Hohe Kosten für Lernmaterial in Schulen: Keine weiteren Hilfen
Nachdem Landeselternbeiräte Lernmittelfreiheit gefordert hatten, hat sich nun Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Prien dazu geäußert. Außerdem sprach sie über unbesetzte Lehrerstellen und gab einen Überblick zur Entwicklung der Schülerzahlen.
Muss das Land dafür sorgen, dass sich alle Schüler zu Beginn des Schuljahres mit dem nötigen Lernmaterial eindecken können? Landeselternbeiräte plädieren dafür. Sie forderten Zuschüsse oder eine Grundausstattung in den Schulen, um Eltern finanziell zu entlasten, um so für mehr Chancengleichheit zu sorgen. Staatliches Geld für Lernmittel wird es jedoch offenbar nicht geben. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) sagte auf der Schuljahresauftaktpressekonferenz an der Kieler Lilli-Nielsen-Schule: "Ich finde Eltern, die es sich leisten können, ihre Kinder auszustatten, stehen dafür auch in der Verantwortung. Aber umgekehrt ist es unsere Verantwortung, die Kosten möglichst niedrig zu halten." Örtlich gebe es schon Hilfsangebote, so würden teilweise Fördervereine Eltern und Schüler bei der Materialbeschaffung unterstützen. Zudem verwieß Prien auf soziale Instrumente des Landes. "Wir haben das Bildungs- und Teilhabepaket, das ja auch ein Starterpaket enthält."
Prien: Zahl der unbesetzten Lehrerstellen halbiert
Auch auf das Thema Lehrermangel ging Prien ein. Hier habe sich die Situation verbessert. "Zum Stichtag 1.8. waren 99 Stellen der Schulen an unserem Land nicht besetzt, das sind rund 0,5 Prozent aller 20.250 Stellen", sgte sie. Im Schuljahr 2021/22 seien noch 1,3 Prozent der Stellen nicht besetzt gewesen, 2022/23 seien es 1,1 Prozent und 2023/24 seien es 0,7 Prozent gewesen. "Das heißt, im Vergleich zu 2021 haben wir die Zahl der unbesetzten Stellen tatsächlich mehr als halbieren können."
Mehr Studienplätze zeigen Wirkung
Die bessere Situation erklärt die Ministerin damit, dass "wir seit 2017 die Anzahl der Studienplätze in vielen Fächern erhöht haben und die Anzahl der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst erhöht haben." Dies wirke sich erst mit Verzögerung aus, da ein Lehrer sechs bis sieben Jahre brauche, um fertig zu werden. Bei den Zahlen würden ausschließlich Stellenbesetzungen berücksichtigt, so die Ministerin. Als weiteren positiven Punkt erwähnte Prien, dass mehr Lehrkräfte nach Schleswig-Holstein kämen als in andere Bundesländer abwanderten. Karin Prien sprach von einer Unterrichtsversorgung von deutlich über 100 Prozent. Krankheiten, Elternzeiten, Familienpflegezeiten oder Sabbaticals führten aber weiterhin zu Unterrichtsausfällen und machten Vertretungskräfte erforderlich.
Land plant neues Modell, um Lehrkräfte in alle Kreise zu bringen
Prien betonte, dass die Personalsituation in den einzelnen Kreisen und Städten sich teilweise sehr unterscheide. So sei die Stellensituation beispielsweise im Kreis Segeberg schwieriger als in und um Kiel und Flensburg. Denn: "Studierende aus Flensburg und Kiel möchten meist auch dort oder in der Umgebung bleiben." Aus diesem Grund will das Land laut Prien nun ein neues Modell erproben. Neue Lehrkräfte sollen demnach an ihrem Wunschort eingesetzt werden, wenn sie sich verpflichten, vorher für einige Jahre an einer Schule zu arbeiten, die unterbesetzt ist.
Weitere Maßnahmen des Landes: In Förderzentren soll es künftig möglich sein, dass Schulassistenten ohne Lehramtsstudium dauerhaft im Schuldienst bleiben. Sie können die regulären Lehrkräfte in vielen Aufgaben entlasten, so der Plan.
Prien: Eltern sollen Screenzeit der Kinder kontrollieren
Prien will den Schwerpunkt des Schuljahres weiter auf das Lesen, Schreiben und Rechnen setzen. Und auch Deutsch als Zweitsprache wird immer wichtiger. Sie forderte die Eltern zudem dazu auf, darauf zu achten, wieviel Zeit ihre Kinder vor dem Bildschirm verbringen und was sie dort tun. "Schauen sie nach Frankreich, schauen sie nach Dänemark, schauen sie nach Großbritannien: Immer mehr Länder kommen zu dem Ergebnis, dass eine frühe Nutzung von Handys und sozialen Medien auf Kinder in vielerlei Hinsicht schädliche Auswirkungen hat", so Prien.
3.300 Schüler mehr als im Vorjahr
Die Zahl der Schüler in Schleswig-Holstein steigt laut der Ministerin mit dem Beginn des neuen Schuljahrs. "An den 794 öffentlichen allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen werden nach der Prognose rund 372.300 Schülerinnen und Schülern erwartet." Das seien 3.300 Schüler (+ 0,9 Prozent) mehr als im Vorjahr. Rund 25.700 Kinder werden laut Prien in der kommenden Woche eingeschult - 1.200 Erstklässler (+ 4,6 Prozent) mehr als im Vorjahr, so Prien. Hinzu kämen rund 1.300 Kinder, die in die "Deutsch als Zweitsprache"-Klassen kämen. "Seit 2021/22 steigen die Schülerzahlen in Schleswig-Holstein und es wird in den nächsten zehn Jahren auch so bleiben."
Folgende Änderungen gelten an Schleswig-Holsteins Schulen im neuen Schuljahr (Auswahl):
- Schülerfeedback wird verpflichtend. Jede Schule kümmert sich um ein systematisches und anonymisiertes Schülerfeedback. Jede Lehrkraft holt mindestens einmal im Schuljahr Rückmeldungen zum eigenen Unterricht ein.
- Um Leistungsrückstände aus der Grundschule frühzeitig zu erkennen und aufzuholen, wird der Lernstand in der Jahrgangsstufe 5 erhoben.
- Das Projekt Leseband SH wird an weiteren 15 Grundschulen eingeführt, sodass insgesamt 30 dabei sind. Die beteiligten Schulen planen in ihren Schultag eine verbindliche, tägliche Lesezeit von 20 Minuten ein. das Projekt wird wissenschaftlich begleitet. "Wer nicht lesen kann hat keine Chance im Bildungssystem zu bestehen. Lesen ist die zentrale Schlüsselkompetenz", so Prien.
- Informatik wird als Pflichtfach in der Sekundarstufe 1 an allen Gymnasien und Gemeinschaftsschulen eingeführt. Geplant sind vier Stunden Informatik pro Woche, die auf die jeweiligen Klassen 7 bis 10 verteilt werden sollen.
- Zehn Schulen nehmen am Modellversuch zur Künstlichen Inteligenz (KI) an Schulen teil. 56 Schulen folgen im zweiten Halbjahr. KI wird im Unterricht erprobt, eingesetzt wird zum Beispiel ein generativer 3 Text-Chatbot oder eine generative Bild-KI.
- Der Leitfaden "Lernen in Bewegung - Bewegung macht Schule" schlägt vor, welche bewegungsfördernden Maßnahmen in den Schulalltag integriert werden können.
SPD: Schulkarriere darf nicht vom Geld abhängen
Martin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, kritisierte Priens Aussagen zur Materialbeschaffung. "In Sachen Bildungskosten nimmt man die Klagen der Eltern zur Kenntnis, verweist aber auf Bund und Kommunen", sagte er. Es müsse ein Weg gefunden werden, die steigenden Schulkosten für Eltern in den Griff zu bekommen. "Dazu gehören auch Lösungen für digitale Endgeräte und KI-Werkzeuge. Die Schulkarriere eines Kindes darf in Deutschland nicht vom Geld abhängen", so Habersaat.
Habersaat: DaZ-Konzept überarbeiten
Während die Schülerzahlen steigen, würde die Unterrichtsversorgung sinken, so Habersaat. "Mehr Kinder benötigen DaZ, aber es werden weniger Lehrkräfte zur Verfügung gestellt und die DaZ-Klassengröße von 16 auf 18 vergrößert", kritisierte er. Das DaZ-Konzept müsse überarbeitet werden, Schleswig-Holstein müsse Vertretungslehrkräfte qualifizieren und langfristig binden. Die SPD fordert zudem, flächendeckende Sprachstandserhebungen für Viereinhalbjährige mit verbindlichen Fördermaßnahmen für die Kinder bis zur Einschulung, so wie es in Hamburg bereits praktiziert wird. Zum Leitfaden Bewegungsförderung des Landes sagte Habersaat: "Gleichzeitig muss die DLRG im Radio nach Schwimmhallen suchen, weil viele Grundschulen entgegen den Vorgaben keinen Schwimmunterricht anbieten können."
Grüne: Deutlicher Schritt in Richtung Modernisierung unseres Schulsystems
Der bildungspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Malte Krüger, sprach nach der Pressekonferenz von "einem deutlichen Schritt in Richtung Modernisierung unseres Schulsystems". Doch die Maßnahmen reichten nicht aus, "um den drängenden Herausforderungen wie Digitalisierung, Fachkräftemangel und Leistungsrückgang vollständig und langfristig gerecht zu werden". In den kommenden Jahren seien weitere Veränderungen nötig, um das Schulsystem zukunftsfähig zu machen.
FDP: Fachkräftemangel wird schlimmer werden
Kritik kam auch von der FDP. Die Unterrichtsversorgung werde sich weiter verschlechtern, "auch wenn die Landesregierung dies mit kreativer Statistik zu verschleiern versucht", so Christopher Vogt, Sprecher für Bildung, Hochschule, Wissenschaft und Kultur. "Die Kürzungen im DaZ-Bereich werden die
Unterrichtsqualität mit Sicherheit nicht verbessern." Mit der Abschaffung des Fehlerquotienten werde sich zudem vermutlich die Rechtschreibung weiter verschlechtern. "Bei der Lehrkräftegewinnung reagiert Ministerin Prien noch immer nicht in ausreichendem Maße auf den zunehmenden Fachkräftemangel", so Vogt. Dieser werde sich weiter verschärfen.
GEW: Keine Entwarnung bei Lehrkräftemangel
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisierte Priens Aussagen zur Unterrichtsversorgung. "Nach wie vor muss das Bildungsministerium zu viele Stellen mit nicht oder nicht vollständig ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern besetzen", sagte die Co-Landesvorsitzende Franziska Hense. Daher brauche es verstärkt Maßnahmen, um auch Vertretungslehrkräfte zu qualifizieren. Zudem wünscht sich die GEW, dass das Bildungsministerin sich gegen Stellenstreichungen bei der Bildung im Haushalt des kommenden Jahres ausspricht. Die Probleme wüchsen vielen Schulen bereits über den Kopf - daher dürfe nicht "der Rotstift" angesetzt werden, so Hense.