Lübeck: Was Ex-Kanzleramtschef Helge Braun als Uni-Präsident vorhat
Nach 18 Jahren im Bundestag wird der CDU-Politiker Helge Braun Präsident der Lübecker Uni. Der Ex-Kanzleramtschef und Weggefährte von Angela Merkel ist Mediziner kehrt so zurück zu seinen beruflichen Wurzeln.
Professor Helge Braun hätte in den letzten Wochen vor seinem Amtsantritt gern mehr Zeit gehabt, die Universität zu Lübeck in Ruhe kennenzulernen, sagt er. Stattdessen war der CDU-Politiker in Berlin bis zuletzt voll eingespannt, so stimmte er unter anderem als Abgeordneter seiner Heimatstadt Gießen noch für die Reform der Schuldenbremse und das milliardenschwere Finanzpaket.
Bei der letzten Bundestagswahl war Helge Braun nicht mehr angetreten, suchte eine Aufgabe außerhalb der Politik. Er bewarb sich als Präsident für die Universität zu Lübeck und wurde einstimmig gewählt. Passend zur Vita des Anästhesisten und Intensivmediziners Braun ist das Profil der Uni - mit den Schwerpunkten Medizin, Informatik, Psychologie und Forschung zu Künstlicher Intelligenz. "Ich kehre an eine sehr lebenswissenschaftliche Universität zurück", sagt der 52-Jährige. "Darüber freue ich mich riesig, das fühlt sich schon ein bisschen wie 'nach Hause' kommen an."
Suche nach Nachfolger für das Uni-Präsidium lief holprig
Helge Braun tritt die Nachfolge von Gabriele Gillessen-Kaesbach an. Die Humangenetikerin hatte die Lübecker Uni sieben Jahre geleitet - im letzten Jahr kommissarisch, weil niemand das Amt übernahm. Im Juli 2023 war die IT-Forscherin Tiziana Margaria gewählt worden, die Vertragsverhandlungen scheiterten allerdings. Im Februar 2024 hieß es, Neurowissenschaftler Dietmar Schmitz würde von der Berliner Charité an die Lübecker Uni wechseln. Er sprang jedoch ab, erklärte seinen Schritt mit persönlichen Gründen und beruflichen Verantwortlichkeiten.
Brauns Ziele: Mehr Geld für die Lübecker Uni, mehr internationale Studierende

Nun scheint die Nachfolge sicher: Helge Braun zieht am 1. April ins Präsidium auf dem Campus ein. Er will die Lübecker Uni attraktiver für internationale Studierende sowie Forscherinnen und Forscher machen, den Zusammenhalt stärken, will dazu für mehr Fördergelder sorgen. Dass Helge Braun bis zuletzt Vorsitzender des Bundesfinanzausschusses war und bestens vernetzt ist, helfe da nicht unbedingt weiter, meint er: "Ich glaube, es geht eher um Kompetenzen als um Connections."
Zum Beispiel: Erfahrungen mit Krisenmanagement. So war Helge Braun als Staatsminister und Kanzleramtschef unter Angela Merkel daran beteiligt, das Land durch die Corona-Pandemie zu navigieren. Zuvor war er Parlamentarischer Staatsekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung.
Kritik aus der Studierendenschaft an Abstimmung zu verschärften Migrationsgesetzen
Die Erwartungen in der Studierendenschaft sind hoch, zugleich sind nicht alle begeistert von einem ehemaligen CDU-Bundespolitiker im Uni-Präsidium. "Die politische Vergangenheit bietet natürlich eine neue Perspektive und Chancen", sagt Anja Köhl, Vorsitzende des AStA der Universität zu Lübeck. "Aber es sind nicht alle zufrieden damit, wie er als CDU-Politiker agiert hat."

"Für uns wiegt schwer das Abstimmungsverhalten vom 29. Januar, wo auch Helge Braun zusammen mit der AfD seinen Arm gehoben hat", kritisiert Patrick Hahn, Co-Vorsitzender des Juso-Verbands der Studierendenschaft an der Lübecker Uni. Schon im Vorwege sei so viel Vertrauen zerstört worden. Anja Köhl und Patrick Hahn bewerten es zumindest positiv, dass sich Helge Braun in einer Gesprächsrunde im Audimax kritischen Fragen der Studierenden gestellt habe.
Was Helge Braun an Berlin am wenigsten vermissen wird? "Den rauen Ton"
"Die letzten Wochen vor der Bundestagswahl und die letzten Entscheidungen des Bundestages haben die Gesellschaft sehr aufgerüttelt" sagt der künftige Uni-Präsident zu den Vorwürfen. "Das spiegelt sich natürlich ganz besonders an der Universität wider." Allerdings müssten sich jetzt alle daran gewöhnen, dass er nicht mehr Ansprechpartner für allgemeine politische Fragen ist: "Jetzt bin ich die Interessensvertretung der Universität zu Lübeck gegenüber der Politik."

Dennoch wird der Neu-Lübecker auch in Zukunft Zeit in der Hauptstadt verbringen. Seine Frau Katja arbeitet nach wie vor in Berlin in der hessischen Landesvertretung. Was Helge Braun speziell am Politikbetrieb am wenigsten vermissen werde: Den rauen Ton, der in den Auseinandersetzungen Einzug gehalten habe - besonders in den Sozialen Medien, betont Braun. "Konflikte gibt es überall, auch an einer Universität. Dass sie aber mit Stil und hoher Sachorientierung ausgetragen werden, darauf freue ich mich sehr."
Brauns Prognose: Der Terminkalender bleibt voll
Ob das Leben mit dem Umzug aus der Hauptstadt in die Hansestadt entspannter wird? Der neue Uni-Präsident geht nicht davon aus. So schnell wie möglich will Helge Braun wichtige Veränderungen anschieben: "Arbeitszeiten von 9 bis 17 Uhr sind weiterhin nicht meins." Ausgleich und Entspannung findet er bei der Gartenarbeit, dazu zieht er regelmäßig im Schwimmbad seine Bahnen: "Zweimal in der Woche muss das sein."
