Holzgas-Kraftwerk in Wahlstedt: Holzweg oder Innovation?
Innovativ, hocheffizient und klimaneutral - so wirbt der zukünftige Betreiber des ersten Holzgas-Blockheizkraftwerks in Schleswig-Holstein für die Anlage, die in wenigen Wochen in Wahlstedt ans Netz gehen soll. Dabei ist die Art der Energiegewinnung nicht ganz unumstritten.
Hendrik Voß tüftelt zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen schon seit mehr als vier Jahren an einem neuen Weg, Energie aus Holz zu gewinnen. In wenigen Wochen soll das erste Holzgas-Blockheizkraftwerk in Schleswig-Holstein in Wahlstedt (Kreis Segeberg) ans Netz gehen. Noch läuft die Anlage im Testbetrieb. Ein paar letzte Arbeiten in Kooperation mit einem österreichischen Unternehmen, das die Technik für die neue Anlage in Wahlstedt geliefert hat, sind noch nötig. Die gehackten Holzschnitzel, aus denen später Strom, Wärme und Bio-Holzkohle werden, liegen schon in den Kammern auf dem Hof des Kraftwerks. Aber noch ist es der Rauch, des bereits bestehenden Blockheizkraftwerks, das mit fossilen Brennstoffen bedient wird, der aus dem Schornstein auf dem Hof kommt.
Hansewerk Natur ist der Betreiber der Anlage. Geworben wird mit den Stichworten: effizient, innovativ und klimaneutral. So will man hier ab Mai einen Teil zur Energiewende beitragen. Die Idee, Holzgas zu nutzen, ist dabei wenig neu, erklärt Hendrik Voß. Es gibt sie bereits seit den Nachkriegsjahren. Jedoch sei das Gas damals nur wenig effizient umgewandelt worden und die anderen Produkte des Prozesses wurden nicht weiterverarbeitet. Diese Art der Energiegewinnung war deshalb lange nicht beliebt und galt aufgrund der hohen Menge an Abfallprodukten als besonders dreckig.
Durch Erhitzen zersetzt sich Holz in Kohle und Gas
Ein Unternehmen aus der Region liefert jeden Tag Holzhackschnitzel an. 4.500 Tonnen pro Jahr. Das Unternehmen hat keine Verwendung mehr für dieses sogenannte Restholz und würde es sonst entsorgen. Auf dem Hof der Anlage in Wahlstedt trocknen die Holzschnitzel eine Woche lang, sodass sich die Restfeuchtigkeit auf etwa zehn Prozent reduziert, erklärt Hendrik Voß. Dann kommen sie in das Herzstück des Kraftwerks: den Pyrolysebehälter. Dort werden die trockenen Holzschnitzel auf 500 Grad Celsius erhitzt. Der Behälter ist luftdicht, sodass nur sehr wenig Sauerstoff darin ist und sich das Holz nicht entzündet und direkt zu Holzkohle wird. Die erhitzte Masse wird dann in einen etwa 850 Grad Celsius warmen sogenannten Schwebebettreaktor gepumpt. Durch die hohe Temperaturen zersetzt sich das Holz in seine verschiedenen Bestandteile: Kohle und Gas.
Die Masse, also die Holzkohle, schwebt in der Mitte des Reaktors und das Gas setzt sich nach oben ab. Die Wärme, die beim Erhitzen der Holzschnitzel entsteht, wird abgegriffen und über ein Rohrsystem ins Fernwärmenetz der Region eingespeist. Knapp 20 Prozent der Wahlstedter Wärme soll laut Hendrik Voß aus dem Kraftwerk kommen.
Das entstandene Holzgas wird verbrannt und treibt einen Generator an, der dadurch Strom erzeugt. 6.000 Megawattstunden im Jahr, sagt Hendrik Voß. Das entspricht dem Jahresverbrauch von 1.500 Vier-Personen-Haushalten. Die schwebende Masse im Schwebebettreaktor wird abgekühlt und dann als nachhaltige Holzkohle weiter verkauft. Sie bindet Kohlenstoff und wird in der Landwirtschaft als Bodenverbesserer oder Futtermittelzusatz sowie im Straßenbau verwendet. 800 Tonnen von dieser Kohle soll das Kraftwerk im Jahr produzieren.
Energiegewinnung mit Holzgas bei Umweltschützern und Experten umstritten
Kritik an Anlagen dieser Art kommt von Naturschützern und Umweltökonomen. Prof. Tilman Requate von der Uniersität Kiel meint: "Holz ist sicherlich nicht der richtige Rohstoff für die Energiewende. Holz kann man am besten verwenden für Baustoffe, Holzhäuser, Möbel. Auch die Abfälle können immer noch gut weiter verwendet werden, zum Beispiel für Pressholz-Ziegel. Skandinavische Länder machen das schon." Die thermische Verwertung, so wie sie in Wahlstedt ab Mai passiert, sollte laut dem Umweltökonom die letzte Möglichkeit sein. Denn Holz speichere Kohlenstoffdioxid und wenn man es verbrennt, gelange das Treibhausgas in die Luft.
Der NABU prognostiziert für das Jahr 2045 eine Holznachfrage von 52 Millionen Tonnen pro Jahr. Allein für die Industrie und private Heizungen. Also ohne das Holz, das für die Holzkraftwerke benötigt wird. Dem gegenüber stehe eine Gesamternte von rund 80 Millionen Tonnen Holz in Deutschland. Für die Naturschützerinnen und Naturschützer stellt sich deshalb die Frage, woher das Holz in Zukunft kommen soll.
Betreiber: Wir verwenden ausschließlich Restholz
Laut Recherchen der Umweltorganisation Robin Wood wird bei anderen, bereits laufenden Kraftwerken hauptsächlich Holz verarbeitet, das auch sehr gut anderweitig genutzt werden könne und keinesfalls ein Abfallprodukt sei. Zum Beispiel in Eberswalde in Brandenburg, bei den Anlagen der Stadtwerke Leipzig in Sachsen-Anhalt oder in Hardegsen in Niedersachsen. Die Stadt Wahlstedt sorgt sich nicht um die angrenzenden Wälder: "Hansewerk hat einen langfristigen Vertrag mit einem regionalen Lieferanten, den wir als Stadt vermittelt haben, da wir mit diesem ebenfalls langfristig schon gute Erfahrungen gemacht haben. Dieser liefert Restholz aus der Region. Restholz, das er ansonsten bisher bis nach Dänemark gefahren hat, da es hier keine geeigneten Abnehmer gab. Insofern werden sicherlich viele LKW-Fahrten nach Dänemark eingespart, was ja auch klimafreundlicher ist."
Und auch Nikloaus Meyer, Geschäftsführer von Hansewerk Natur, erklärt auf NDR Anfrage, dass sich das Unternehmen selbst auferlegt hat, in keinem Fall Restholz zuzukaufen, das extra für den Betrieb der Anlage gefällt und geliefert werden muss: "Ich teile erst einmal die Bewertung, dass man Holz, dass man für andere Zwecke einsetzen kann, nicht über so einen Prozess in Energie umwandeln sollte. Wir nutzen hier aber kein solches Holz, sondern wir benutzen Restholz, was keine andere Verwertung hat. Und wir nutzen auch keine Biomasse, die in der Konkurrenz steht zur Nahrungsmittelindustrie.
Im Mai geht die Anlage in Wahlstedt ans Netz. Für Hendrik Voß geht dann ein Projekt zu Ende, was ihn seit 2019 begleitet. Für ihn beginnt mit der Inbetriebnahme der Anlage eine neue Zukunft, vor allem auch für nachfolgende Generationen, wie die seiner kleinen Tochter.