Erneut Jugendgewalt in Heide: Wie die Behörden jetzt reagieren
Seit Anfang des Jahres gibt es am Bahnhof in Heide zahlreiche Fälle von Raub, Beleidigung sowie Schlägereien unter Jugendlichen. Wie Polizei und Behörden nun auf die Lage reagieren wollen.
Nachdem es vor gut zwei Jahren vor allem am Südermarkt in Heide (Kreis Dithmarschen) zu Straftaten wie Raub, Beleidigung und Körperverletzungen unter Jugendlichen gekommen war, wird die Polizei seit Anfang dieses Jahres regelmäßig zum Heider Bahnhof gerufen. Polizei, Stadt und Kreisjugendamt reagieren mit unterschiedlichen Maßnahmen.
Straftaten von Jugendlichen gegen Jugendliche
Nach NDR Informationen ist für die meisten Vorfälle am Heider Bahnhof eine Gruppe von ungefähr zehn Kindern und Jugendlichen im Alter von zwölf bis 19 Jahren verantwortlich. In allen Fällen, die bislang bekannt wurden, sind Kinder und Jugendliche sowohl die Tatverdächtigen als auch die Opfer. Einige der Tatverdächtigen sollen aus Dithmarschen, einige aus Nordfriesland kommen.
Die mutmaßlichen Täter haben in einem Fall einen Jugendlichen bedroht und ihm die Schuhe abgenommen, auch auf Bargeld und Handys hatten es die Tatverdächtigen abgesehen. In einem Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft Itzehoe wegen schweren Raubes, ein 16- und ein 18-Jähriger sitzen deshalb in U-Haft. Der 18-Jährige soll außerdem eine schwere Körperverletzung begangen haben. In einem anderen Fall wurde ein Polizist mit einer Machete bedroht, als Beamte die Personalien von drei Jugendlichen kontrollieren wollten.
Bürgermeister fordert konsequentes Handeln
Heides Bürgermeister Oliver Schmidt-Gutzat (SPD) sieht bei den aktuellen Fällen keinen Zusammenhang zu den Vorfällen am Südermarkt. "Wir haben hier in Heide keinen Schwerpunkt von Jugendgewalt. Die Taten vom Südermarkt aus dem Jahr 2022 und die aktuellen Vorfälle haben nichts miteinander zu tun, weil es andere Jugendliche und damit andere Tatverdächtige sind", sagte der Bürgermeister NDR Schleswig-Holstein. Er bedauere, dass es in Heide immer wieder zu Gewalt unter Jugendlichen komme. Er sei der Heider Polizei sehr dankbar für ihren Einsatz und ihre zusätzlichen Kontrollen am Bahnhof, so Schmidt-Gutzat. Er erwarte von allen zuständigen Behörden wie Staatsanwaltschaft und Gerichten ein konsequentes Handeln. So sollten bei klaren Fällen, die schnell beweisbar seien, schnelle Verfahren mit einem Urteil folgen. Auf Taten müssten auch schnelle Konsequenzen folgen, fordert Heides Bürgermeister.
Mehr Polizeipräsenz am Bahnhof
Die Polizei in Heide hat bereits vor gut zwei Wochen auf die zunehmende Gewalt am Bahnhof reagiert. Die Beamten fahren dort vermehrt Streife. Auch die Bundespolizei, die für den Bahnhof selbst zuständig ist, hat ihre Präsenz erhöht. Ein Sprecher sagte NDR Schleswig-Holstein, die Bundespolizei überwache den Bahnhof in unregelmäßigen Abständen und zu unregelmäßigen Zeiten im Rahmen des Streifendienstes. Die Beamten des Heider Polizeireviers und der Bundespolizei würden sich dazu auch untereinander abstimmen, so ein Sprecher. Außerdem mache man derzeit sogenannte Gefährderansprachen und weise Jugendlichen so auf die möglichen Folgen ihres Handelns hin. Weitere Einzelheiten zu den Maßnahmen wollte der Polizeisprecher wegen der laufenden Ermittlungen nicht bekannt geben.
Heider Bürgermeister: Jugendämter in der Pflicht
Heides Bürgermeister Schmidt-Gutzat sieht auch die Behörden in der Verantwortung, insbesondere den Kreis über das Jugendamt. "Grade dann, wenn diese Kinder aus Familien kommen, wo man sich bislang nicht besonders um sie gekümmert hat", findet er. Zudem sind einige der jetzt auffälligen Kinder und Jugendlichen noch unter 14 Jahre alt und damit nicht strafmündig. Weil einige Kinder aus Dithmarschen und andere aus Nordfriesland kommen, müssten die beiden Kreisjugendämter sich untereinander noch mehr austauschen und noch besser zusammen arbeiten, erwartet Heides Bürgermeister. Auch eine Inobhutnahme könne eventuell eine Möglichkeit sein.
Kreisjugendamt: Beratungen und Streetworker
Man arbeite bereits mit den Kolleginnen und Kollegen im Kreisjugendamt Nordfriesland zusammen, sagte die Geschäftsbereichsleiterin Soziales und Jugend des Kreises Dithmarschen, Daniela Erdmann. Das Kreisjugendamt Dithmarschen kümmert sich laut Erdmann bereits seit einiger Zeit um die auffällig gewordenen Kinder aus dem Bahnhofsumfeld. Zu Einzelheiten wollte die Kreisverwaltung aber keine Angaben machen, auch aus Gründen des Datenschutzes und weil es sich um Minderjährige handelt. Erdmann erklärt, der Kreis nehme in solchen Fällen Kontakt zu den Familien auf.
Neben der Einzelfallberatung könne man mit Partnern wie Schule spezielle Angebote für die Kinder und Jugendlichen schaffen. Außerdem habe der Kreis Dithmarschen vier Stellen für Streetworker geschaffen, so Erdmann. Zwei dieser Stellen seien bereits Anfang Januar besetzt worden. Die Streetworker sollen mit den Jugendlichen ins Gespräch kommen, um herauszufinden, was ihre Bedürfnisse seien, wo sie sich in der Region bewegen und wie man dem Ganzen so begegnen könne, dass sich Vorfälle wie am Heider Bahnhof möglichst vermeiden lassen, so Erdmann.
Jugendliche nach Corona wieder mehr unterwegs
Nach wie vor könne man nicht die eine Ursache für die Straftaten benennen, sagt Erdmann. Ein Faktor sei aber offenbar, dass die Kinder und Jugendlichen nach der langen Corona-Zeit wieder mobiler seien, zum Beispiel durch das 49-Euro-Ticket. So könnten die Jugendlichen zum Beispiel mit dem Zug von Husum nach Heide fahren, um sich dort mit anderen Jugendlichen zu treffen. Dass das aktuell auch zu Straftaten führe, sei sehr bedauerlich und solle durch die beschriebenen Maßnahmen eingedämmt werden.
Direkter Austausch der Behörden
Auch im Kommunalpräventiven Rat arbeiten die Stadt Heide, die Polizei und das Kreisjugendamt in Sachen Jugendgewalt regelmäßig zusammen, erklärt ein Stadtsprecher. Der Rat kommt demnach mehrfach im Jahr zusammen. Die Sitzungen seien nicht öffentlich, weil dort auch über Einzelfälle gesprochen werde, so der Stadtsprecher. Darüber hinaus gebe es auch einen engen Austausch zwischen der Stadt Heide und der Polizei. Offenbar zeigen die getroffenen Maßnahmen erste Erfolge: In der vergangenen Woche hat es nach NDR-Informationen keine Zwischenfälle am Heider Bahnhof gegeben.