Krankenhausreform: SH wehrt sich gegen Vorschlag des Bundes

Stand: 20.04.2023 15:16 Uhr

Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) hat mit ihren Länderkollegen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen ein Gutachten vorgestellt, nach dem die Länder die Hoheit über die Krankenhausplanung haben - und behalten sollen.

Die Berliner Vorschläge für eine Krankenhausreform greifen dem Gutachten zufolge zu stark in die Kompetenzen der Länder ein. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hingegen meint, die Diskussion sei längst weiter, das Gutachten sei überholt. Birte Pauls von der SPD sagt, das Land sollte sich konstruktiv beteiligen und eigene Vorschläge machen, "anstatt die gesamte Verantwortung dafür komplett dem Bund zu überlassen." Der schleswig-holsteinische FDP-Gesundheitspolitiker Heiner Garg findet, es sei unklug von Lauterbach gewesen, ein Verfahren ins Spiel zu bringen, das die Planungshoheit der Länder ignoriert. Das dürfe aber nicht dazu führen, dass die Reform nicht umgesetzt wird. Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken sieht die Pläne aber - trotz des Gutachtens - ausdrücklich nicht als gescheitert an.

Frau Ministerin, das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass der Bund gegen die Verfassung verstoßen würde, wenn er alle Details der Krankenhausplanung vorgibt. Was für Lösungswege liegen auf dem Tisch?

Kerstin von der Decken: Also, da gibt es verschiedene Vorschläge. Der eine Vorschlag wäre in der Tat: Der Bund erlässt nur ein Gesetz, wo es um Krankenhausfinanzierung geht. Und alles, was Krankenhausplanung ist, verbleibt bei den Ländern. Das wäre die Aufrechterhaltung des Status quo. Eine zweite Möglichkeit wäre, dass der Bund sich mit den Ländern einigt, das gewisse Dinge in den Ländern nach einem einheitlichen Muster gemacht werden. Das könnte man über einen Staatsvertrag und dann zum Beispiel mit Muster-Landeskrankenhausgesetzen erreichen. Die dritte Möglichkeit wäre, dass der Bund ein Bundesgesetz erlässt, wo er neben der Finanzierung Vorgaben zu Krankenhausstrukturen macht, die gesamten Details dann aber den Ländern überlässt.

Was konkret sind es denn für Details, die sie selbst regeln wollen - die sie sich nicht wegnehmen lassen wollen?

Kerstin von der Decken spricht auf einer Pressekonferenz. © NDR
Gesundheitsministerin von der Decken und ihren Länderkollegen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen gehen die Pläne des Bundes zur Krankenhausreform zu weit.

von der Decken: Das Wichtigste ist für uns als Länder, dass wir in unserem jeweiligen Land eine flächendeckende Grund- und Notfallversorgung festlegen und alles, was Spezialeingriffe betrifft, bündeln können. Wo wir das aber bündeln, wie wir die Notfallversorgung flächendeckend garantieren, wo wir Schlaganfallversorgung, Geburtskliniken und Ähnliches hinstellen, das muss uns überlassen bleiben. Warum? Nicht nur, weil wir rechtlich gesehen dazu die Planungshoheit haben, sondern auch, weil wir als Länder diejenigen sind, die unser Land am besten kennen - und zwar von der demografischen, topografischen, geografischen Infrastruktur und so weiter. Das heißt, wir können dann am besten entscheiden, wo was hin muss, damit dann auch eine gute Versorgung der Bevölkerung gewährleistet ist.

Steht hinter der Initiative also die Befürchtung, dass der Bund dann etwas falsch entscheiden könnte, also zum Beispiel zu viele Standorte streicht?

von der Decken: Ja, das ist in der Tat eine Befürchtung. Unsere Hauptbefürchtung ist, dass der Bund glaubt, dass man mit einem bundeseinheitlichen Schema die Krankenhauslandschaft in Deutschland regeln könnte. Das geht nicht. Wir sind in Deutschland je nach Bundesland so unterschiedlich, dass die Krankenhauslandschaft in einem dünn besiedelten Flächenland wie Schleswig-Holstein, das östlich ein Meer hat, westlich ein Meer hat und nördlich eine Grenze zu einem anderen Staat hat, anders geregelt werden muss als in einem dicht bevölkerten Flächenstaat mitten in der Bundesrepublik. Die Befürchtung ist, dass man über eine bundeseinheitliche Regelung die Besonderheiten der jeweiligen Bundesländer unter den Tisch fallen lässt, die dann dazu führt, dass wir im Ergebnis eine schlechte gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung haben.

Ist die Reform oder der Reformvorschlag aus Berlin damit eigentlich schon gescheitert?

von der Decken: Nein, der Reformvorschlag ist nicht gescheitert. Und lassen Sie es mich mit aller Deutlichkeit sagen: Wir haben nicht vor, diese Reform zu torpedieren. Wir möchten nicht die Reform verhindern, sondern wir möchten eine verfassungskonforme Reform ermöglichen. Wir haben jetzt für den Bund aufarbeiten lassen, wo die juristischen Fallstricke liegen. Wir haben aber auch Vorschläge unterbreitet, wie er es verfassungskonform umsetzen kann. Wir hoffen, und gehen davon aus, dass der Bund diese Vorschläge aufgreift und in den neuen Basisvorschlag für die Reform, den er spätestens Anfang Mai vorlegen möchte, einarbeitet - und damit die Reform ermöglicht wird.

Danke für das Gespräch, Frau Ministerin.

Das Interview führte Constantin Gill, NDR Schleswig-Holstein.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 20.04.2023 | 15:00 Uhr

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