Herzzentren des UKSH führen neues Herzklappenersatz-System ein

Stand: 09.08.2024 05:00 Uhr

Die kardiologischen Kliniken des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel und Lübeck zählen zu den ersten zehn Einrichtungen weltweit, die die letzte der vier Herzklappen ohne große Operation therapieren können.

von Julia Jänisch

Vier Herzklappen hat jeder von uns - eine von ihnen galt bis jetzt als "the forgotten valve" - die vergessene Herzklappe. Trikuspidalklappe heißt sie. Ihre Aufgabe: das sauerstoffarme Blut aus dem Körper in die rechte Herzkammer durchfließen lassen, damit es von dort aus in die Lungen gepumpt werden kann. Ist die Klappe undicht, fließt Blut zurück und Betroffene haben stark lebenseinschränkende Symptome: Erschöpfung, Wasseransammlungen, Luftnot oder Appetitlosigkeit. Bisher war nur eine symptomatische Behandlung möglich, denn eine Operation unter Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine ist oft zu risikoreich für die Patientinnen und Patienten.

Vor allem ältere Menschen betroffen

Der Bedarf einer geeigneten Therapie ist nicht nur deshalb groß: drei bis fünf Prozent der über 75-jährigen haben eine stark undichte Trikuspidalklappe. So wie Hannelore Elhardt aus Schleswig: "Ich bin immer am Rollator gegangen, bekam keine Luft mehr, konnte mich nicht anziehen. Mir ging es schlecht", erzählt die 82-Jährige.

Ein medizinisches Gerät auf einem OP-Tisch © NDR Foto: NDR Screenshot
Die Klappen-Prothese ist fünf Zentimeter groß und sieht aus wie ein Kronleuchter.

Ihre einzige Hoffnung: Eine erst kürzlich zugelassene Technologie. Dadurch sollte ihr eine neue Trikuspidalklappe durch die Leiste per Katheter eingesetzt werden. Obwohl die Methode so neu ist, entscheidet sie sich dafür: "Ich habe gesagt: entweder oder - vorher hätte ich auch abends einschlafen und morgens nicht mehr aufwachen können." Als sie vor zwei Monaten behandelt wird, ist sie eine der ersten Patientinnen weltweit, die eine der neuen Trikuspidalklappen bekommt.

Herzklappen-Ersatz durch Schlüssellochtechnik

Die Ersatz-Herzklappe ist fünf bis sechs Zentimeter groß und kann klein gefaltet werden. Die Technologie kommt aus Minneapolis in den USA - gut 40.000 Euro kostet eine Klappe. Klein gefaltet wird sie in einen Katheter gespannt, der keine acht Millimeter Durchmesser misst. Der Katheter wird über die Leiste zum Herzen geführt, wo die Klappe dann an der richtigen Stelle platziert und wieder entfaltet wird. Schlüssellochtechnik heißt das. Geht alles glatt, dauert der Eingriff nur eine gute Stunde. Zurück bleibt nicht mehr als eine kleine Narbe an der Leiste.

Ein Arzt blickt in die Kamera © NDR Foto: NDR Screenshot
"Beeindruckend" und "umwerfend" - Dr. Felix Kreidel über die neue Technologie

Dr. Felix Kreidel, Bereichsleiter für Strukturelle Herzerkrankungen am UKSH Kiel, hat Hannelore Elhardt und weitere Patientinnen am UKSH behandelt: "Beeindruckend ist, dass wir einen mindestens fünf Zentimeter messenden Stent ins Herz implantieren können, ohne den Brustkorb zu öffnen. Das ist eine umwerfende Entwicklung."

Eingriff ist Teamarbeit

Prof. Dr. Derk Frank, Direktor der Klinik für Innere Medizin III am Campus Kiel, ergänzt: "Das besondere an dem Eingriff ist, dass Kardiologie, Herzchirurgie und Anästhesie ganz eng verzahnt miteinander arbeiten - als gelebtes Herz-Team. Nur so kann das Verfahren funktionieren." Die anspruchsvolle Technik wird an beiden universitären Herzzentren in Kiel und Lübeck eingesetzt - sie gehören zu den ersten zehn Zentren weltweit, die erfolgreich eine Trikuspidalklappe in Schlüssellochtechnik durch die Leiste ersetzen konnten.

Eingriff mit geringem Risiko

Die Risiken des Eingriffs sind überschaubar - dank einer umfassenden Planung und differenzierter Bildgebung durch Röntgen- und Ultraschallaufnahmen während des Eingriffs. Zehn bis fünfzehn Prozent der Patientinnen brauchen nach der Prozedur trotzdem einen Herzschrittmacher. Bei Hannelore Elhardt ist zwei Monate nach dem Eingriff vieles anders, sie kann wieder eigenständig leben, nur die Einkäufe lässt sie sich bringen: "Ich bin ein anderer Mensch geworden. Ich kann soweit alles und habe keine Luftnot mehr. Was heute nicht geht, mache ich morgen. Die Operation bereue ich nicht."

Weitere Informationen
Repairon-Geschäftsführer Lothar Germeroth (l-r), Stephan Ensminger, Direktor der Klinik für Herz- und thorakale Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Herzpflaster-Patient Frank Teege, Ingo Kutschka, Direktor der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie an der Universitätsmedizin Göttingen, Wolfram-Hubertus Zimmermann, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie an der Universitätsmedizin Göttingen. © dpa-Bildfunk Foto: Maurice Arndt

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 07.08.2024 | 19:30 Uhr

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