Helfer nach dem Sturm: Hand in Hand gegen die Flut
Es war die schwerste Sturmflut an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste seit Jahrzehnten. Bis zum frühen Samstagmorgen kämpften rund 2.500 Helfer gegen die Flut.
Das Wasser kam und das Wasser stieg: Es war eine anstrengende Nacht für die vielen Helferinnen und Helfer überall im Land. Sie packten und verteilten zehntausende Sandsäcke - die Feuerwehren pumpten unzählige Keller leer und befreiten die Straßen von umgestürzten Bäumen, kämpften gegen Orkanböen und gegen eine Jahrhundertflut. So wie in Flensburg: Dort musste die Feuerwehr eine Schwangere, die unter starken Schmerzen litt, aus ihrer Wohnung befreien. "Wir kamen da mit normalen Mitteln nicht hin und haben das Schlauchboot vom THW genommen und die Frau damit geholt", sagte Sven Petersen, Gruppenführer der Berufsfeuerwehr Flensburg am Freitagabend.
Im Hotel Hafen versuchten die Mitarbeiter unermüdlich das Schlimmste zu verhindern. Viele Menschen seien gekommen und hätten Stromkabel, Schläuche und Aggregate gebracht - alle hätten irgendwie geholfen, berichtete Hotelchefin Kirsten Herrmann aus der Nacht. Und trotzdem lief das Hotel voll. Auch am Tag nach der Flut bekommt Flensburg große Unterstützung aus dem ganzen Land - unter anderem vom THW in Niebüll (Kreis Nordfriesland) und den Freiwilligen Feuerwehren aus Neumünster, Plön und Freienwill (Schleswig-Flensburg).
Viele Hände helfen in Glücksburg
Direkt nebenan in Glücksburg (Kreis Schleswig-Flensburg) hatten Freiwillige sich auf eine mögliche Evakuierung vorbereitet: 300 Betten standen in der Hanseatischen Yachtschule bereit, für Suppe und belegte Brötchen war gesorgt. Die Betten blieben leer, aber mit dem Essen konnten die Helfenden versorgt werden. "Das hat super gut geklappt", sagte Glücksburgs Bürgermeisterin Kristina Franke (parteilos), "alle haben professionell zusammengearbeitet, jeder hat sein Bestes gegeben und sich bis aufs Letzte verausgabt. Dieses Gefühl der Zusammenarbeit in der Nacht, da habe ich richtig Gänsehaut bekommen."
Hand in Hand war das Stichwort in Glücksburg, so die Bürgermeisterin: Die Firma Colmorn hatte Bigbags gestellt, die wurden dann vom Bauhof mit Sand gefüllt und dann von Landwirt Dirk Hermann zu den Dünen gefahren, um dort das Wasser zurückzuhalten. "Das hat uns Zeit gegeben und uns, glaube ich, gerettet." Und auch am Sonnabend riss die Hilfe nicht ab: Am Strand von Holnis haben die Freiwilligen Müllsäcke ausgelegt. Spaziergänger haben im Laufe des Tages alles eingepackt, was nicht an den Strand gehört und die vollen Säcke an die Promenade gelegt. "Der Strand ist sauber, ich bin sprachlos", sagte Kristina Franke, "Hut ab vor allem, was geleistet wurde."
Zusammenhalt auch im Rest des Landes
Jürgen Haase wohnt seit 65 Jahren auf der Altstadtinsel in Lübeck: "Bei dem Nachbarn lief die Pumpe nicht, dann habe ich von mir eine Pumpe und einen Schlauch geholt und dann konnte er damit pumpen. So ist das hier, wenn irgendeiner was braucht. Ich habe fast alles und dann gebe ich das auch her." So gehe es den meisten Anwohnern in Lübeck - die Hilfsbereitschaft untereinander sei extrem groß. Malte Levgrün, Gemeindewehrführer von Scharbeutz, war wie viele andere die ganze Nacht im Einsatz. Er sagte: "Der Küstenschutz hat grundsätzlich einwandfrei funktioniert. Wir haben mit dem Bauhof zusammen schon sehr gut präventiv gearbeitet."
Günther und Sütterlin-Waack danken Einsatzkräften
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) dankte den Einsatzkräften: "Schleswig-Holstein hat zusammengestanden angesichts dieser schrecklichen Flutkatastrophe mit dramatischen Ausmaßen. Aber wir haben gezeigt, dass wir auch in einer solchen Krise zusammenhalten und diese Situation auch im Griff behalten konnten." Günther sagte, er habe am Freitagabend in seiner Heimatstadt Eckernförde gesehen, wie viel Hilfsbereitschaft da gewesen und wie schnell und umsichtig gehandelt worden sei. "Deswegen ist es mir ein besonderes Bedürfnis vor Ort zu sein und mit denjenigen zu sprechen, die dort geholfen haben."
Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) sagte: "Ich glaube, es ist erstmal wichtig, dass wir unseren Leuten die hier vor Ort gearbeitet haben - aber auch den ganz, ganz vielen Freiwilligen, Ehrenamtlichen - dass wir denen einmal ein ganz herzliches Dankeschön sagen. Das gilt auch für alle Menschen, die vor Ort geholfen haben, die vom Roten Kreuz da waren, die andere versorgt haben, aber auch die Sandsäcke geschleppt haben."
Auch der Katastrophenschutzstab ist zufrieden
Der Einsatz der rund 2.500 Kräfte habe sich gelohnt, das Schlimmste konnte laut Dirk Hundertmark, Schichtleiter des Katastrophenschutzstabes des Landes, verhindert werden. Insgesamt gab es zwei leicht verletzte Einsatzkräfte. "Das ist eine Situation, mit der wir zufrieden sein müssen bei dem, was die Kameraden geleistet haben. Die Hilfsbereitschaft der Schleswig-Holsteiner war vorbildlich. Die Zusammenarbeit unter den Behörden hat auch sehr gut funktioniert."