Prozess zu Mädchen-Gewalt in Heide beginnt: Der Fall und die Folgen
Der Strafprozess findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Urteile könnten schon heute fallen. Nach NDR Recherche ist eine kleine Arreststrafe durchaus denkbar.
21. Februar 2023: Ein Video zeigt, wie eine Gruppe minderjähriger Mädchen eine 13-Jährige in Heide (Kreis Dithmarschen) drangsaliert und quält. Mitten am Tag auf offener Straße schütten sie ihr Cola über die Haare, schlagen und treten sie, bespucken sie, drücken ihr eine Zigarette im Gesicht aus. Gleichzeitig filmt jemand von ihnen und stellt das Video später ins Internet. Auf Social Media sehen sich dieses Video Tausende Menschen an. Zuvor sollen die mutmaßlichen Täterinnen das Mädchen schon über Monate hinweg gemobbt haben.
Erst einen Monat nach der Tat wird der Fall öffentlich bekannt. Er ist deutschlandweit in den Schlagzeilen. Heute stehen vier der mutmaßlichen Täterinnen unter Anklage vor dem Jugendschöffengericht in Meldorf (Kreis Dithmarschen). Für die Verhandlung, an der die Presse nicht teilnehmen darf, ist laut Gerichtssprecherin Frederike Milhoffer ein Tag angesetzt. Die Staatsanwaltschaft wirft den Mädchen im Alter von 14 bis 17 Jahren gemeinschaftlichen Raub und gefährliche Körperverletzung vor.
"Erziehungsgedanke" steht im Jugendstrafrecht im Vordergrund
Weitere konkrete Angaben zu diesem Prozess darf die Sprecherin aus Jugendschutzgründen nicht machen. Lediglich allgemeine Fragen rund um ein Jugendstrafverfahren hat sie dem NDR beantwortet. Im Fokus eines solchen Verfahrens steht nicht wie beim Erwachsenenstrafrecht die Abschreckung potentieller weiterer Straftäter, sondern der Erziehungsgedanke. "Das Ziel des Jugendstrafverfahrens ist, zu verhindern, dass der einzelne Jugendliche wieder straffällig wird", erklärt Frederike Milhoffer.
Das soll in der Praxis mit Anti-Gewalttrainings oder Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit erreicht werden. Aber auch ein Jugendarrest ist möglich. Was davon möglicherweise auf die vier mutmaßlichen Täterinnen zukommt, darf Frederike Milhoffer nicht sagen.
Hoher medialer Druck
Nach Hintergrundgesprächen, die der NDR geführt hat, hat sich herausgestellt: Das große öffentliche Interesse dürfte sich nachteilig auf die Angeklagten auswirken. Außerdem sei in den Videos der Tat ein sehr besonderes und abgebrühtes Aggressionsverhalten erkennbar. Denn die mutmaßlichen Täterinnen haben, wie im Video zu sehen, Passanten getäuscht, um das 13-jährige Mädchen weiter quälen zu können. So haben sie gesagt, dass das Mädchen weinen würde, weil es Liebeskummer habe, und sie sich um sie kümmern würden.
Nach NDR Recherche ist es in diesem Fall durchaus denkbar, dass der Richter eine kleinere Arreststrafe verhängt, die auf Bewährung ausgesetzt wird und die Jugendlichen zu einer Therapie verpflichtet werden.
Bürgermeister: Die Stadt geht nun die Probleme an
Heides Bürgermeister, Oliver Schmidt-Gutzat (SPD), begrüßt, dass es in diesem Fall der Mädchengewalt ein beschleunigtes Strafverfahren gegeben hat. "Wenn Straftaten begangen werden, dann können die nicht erst in ein oder zwei Jahren behandelt werden", sagt der Bürgermeister. Denn dann erlebe man nicht unmittelbar die Konsequenzen seines Tuns. Das sei nun in diesem Fall anders.
Vor der Tat der Mädchengruppe gab es in der Stadt große Probleme mit gewaltbereiten Jugendlichen und jungen Erwachsenen am Südermarkt. Danach habe man an den Schulen schon die Sozialarbeit aufgestockt, sagt Oliver Schmidt-Gutzat. Der Bürgermeister lobt außerdem, dass endlich alle an einem Strang ziehen würden. Er nennt dabei die Staatsanwaltschaft, Gerichte, Jugendamt, die Polizei, Schulen und die Stadt Heide. Es gebe regelmäßig runde Tische, an denen sie sich austauschen. Oliver Schmidt-Gutzat hat das Gefühl, dass diese Maßnahmen auch schon Wirkung zeigen.
In seinen Bürgersprechstunden ist die Gewalttat seiner Aussage nach kein riesiges Thema. Ihm ist es wichtig, dass das Problem nun schon seit längerem offen angesprochen wird und sie gemeinsam daran arbeiten - Zivilgesellschaft, Schulen, Jugendamt und Polizei.