Hilfe für die Ukraine aus SH: Spendenbereitschaft geht zurück
Vor rund zweieinhalb Jahren hat Russland die Ukraine angegriffen. Der Krieg löste damals auch in Schleswig-Holstein eine enorme Spendenbereitschaft aus. Die ist mittlerweile gesunken, sagen verschiedene Verbände und Initiativen.
Vasyl Dukhna und einige der anderen Helfer, die sich an diesem frühen Sonnabendmittag in der Lagerhalle nahe der Billwerder Bucht in Hamburg mit Kaffee und belegten Brötchen stärken, sind schon seit sechs Uhr morgens auf den Beinen. Sie unterstützen die Ukrainische Ärztevereinigung in Deutschland - einen medizinischen Verein, der seinen Sitz in Henstedt-Ulzburg im Kreis Segeberghat. Kurz nach Kriegsausbruch, im Februar 2022, war die Vorsitzende des Vereins, Oksana Ulan, täglich für die Vereinigung im Einsatz, denn die Spendenbereitschaft sei enorm gewesen. Die Hilfsgüter mussten gesammelt, gelagert und für den Weitertransport verpackt werden. Vasyl Dukhna hat Oksana Ulan bei der Koordinierung der Aufgaben unterstützt. Die beiden sind mittlerweile enge Freunde geworden, sagen sie.
Zwei bis oben voll beladene Lkw pro Woche schickte der Verein damals in die Ukraine. Mittlerweile reichen die Spenden lediglich für eine Hilfslieferung alle zwei bis drei Monate, erklärt die Allgemeinmedizinerin Ulan:
"Nach 2023 mussten wir unser Lager im Süden von Schleswig-Holstein schließen, weil die Spenden einfach sehr stark zurückgegangen sind. Was wir jetzt noch bekommen, sind meistens Großspenden von Pflegeheimen oder KIiniken." Oksana Ulan, Vorsitzende der Ukrainischen Ärztevereinigung in Deutschland
Spendeneinbruch bei Hilfsorganisationen
Eine gesunkene Spendenbereitschaft melden auch das Hilfsbündnis "Aktion Deutschland Hilft" und die Johanniter-Unfall-Hilfe. Beide Vereine erklären auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein, dass vor allem zu Beginn des Krieges auch in Schleswig-Holstein besonders viel gespendet wurde. Bei der "Aktion Deutschland Hilft" sind 2022 gut sieben Millionen Euro Spenden aus Schleswig-Holstein eingegangen. 2023 waren es mit gut 600.000 Euro schon weitaus weniger. In diesem Jahr haben Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner knapp 250.000 Euro an das Hilfsbündnis gespendet.
Einer Sprecherin der Johanniter-Unfall-Hilfe zufolge wurde 2022 mehr als eine halbe Million Euro aus Schleswig-Holstein an den Verein gespendet. 2023 waren es noch knapp 100.000 Euro und in diesem Jahr sind es bislang gut 70.000 Euro. Die Vereine und auch der Norddeutsch-Ukrainische Hilfsstab, der mit dem ukrainischen Generalkonsulat zusammenarbeitet, gehen davon aus, dass viele Menschen aufgrund anderer Krisen in der Welt inzwischen für andere Zwecke spenden. Hinzu komme, vor allem bei größeren Institutionen wie zum Beispiel Kliniken, auch die Sorge vor russischen Hacker-Angriffen.
Kliniken fürchten russische Hacker-Angriffe
Oksana Ulan kennt diese Sorge ebenfalls. Kliniken und Pflegeeinrichtungen, die dem Verein unter anderem Betten, medizinisches Equipment und Geräte stiften, wollen nicht, dass diese Großspenden öffentlich werden. Aus Sorge vor Angriffen auf die IT-Infrastruktur der Einrichtungen. Eine Klinik aus dem Kreis Ostholstein und ein Krankenhaus in Lübeck haben auch für die aktuelle Hilfslieferung des Henstedt-Ulzburger Vereins Geräte und Medikamente gespendet. Den Pressetermin, bei dem die Spenden vorgestellt werden sollten, haben beide Kliniken kurzfristig abgesagt. Die Hilfsgüter haben die Helferinnen und Helfer direkt bei der Klinik abgeholt und in den Lkw verladen.
IT-Sicherheitsexperte: Sorge ist unbegründet
Roland Kaltefleiter ist Fachgruppenleiter für IT-Security beim Branchennetzwerk der schleswig-holsteinischen IT-, Medien- und Designwirtschaft (DiWiSH). Er hält die Sorge vor Hacker-Angriffen für unbegründet. Der IT-Sicherheitsexperte sagt, dass für russische Hacker nicht die Unterstützung der Ukraine ausschlaggebend für einen Angriff sei, sondern vielmehr die Größe einer Institution - und damit der Schaden, den das Lahmlegen der Infrastruktur verursachen würde. Demnach sei die Wahrscheinlichkeit, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen einer Spende für die Ukraine und einem russischen Hacker-Angriff gebe, verschwindend gering.
Oksana Ulan bleibt entschlossen
Gut drei Stunden wird es dauern bis Vasyl Dukhna, Oksana Ulan und die anderen Helfer den Lkw komplett beladen haben. Der Fahrer hat bis vor wenigen Monaten noch selbst an der Front als Scharfschütze gekämpft, wurde dann ausgemustert und unterstützt seine Heimat jetzt durch die Hilfslieferungen aus Deutschland. Nach einem Tag Pause wird er in Richtung Ukraine aufbrechen und die gut 1.200 Kilometer Strecke ins Kriegsgebiet zurücklegen.
Oksana Ulan kam vor mehr als 30 Jahren nach Deutschland. Sie hat mittlerweile mehr Lebenszeit hier verbracht als in ihrem Geburtsland, der Ukraine. Durch den Krieg fühle sie sich ihrer Heimat trotz der räumlichen Entfernung näher: "Ich bin da natürlich mit dem Herzen voll dabei, wenn diese schlimmen Dinge passieren. Und wir werden solange weiterhelfen, wie es notwendig ist. Wir werden weitermachen und die Ukraine dann wiederaufbauen."