Ein Stethoskop liegt auf einem Tisch, darauf ein Zehn-Euro-Schein. © dpa | picture alliance Foto: Patrick Pleul

Von der Decken: Praxisgebühr "wäre eine Überlegung wert"

Stand: 17.05.2023 14:08 Uhr

Die Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) hält die Wiedereinführung der Praxisgebühr in Schleswig-Holstein für denkbar. Das sagte die Ministerin in einem Interview der "G+G", einer Zeitschrift des AOK-Bundesverbands.

Angestoßen wurde der Vorschlag durch die Frage, wie die Finanzierung der Gesundheitsversorgung im Land künftig gesichert werden könnte. Von der Decken sagte in dem Interview unter anderem, die Praxisgebühr "war ein gutes Instrument und wäre eine Überlegung wert". Denn auch wenn sie keine große Steuerungswirkung habe, könne durch die Gebühr wieder mehr Geld ins System gelangen, so die Ministerin.

Von der Decken: "Die Menschen hatten sich daran gewöhnt"

Von 2004 bis 2012 mussten gesetzlich Versicherte bei jedem ersten Arztbesuch im Quartal eine Praxisgebühr bezahlen. Zehn Euro betrug diese, also maximal 40 Euro pro Jahr. Die Gesundheitsministerin hatte nach eigenen Angaben den Eindruck, dass sich die Menschen damals an die Praxisgebühr gewöhnt hatten. "Die Summe war auch nicht so horrend, dass sie davon abgehalten hätte, eine medizinische Leistung in Anspruch zu nehmen", sagte von der Decken.

Eigenbeteiligung bei Klinikaufenthalten und Medikamenten

Als eine weitere Möglichkeit, die Finanzierung der Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, schlug die Christdemokratin eine höhere Eigenbeteiligung bei Krankenhaus- und Klinikaufenthalten oder Medikamenten vor. Ähnlich wie bei privaten Krankenversicherungen sollen laut ihrem Vorschlag die Höhe und Art der Eigenbeteiligung auch bei einer gesetzlichen Krankenversicherung flexibel gewählt werden können.

Ex-Minister Garg: Zombie sollte in der Gruft versenkt werden

Der ehemalige Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) fand deutlich Worte für von der Deckens Vorschlag zur Praxisgebühr. Er wolle Arztpraxen nicht wieder "zu Inkassostellen machen". Stattdessen müsse die Stabilisierung der Finanzen der gesetzlichen Kassen dauerhaft unterstützt werden. "Der Zombie Praxisgebühr sollte schnellstmöglich wieder in seiner Gruft versenkt werden."

SPD: Wiedereinführung der Praxisgebühr sei herzlos

Auch SPD-Gesundheitspolitikerin Birte Pauls nannte die Vorschläge "herzlos". Sie verwies auf die massiven Preissteigerungen, unter denen einige Menschen im Land bereits jetzt leiden. Die Praxisgebühr würde einkommensschwache Haushalte von notwendigen Arztbesuchen und Medikationen abhalten, befürchtete Pauls.

Kritik kommt auch vom Koalitionspartner

Unnötige Besuche bei Hausärzten und in den Notaufnahmen belasteten das ohnehin schon überlastete System zusätzlich, erklärte Grünen-Gesundheitspolitiker Jasper Balke. "Anstatt jetzt allerdings über Praxis- oder Notfallgebühren zu sprechen, sollte die Politik endlich einen Fokus auf medizinische Aufklärung und Bildung legen, um die gesellschaftliche Handlungskompetenz im Gesundheitsbereich nachhaltig zu stärken", so Balke. Dies führe durch eine Entlastung der Kapazitäten auch zur Entspannung der finanziellen Situation im Gesundheitswesen.

Ärztekammer: Wiedereinführung der Praxisgebühr macht keinen Sinn

Der Präsident der Ärztekammer, Henrik Herrmann, erklärt, die Hoffnung, unnötige Arztbesuche durch die Praxisgebühr zu unterbinden, habe sich damals nicht erfüllt. Wirtschaftlich schlechter gestellte Menschen hätten wegen der Gebühr hingegen auf notwendige Untersuchungen verzichtet. "Vor dem Hintergrund, dass Mitglieder der unteren sozialen Schichten deutlich häufiger und schwerer krank sind als die Besserverdiener, zeigt sich der Widersinn", so Herrmann. Die Praxisgebühr habe zudem ein Mehr an Verwaltungsaufwand für die Praxen bedeutet. Dieser Aufwand sei politischen Akteuren bei der Diskussion um eine Wiedereinführung wohl nicht bewusst. "Über eine Wiedereinführung nachzudenken macht schlichtweg keinen Sinn", resümiert Herrmann.

Bisher sei die Wiedereinführung der Praxisgebühr aus Kiel nicht geplant, teilte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums mit. Das sei Sache des Bundes.

Weitere Informationen
Krankenhauspersonal läuft einen Flur entlang. © imago images Foto: Shotshop

Krankenhäuser in SH: Zwischen Umbau und Bürgerprotest

Dass die Krankenhäuser eine Reform brauchen, ist weitgehend unumstritten - aber was bedeuten die Pläne des Bundes für die Gesundheitsversorgung vor Ort? mehr

Ein Krankenpfleger schiebt einen Wagen über einen Flur im Krankenhaus Siloah in Hannover. © NDR Foto: Mandy Sarti

Krankenhausreform: SH wehrt sich gegen Vorschlag des Bundes

Drei unionsgeführte Bundesländer, darunter Schleswig-Holstein, melden verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschläge für eine Krankenhausreform an. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 16.05.2023 | 19:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Gesundheitspolitik

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Ein dänisches Festessen wurde für die Weihnachtsfeiertage aufgetischt. © IMAGO / Ritzau Scanpix Foto: Jens Noergaard Larsen

#Hyggepost aus Dänemark: Weihnachts-Tischlein deck' dich

Nicht nur in der Vorweihnachtszeit isst man in Süddänemark gern und viel. An den Festtagen wird richtig geschlemmt. mehr

Videos