Eigenes Haus kaufen? Warum "Boomer" und "Nestbauer" verzweifeln

Stand: 14.01.2025 10:27 Uhr

Die Eigentümerquote in Schleswig-Holstein ist rückläufig, dabei sehnen sich mit den "Boomern" und "Nestbauern" zwei Generationen nach Eigentum. Doch es gibt Hindernisse, wie eine aktuelle Studie bemängelt.

von Samir Chawki

Mona Wegner sitzt regelmäßig vor der Immobilien-App in ihrer schicken Drei-Zimmer-Wohnung. Routiniert, aber leicht gefrustet wischt die 31-jährige Referentin der Geschäftsführung eines Maschinenbauunternehmens über ihr Tablet. Sie scheint mittlerweile alle Inserate zu kennen, kurz pausiert sie bei einzelnen Häusern, um diese zu kommentieren: "Das Haus hier zum Beispiel haben wir uns angeguckt. Müsste aber komplett abgerissen oder kernsaniert werden."

Häufig kein passendes Angebot da

Auch das nächste Haus passt nicht in Mona Wegners Profil. "Das ist auch ein schönes Haus, aber es ist dann doch ein bisschen zu groß. Da wüssten wir gar nicht, wie wir die Räume befüllen würden." So wird die Liste der Inserate immer kürzer. Dabei sucht sie nichts Außergewöhnliches für sich, ihren Mann und Kater Charles: ein Haus mit mindestens 110 Quadratmetern und einem schönen Garten - aber sie findet einfach nichts zu ihren Lebensumständen Passendes.

Zahl der Eigenheim-Besitzer auf Rekord-Tief

So wie Mona Wegner geht es vielen Menschen der sogenannten "Nestbauer"-Generation der 25 bis 45-Jährigen. Das kritisiert auch die Studie "Schutz vor Altersarmut:​ Wohneigentum in Deutschland​" des Pestel-Instituts, die am Montag auf der Messe BAU in München vorgestellt wurde. Demnach liegt die Eigentumsquote in Deutschland nach aktuellen Zahlen auf dem niedrigsten Wert seit 15 Jahren. Laut Studie liegt die Eigentümerquote in ganz Schleswig-Holstein bei 47 Prozent. 2011 waren es noch 49,7 Prozent.

Experte: Es fehlt eine effektive Förderung vom Bund

Eine Frau im Interview vor der Kamera © NDR
Mona Wegner und Kater Charles suchen nach dem passenden Eigenheim.

Der Chef-Ökonom des Pestel-Instituts, Matthias Günther, sieht die Schuld an den rückläufigen Zahlen beim Bund. "Der hat es versäumt, für eine Unterstützung der Menschen, die sich ihre eigenen vier Wände anschaffen wollen, zu sorgen - vor allem für eine effektive Förderung von Wohneigentum." Die absolute Zahl der Eigentümer ist derweil leicht angestiegen - von 670.365 auf 686.711. Das liegt aber daran, dass im gleichen Zeitraum mehr als 111.000 Menschen nach Schleswig-Holstein gezogen sind.

Mieten-Schock für Rentner

Auch auf Menschen, die bald in Rente gehen, könnten laut der Studie finanzielle Probleme zukommen. Gemeint sind damit die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten "Boomer", die zwischen 1946 und 1964 geboren sind. Hier warnt die Studie: "Insbesondere älteren Menschen wächst die Miete schnell über den Kopf: Wer in Rente geht, den trifft oft der Mieten-Schock. Für viele Seniorenhaushalte wird die Miete zur K.o.-Miete."

"Boomer" müssen kürzer treten

In der Studie wird berechnet, dass bei gleichem Durchschnittseinkommen ein Eigentümerhaushalt bis zu 750 Euro mehr im Monat gegenüber einem Mieterhaushalt haben könnte. Das Fazit von Studienleiter Matthias Günther: "Die Miete zwingt die Menschen dazu, im Alter den Gürtel erheblich enger zu schnallen." Wohneigentumsbildung sei demnach gleichbedeutend mit Altersvorsorge.

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Verbraucherzentrale rät auch zu anderen Modellen als Kauf

Der Referatsleiter für Finanzdienstleistungen der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein, Michael Herte, sieht in den Studienergebnissen Licht und Schatten. Bei einigen Punkten stimme er allerdings ausnahmslos zu.

"Junge Leute haben es schwer, Immobilien zu kaufen. Immobilien sind teuer und eine Immobilie setzt Eigenkapital voraus. Nicht jeder kann dieses Eigenkapital ansparen. Ansonsten sehe ich es etwas kritisch, denn ein Haus oder eine Eigentumswohnung ist nicht für jeden gleichsam geeignet." Michael Herte, Referatsleiter für Finanzdienstleistungen der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein

Für den Experten ist eine Immobilie nicht gleichbedeutend mit Sicherheit im Alter.

"Viele glauben, dass ein Eigenheim später im Alter Geld spart. Aber gerade jetzt - durch die gestiegenen Energiekosten - sehen wir immer wieder, dass ein Eigenheim nicht mehr für jeden geeignet ist, weil es später oft viel zu groß ist. Es ist oft ein Trugschluss, dass eine Immobilie im Alter mehr Geld spart." Michael Herte, Referatsleiter für Finanzdienstleistungen der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein

Vielmehr rät er dazu, die Wohnsituation immer mit dem jeweiligen Lebensabschnitt abzugleichen und so hat er sowohl für "Boomer" als auch für "Nestbauer" Tipps: "Wenn ich kurz vor der Rente bin und kein Eigenheim besitze, würde ich mich bemühen, eine Alternative zu suchen. Zum Beispiel den Eintritt in eine Wohnungsbaugenossenschaft, um auch in Zukunft sicher und preiswert Wohnraum anzumieten." Und auch für "Nestbauer" wie Mona Wegner hat er einen Tipp: "Wer in Zukunft ein Haus oder eine Wohnung kaufen möchte und noch jung genug ist, sollte sich darum kümmern, Eigenkapital anzuschaffen."

Jüngere Generation der "Nestbauer" wartet wohl weiter ab

Die Suche von Mona Wegner nach der passenden Immobilie auf dem Kieler Westufer und Umland wird weitergehen - allerdings etwas gebremst: "Im Moment ist einfach nicht viel zu finden. Man möchte gerade nicht so viel Geld ausgeben - und dann noch eine komplette Sanierung machen oder noch einen Abriss."

Verunsicherung durch Bundestagswahl: Wie geht es mit Krediten weiter?

Aufgrund der Neuwahlen im Februar ist die junge Frau verunsichert. "Ich wünsche mir irgendwie mehr Unterstützung vom Staat, aber durch die Wahlen weiß man ja gar nicht, ob es überhaupt mit den Krediten weiter geht." Sie und viele andere "Nestbauer" ihrer Generation wünschen sich von der neuen Bundesregierung mehr Unterstützung und finanzielle Förderung. Monas Fazit: Abwarten und gucken, was die neue Bundesregierung macht. So müssen Mona und ihr Mann weiter auf das passende Eigenheim warten. Kater Charles bleibt also erstmal weiter Mietwohnungskatze.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 13.01.2025 | 15:00 Uhr

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