Glasfaserausbau in SH: Erfolgsweg mit Hürden
High-Speed Internet für alle - kein Bundesland ist beim Ausbau von Glasfaser so weit fortgeschritten wie Schleswig-Holstein. Mancherorts hapert es zwar noch, Minister Madsen glaubt dennoch an die gesetzten Ziele.
70 Prozent "Homes Passed" - das ist der aktuelle Status nach mehr als zehn Jahren Glasfaser-Offensive in Schleswig-Holstein. Laut Breitbandkompetenzzentrum (BKZ.SH) bedeutet das: Sieben von zehn Haushalten im Land haben bereits die Möglichkeit, ans Glasfasernetz angeschlossen zu werden. Geschäftsführer Johannes Lüneberg zufolge ist Schleswig-Holstein damit bundesweit Spitzenreiter. Zum Vergleich: Laut Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) liegt die Ausbau-Quote in Deutschland bei 36 Prozent. Bis spätestens 2030 sollen es 100 Prozent sein - ein ambitioniertes Vorhaben, das der Bund mithilfe der "Gigabitstrategie" erreichen will. Auch die Landesregierung von Schleswig-Holstein hatte sich den Plan vor über zehn Jahren auf die Fahne geschrieben - fährt dabei aber ein anderes Tempo.
"Wir wollen bis 2025 nahezu jedes Haus mit Glasfaser versorgen", kündigte Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) Anfang dieses Jahres an. Der Ausbau der digitalen Infrastruktur sei der Schlüssel für eine erfolgreiche Transformation, so der Minister weiter. Daher wolle man die letzten Adressen so schnell wie möglich erschließen. Gemeint sind damit nicht nur entlegenere Haushalte in Nordfriesland, an der Küste Ostholsteins und auf Fehmarn, sondern auch stärker besiedelte Gebiete, zum Beispiel im Kreis Segeberg.
Flickenteppich Kreis Segeberg
Die Situation im Kreis Segeberg zeigt, wie kompliziert der Glasfaser-Ausbau sein kann. Zwar gibt es Unterstützung von Bund und Land sowie Initiativen vom Kreis und Zweckverbänden. Letztlich bleibt der Ausbau aber privaten Telekommunikationsunternehmen überlassen. Wettbewerbsdruck und kommerzielle Interessen bestimmen hier die Machbarkeit und das Tempo. Und wie in vielen anderen Bereichen herrschen auch in der Tele-Branche Personal- und Fachkräftemangel. Gestiegene Kosten - insbesondere im Tiefbau - und strenge Regularien erschweren die Situation zusätzlich.
So bemüht sich zum Beispiel das Privatunternehmen Deutsche Glasfaser um den Ausbau in der Kreisstadt Bad Segeberg. Auf Nachfrage von NDR Schleswig-Holstein erklärt der Anbieter, die Tiefbauarbeiten im Norden und Süden der Stadt sowie in Christiansfelde seien bereits zu 98 Prozent abgeschlossen. Allerdings verzögern sich die Arbeiten, da noch ein Genehmigungsverfahren für eine Bahnquerung in Christiansfelde laufe. Im Sommer rechne man mit grünem Licht - dann wolle man die Anschlüsse so schnell wie möglich aktivieren.
Zweckverband scheitert: 165 Haushalte ohne Glasfaser
Rund um die Kreisstadt wird der Anschluss abgelegener Haushalte einerseits vom Kreis, andererseits vom Wege-Zweckverband (WZV) vorangetrieben. Im dichter besiedelten westlichen Teil des Kreises sollen die letzten 2.000 Adressen per Amtsinitiative angeschlossen werden. Hierfür gab es laut Kreis mehr als 40 Millionen Euro Förderung. Die Stadtwerke Neumünster und die wilhelm.tel GmbH aus Norderstedt erhielten den Zuschlag. Sie verlegen zurzeit die Leitungen.
Im Osten Segebergs bemüht sich dagegen seit 2013 der WZV um den Anschluss abgelegener Adressen im Amt Trave-Land. Zwei Initiativen waren seither erfolgreich - für den Anschluss der letzten 165 Haushalte ließ sich aber in zwei Ausschreibungen kein Bauunternehmen finden. "Wir bedauern es für die betroffenen Anlieger sehr, dass wir hier keinen weiteren Handlungsspielraum haben, um einen kostenfreien Hausanschluss zu liefern", schreibt der WZV auf Nachfrage.
Besonders ärgerlich: Der Verband hatte für die Initiative insgesamt 5,5 Millionen Euro Fördergelder aufgetrieben. Nun wurde das Projekt laut WZV "bis auf Weiteres" beendet - das Geld muss zurückgezahlt werden. Die letzten weißen Flecken mithilfe der Amtsinitiative des Kreises zu erschließen, war nachträglich nicht mehr möglich - das Vergabeverfahren des Kreises war laut WZV bereits zu weit fortgeschritten. Aktuell ist unklar, wann und ob es einen weiteren Versuch geben wird, die betroffenen Haushalte im Amt Trave-Land kostenfrei anzuschließen.
Strategischer Doppelausbau gefährdet Ziel
Umso sonderbarer scheint es, wenn anderenorts Straßen sogar erneut aufgerissen werden, obwohl dort bereits Glasfaser liegt. Das als "strategischer Doppelausbau" bezeichnete Vorgehen stuft der Bundesverband Breitbandkommunikation als "sehr kritisches" Risiko für den Glasfaserausbau ein. Denn in dicht besiedelten Städten und Gemeinden ist es für Anbieter relativ einfach und lukrativ, viele Haushalte auf einmal anzuschließen. Auch wenn dort bereits ein anderes Unternehmen ausgebaut hat. Laut dem Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) ist vor allem ein Anbieter für dieses Vorgehen bekannt.
VATM: Telekom torpediert Ausbau-Ziele
"Aktuell sind viele Zweckverbände angesichts der strategischen Überbau-Aktivitäten der Deutschen Telekom alarmiert", erklärt der VATM auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein. So kündigte die Telekom laut VATM in Tornesch und Uetersen (beide Kreis Pinneberg) an, in lukrativen Kommunen Glasfaser auszubauen. Demnach hatten andere Unternehmen dort aber schon den Anschluss der gesamten Gemeinden geplant. Für sie sei "eine solche Planung durch das Rosinenpicken der Telekom nicht mehr realisierbar", heißt es vom VATM.
Allein die Ankündigung der Telekom, in einem Gebiet ausbauen zu wollen, das bereits erschlossen wird, kann nach Verbandsangaben zum Rückzug der dort tätigen Unternehmen führen. Gezielte Werbeaktivitäten der Telekom gefährdeten demzufolge die "Take-Up-Rate", die die Wettbewerber brauchen, damit der Ausbau für sie wirtschaftlich bleibe. Erst vergangenes Jahr hatte die Verbraucherzentrale in SH vor unseriösen Verkäufern gewarnt, die Verträge der Telekom anbieten. Andere Anbieter sollen dabei an der Tür schlecht geredet worden sein.
Telekom: "Lobbyverbände reden Glasfaserausbau schlecht"
Die Telekom antwortete auf die Vorwürfe in einem schriftlichen Statement. Man baue für die eigenen Kunden und die Menschen im Land, nicht gegen die Wettbewerber, so eine Sprecherin. Auch die Telekom werde überbaut. Die Fallzahlen seien jedoch angesichts der Menge von 11.000 Kommunen in Deutschland sehr gering. "Die Lobbyverbände der Wettbewerber sollten aufhören den Glasfaserausbau weiter schlecht zu reden. Viel wichtiger ist es gemeinsam Wege zu finden, die Ausbaukosten für alle Unternehmen zu senken." Wettbewerb gebe den Menschen die Möglichkeit zu wählen, was zu niedrigeren Preisen und besserem Service führe. Ohne Wettbewerb käme es gerade in ländlichen Gebieten zu fragwürdigen und wenig leistungsfähigen lokalen Monopolen, so die Telekom. Weiter heißt es in dem Statement: "Der Wettbewerb ist der Motor des Glasfaserausbaus und damit der wesentliche Treiber von Investitionen in eine zukunftssichere digitale Infrastruktur und auch digitale Gesellschaft."
BKZ und Minister Madsen dennoch zuversichtlich
"Ich finde, man sollte erstmal alle anbinden und dann kann man darüber reden, ob man überhaupt noch weitere Netze benötigt", sagt Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU). Er sieht im Doppelausbau ein großes Problem: Gerade in Regionen, wo man schon gute Lösungen gefunden habe, sie es besonders ärgerlich, sagte der Minister NDR Schleswig-Holstein.
"Zwei parallele Glasfasernetze ergeben keinen Sinn", betont auch das BKZ.SH. Schließlich gebe es auch nur ein Strom-, Gas- oder Wassernetz, so BKZ-Chef Lüneberg weiter. Auf Seiten der Kommunen und Verwaltungen entstehe erheblicher Mehraufwand - bei den Bürgern große Unsicherheit. Dennoch gibt sich der Geschäftsführer optimistisch, was den Zeitplan der Breitbandstrategie SH anbetrifft: "Trotz der Herausforderungen der letzten Jahre (...) ist die Zielsetzung, in allen Regionen für Glasfaseranschlüsse gesorgt zu haben, weiterhin realistisch und erfüllbar. Bis 2025 sollen mindestens 90 Prozent der Haushalte angeschlossen sein - bis 2030 auch die verbliebenen.
Mit dem aktuellen Fortschritt von 70 Prozent ist Minister Madsen sehr zufrieden. Trotz der Herausforderungen glaubt er, man werde "die meisten Ziele" erfüllen. Doch der CDU-Politiker weiß auch: "Die letzten Meter sind immer die schwierigsten."