Sind Wärmenetze auf dem Dorf wirtschaftlich?
Die Erwartungen sind hoch. Doch erste Gemeinden in SH stellen fest: Im Außenbereich wird Nahwärme zu teuer. Bei langen Leitungen steigen die Energieverluste - und damit auch die Kosten.
Mehr als 20 Cent pro Kilowattstunde und damit vier mal so viel wie vor der Energiekrise zahlen Nahwärmekunden derzeit in Süderbrarup, Silberstedt (beide Kreis Schleswig-Flensburg) oder Schönberger Strand (Kreis Plön). In vielen der mehr als 100 meist kleineren Netze des Unternehmens Hansewerk Natur liegen die Preise hoch. Hansewerk-Sprecher Ove Struck versichert dabei, das Unternehmen bereichere sich nicht.
Zwei Gründe für hohe Preise
Der hohe Preis sei alleine der Tatsache geschuldet, dass Hansewerk das benötigte Erdgas für die Wärmenetze in Drei-Monats-Kontingenten einkaufte. Die Energiekrise hatte das Unternehmen damit kalt erwischt. Inzwischen wird laut Struck langfristiger im Jahresrhythmus eingekauft. Aber er nennt noch einen zweiten Grund für die hohen Preise: Die kleinen Netze, der Energieversorger zum Teil vom Vorgängerunternehmen Schleswag "geerbt" habe, seien generell nicht besonders rentabel. Die hohen Erwartungen der Politik an den Ausbau von Wärmenetzen müsse das Unternehmen deshalb dämpfen. Zwar biete Hansewerk mit der Grünen Wärmebox inzwischen eine Standardlösung für Kommunen an. In Sörup (Kreis Schleswig-Flensburg) zögerte Hansewerk aber bisher beim Ausbau des eigenen Wärmenetzes, weil es sich möglicherweise nicht rechnet.
Ein Drittel Wärmeverlust im dörflichen Umfeld
Dabei scheinen die Rahmenbedingungen in Sörup auf den ersten Blick gut: Die Gießerei des Unternehmens M.Jürgensen sowie eine Biogasanlage liefern Abwärme. Der Ortskern ist relativ eng bebaut. Noch ist das letzte Wort dort nicht gesprochen. Generell teilt ein Hansewerk-Sprecher aber mit: Wärmeverluste von knapp einem Drittel der Energie seien in dörflichen Strukturen nicht unüblich. Es gibt viele Einzelhäuser. Das bedeutet: viel Rohr für verhältnismäßig wenig Wärmebedarf. Dabei stehen Wärmenetze in Konkurrenz zu individuell installierten Wärmepumpen. Und die holen auf.
Individuelle Wärmepumpen zunehmend konkurrenzfähig
Die Kilowattstunde Wärme kostet mit einer Wärmepumpe und speziellem Stromtarif etwa sechs Cent im Neubau und neun Cent im schlecht gedämmten Altbau. Auch dort können Wärmepumpen eingesetzt werden. Weil höhere Temperaturen in den Heizkörpern nötig sind, arbeiten sie weniger effektiv. Vor vier Jahren waren Erdgas und Fernwärme deshalb in den meisten Fällen noch günstiger. Das hat sich infolge der Energiekrise gedreht. Neue Erdgasverträge werden zwar gerade wieder günstiger, langfristig ist aber durch den höheren CO2-Preis mit einem Anstieg zu rechnen. Wärmenetze in Schleswig-Holstein verlangen zum Jahresbeginn 2024 sehr unterschiedliche Preise. Stichproben ergeben eine Spanne von neun bis zu mehr als 20 Cent, Tendenz fallend. Dabei ist man aber an einen Anbieter gebunden.
Besonders lange Leitungen im Außenbereich
Wärmenetze außerhalb des Ortskerns haben es besonders schwer, konkurrenzfähig zu bleiben. Die Gemeinde hat es exemplarisch für die Ortsteile Flatzby und Flatzbyholz untersucht. Für nur gut 50 Haushalte müssten vier Kilometer Rohre verlegt werden. Das Konzept sieht vor, ein Kraftwerk mit Holzresten zu betreiben.
Mini-Wärmenetze mit Wärmepumpen im Außenbereich
Für Anschlüsse im Flatzbyer Dorfkern würde sich dann ein relativ hoher Wärmepreis von 14 Cent ergeben. Bei einer Erweiterung entlang der Straße wären es sogar rund 20 Cent pro Kilowattstunde Wärmeenergie. Eine abgewandelte Idee für den Außenbereich sei es, Kleinst-Wärmenetze zu errichten, bei denen zum Beispiel eine Wärmepumpe fünf direkt umliegende Haushalte versorgt, berichtet Anwohner Till Allaut.
Gemeinschaft ist gefragt
"Bürgergenossenschaften oder Gemeindewerke können das am besten steuern," betont Jörg Bülow vom Schleswig-Holsteinischen Gemeindetag. Er weiß, dass fast alle Kommunen bereits die Wärmenetzplanung in Angriff nehmen. Die größeren sind gesetzlich dazu verpflichtet. "Bosbüll ist ein gutes Beispiel," berichtet er. In der nordfriesischen Gemeinde sei der Bürgermeister von Haustür zu Haustür gegangen und habe die Bürger überzeugt, beim Wärmenetz mitzumachen. Gerade auf den Dörfern seien Biogas, Wind und Photovoltaik in greifbarer Nähe, um die Energie für Wärmennetze zu liefern.
Komplexe Rechnung
Wichtige Faktoren sind in jedem Fall die Anschlussdichte und die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien, stellt Markus Hrach vom Landesverband für Erneuerbare Energien fest. Auf diese Einschätzung können sich schließlich alle Akteure einigen. Auch das Umweltministerium stimmt dem zu.
Wärmepumpen sind in der Anschaffung teurer. Andererseits zahlen Wärmenetzkunden oft eine hohe Grundgebühr. Wie die Rechnung ausfällt, hängt nicht zuletzt von der jeweiligen Förderung ab, um die immer wieder hart gerungen wird.