher eine mehrwöchige Reha. Sie hat laut Ärzten Glück im Unglück. Was aber bleibt, ist die Angst.
"Mein großer Bruder ist zur Zeit meiner Diagnose an Krebs verstorben. Ich konnte nicht zu seiner Beerdigung", so Lacher. Auch das ist Thema in den Gesprächen mit der Psychoonkologin. Ihr war von Anfang an klar, dass ihr die Angst nicht genommen werden kann. Aber nun könne sie besser damit umgehen. "
Wenn die Angst da ist, dass ich sterbe, sage ich mir: Ja, du stirbst irgendwann. Aber nicht heute. Vielleicht auch nicht Morgen - und vielleicht auch gar nicht an dieser Krankheit". Patientin Renate Lacher
Der Weg ihres Bruders muss nicht ihr eigener Weg sein, sagt sie. Inzwischen befindet sich Lacher in Remission, kann wieder arbeiten und ihren Alltag weitestgehend normal bestreiten. Sie schätzt nun andere Dinge im Leben, sagt sie. Ein Tattoo erinnert seit ihrer eigenen Diagnose an den verstorbenen Bruder. Dort steht, worauf es ihr jetzt im Leben ankommt: Carpe Diem.