Krankenhäuser in SH: Zwischen Umbau und Bürgerprotest
Neue Regeln für die Finanzierung - und neue Strukturen. Die vom Bund geplante Krankenhausreform wird auch in Schleswig-Holstein Auswirkungen haben. Politikern stehen schwierige Diskussionen bevor.
Die ältere Dame lässt den CDU-Wahlkampfstand in der Eckernförder Innenstadt (Kreis Rendsburg-Eckernförde) - und damit auch den Ministerpräsidenten - links liegen. Leise flucht sie vor sich hin. Das Wort "Krankenhaus" ist zu hören. Vor dem Wahlkampfstand haben sich an diesem Sonnabendvormittag schon einige Menschen versammelt. Parteimitglieder verteilen Popcorn und Blumen. Ein Kind schreit nachdrücklich.
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) wird an diesem Tag viel über Krankenhäuser sprechen. Denn viele Menschen haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten gefragt, wie es mit der Imland Klinik mit ihren Standorten in Rendsburg - und vor allem in Eckernförde - weitergehen wird.
Land verspricht Unterstützung
Inzwischen steht fest, dass die Schön-Gruppe die Kliniken übernehmen wird. "Das ist, glaube ich, eine tolle Nachricht für die Menschen hier", sagt Daniel Günther. Zumal beide Standorte erhalten werden sollen: "Es wird auch eine relevante medizinische Versorgung geben." Und das Land will beide Standorte finanziell unterstützen, verspricht der Ministerpräsident.
Eigentlich hatten Land und Kreis geplant, die Versorgung am Standort Eckernförde deutlich einzuschränken. Das Szenario fünf, wie es von Gutachtern empfohlen war, wurde zwar politisch beschlossen, stieß aber auf mächtigen Gegenwind. In einem Bürgerentscheid stimmten die Menschen dafür, das bisherige Versorgungsangebot aufrecht zu erhalten. Dazu kam es allerdings nicht mehr, denn das Klinikum meldete Insolvenz an. Am Ende sprang die Schön-Gruppe ein.
SPD: Kreis hätte Klinik behalten sollen
Sönke Rix, Bundestagsabgeordneter aus Eckernförde, steht gut 200 Meter von Daniel Günther entfernt, am Wahlkampfstand der SPD. Er hätte sich gewünscht, dass der Kreis die Insolvenz verhindert und das Krankenhaus behalten hätte: "Dem Kreis geht es sehr gut, und die hätten die Mittel auch zur Verfügung gehabt", sagt Rix. Er hofft, dass auch nach dem Verkauf möglichst viel von dem, was die Bürger entschieden haben, umgesetzt wird.
Den Standort Eckernförde mit Grund- und Regelversorgung sowie einer Geburtenstation zu erhalten, wäre eine der möglichen Varianten gewesen, die von Gutachtern vorgeschlagen wurden, sagt Rix. "Da hat die Politik sich aber mit einer Mehrheit dagegen entschieden. Und das hat die Menschen wütend gemacht."
Zentralisierung kommt trotzdem
Henning Brien zum Beispiel. Er hat den Bürgerentscheid mit auf den Weg gebracht. Und wehrt sich gegen Zuschreibungen, die Menschen in der Region hätten nur aus emotionalen Gründen für den Erhalt ihrer Klinik gestimmt. Für die Versorgungssicherheit sei es wichtig, dass es eine wohnortnahe Geburtshilfe gebe, sagt Brien.
Er verweist etwa auf Bürger aus Schwansen, die in Eckernförde behandelt würden. Das Ergebnis des Bürgerentscheids habe fürs ganze Land "eine gewisse Allgemeingültigkeit" und zeige, "was die Bürger sich für eine medizinische Versorgung wünschen."
Schleswig-Holstein schon relativ weit
Doch die Zeichen auf Bundes- und Landesebene deuten in Richtung Zentralisierung. Den Trend gibt es schon seit längerem. Die vom Bund geplante Krankenhausreform könnte ihn noch verstärken. Patrick Reimund, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft, geht davon aus, dass der Trend noch weitergeht.
"Die ganz große Linie wird sicherlich sein, dass wir zu mehr Zentralisierung der Versorgung kommen. Da ist Schleswig-Holstein schon relativ weit, aber sicherlich nicht am Ende der Entwicklung." Patrick Reimund, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft SH
Dass die Krankenhäuser eine Reform brauchen, das ist weitgehend Konsens. Die Finanzmisere der Kliniken ist das eine, dazu kommt der Fachkräftemangel und die Schwierigkeiten, Personal- und Qualitätsvorgaben einzuhalten. Aber was bedeutet die Reform für Patientinnen und Patienten?
Längere Fahrzeiten erwartet
Der Kieler Gesundheitsökonom Thomas Drabinski glaubt zwar nicht, dass im Zuge der Reform ganze Krankenhausstandorte im Land gestrichen werden. "Das heißt aber nicht, dass alle Leistungen, die in den Krankenhäusern heute angeboten werden, auch zukünftig angeboten werden."
Bei Geburtsstationen etwa oder Abteilungen für Innere Medizin werde nicht alles bleiben wie es ist, sagt Drabinski. Für die Patienten könne das längere Fahrtzeiten bedeuten. Das bestätigt auch Reimund.
Genaueres lässt sich momentan schwer voraussagen. Bisher gibt es nur den Vorschlag einer Expertenkommission. Der allerdings sorgt schon für ziemlichen Wirbel.
Keine nordfriesischen Kinder mehr?
Würde der Vorschlag nämlich genau so umgesetzt, würde das etwa für den Kreis Nordfriesland bedeuten, dass es dort künftig keine Geburtshilfe mehr geben würde. So erklärt es Stephan Unger, Geschäftsführer des Klinikums Nordfriesland an einem verregneten Montagabend bei einer vom SSW organisierten Podiumsdiskussion im Husumhus.
Er sei aber "guter Dinge, dass das noch nicht das letzte Wort ist", sagt Unger. Denn die Länder sind in Verhandlungen mit dem Bund. Und wollen erreichen, dass der Bund sich aus den Strukturen zumindest weitgehend heraushält.
Anke Bertram, Vorsitzende des Hebammenverbandes Schleswig-Holstein hatte zuvor gerade berichtet, dass in den vergangenen dreißig Jahren die Hälfte aller Geburtshilfe-Abteilungen im Land geschlossen wurden. Eine Vertreterin des "Bündnis Klinikrettung" spricht auf der Veranstaltung in Husum von "Kahlschlag" und meint, dass die Bundesregierung die Zahl der Krankenhausstandorte verringern will. "Der Bund will ganz klar reduzieren", sagt auch Gesundheitsökonom Drabinski.
Zu viele Kliniken im Land?
Der Landesrechnungshof hat die Krankenhäuser im Land schon häufiger in Augenschein genommen. Aus Sicht von Präsidentin Gaby Schäfer hat das Land zu viele Krankenhäuser, die das Land gar nicht ausreichend mit Investitionen versorgen kann.
Was längere Wege und das Thema Geburtshilfe angeht, meint sie: Die Qualität müsse das entscheidende Kriterium sein. Gerade beim Thema Geburten sei es wichtig, "dass die Schwangeren gut betreut und die Kinder bei der Geburt auch versorgt werden, so dass keine Probleme entstehen", so Schäfer.
An manchen Standorten sei es nicht möglich gewesen, die nötigen Mindestmengen zu erfüllen, "weil nicht genügend Fachkräfte vor Ort waren."
Grundversorgung in der Fläche, Spitzenmedizin in den Zentren
Auch die Krankenkassen verweisen auf Qualitätsvorgaben: "Übung macht den Meister", sagt auch Claudia Straub, Leiterin der vdek-Landesvertretung Schleswig-Holstein, mit Blick auf die Mindestmengen.
Die AOK Nordwest nennt als Leitplanken für die Krankenhausstrukturen "eine gute Erreichbarkeit der Grund- und Notfallversorgung innerhalb von 30 Minuten" auf der einen Seite und "Spezialisierungen und Leistungskonzentration zugunsten einer besseren Behandlungsqualität" auf der anderen Seite.
Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) peilt ähnliche Strukturen an. Als Beispiele, wie es gehen könnte, nennt sie etwa die Zusammenlegung der beiden Klinikstandorte im Kreis Pinneberg oder die Fusion der Krankenhausstandorte in Flensburg. Stationäre Angebote - oder, je nach Bedarf auch sektorenübergreifende Strukturen - soll es überall dort geben, wo "eine objektiv messbare Bedarfsnotwendigkeit besteht", so von der Decken.
Sorge um Vertrauen in die Politik
Der Gesundheitsökonom Thomas Drabinski fordert, mehr Geld in den Erhalt von Kliniken und Arztpraxen zu stecken. Er rechnet damit, dass die Patientenzahlen künftig steigen werden. Auch durch den Zuzug von Flüchtlingen und durch die Überalterung der Gesellschaft, die für mehr Bedarf an aufwendigeren Behandlungen sorgt.
Aber Drabinski sieht auch noch einen anderen Grund: Das Vertrauen der Menschen in die Politik könnte aus seiner Sicht erschüttert werden, wenn Standorte wegfallen.
"Das ist einer der ganz zentralen Punkte für die Wahrnehmung der Patienten, wie ihre Politik quasi für sie arbeitet und für sie die Leistungen bereit stellt. Wenn da Krankenhäuser oder auch Arztpraxen geschlossen werden oder geschlossen werden müssen, dann rüttelt das einfach am Vertrauen gegenüber der Politik." Thomas Drabinski, Gesundheitsökonom
Wie auch immer die Strukturen in Schleswig-Holstein sich in Zukunft verändern werden: Der Fall Eckernförde zeigt, dass es Diskussionen geben wird. "Der Protest ist verständlich, denn eine funktionierende Gesundheitsversorgung ist wichtig und jede Schließung wird zunächst als Verlust empfunden", sagt Claudia Straub vom vdek. Deshalb sei es wichtig, frühzeitig mit den Menschen vor Ort zu sprechen.
Mut und die Sorge vor Unterversorgung
"Das sind in der Tat unangenehme Diskussionen für die politisch Verantwortlichen", sagt Patrick Reimund von der Krankenhausgesellschaft. Die Menschen hätten sich in Eckernförde gegen Zentralisierung gewandt. "Die faktische Entwicklung zeigt aber, dass es jetzt trotzdem passiert."
Das sieht auch der FDP-Gesundheitspolitiker Heiner Garg so: "Die Strukturveränderungen werden so oder so kommen", sagt er. "Entweder haben wir den Mut und gestalten diese oder alleine aufgrund des Fachkräftemangels werden sich neue Strukturen herausbilden", so Garg. Die dürften aus seiner Sicht dann aber zu einer massiven Unterversorgung insbesondere im ländlichen Raum führen. Garg sieht die Gesundheitsministerin gefordert.
Wünsch-Dir-was reicht nicht
Für Daniel Günther zeigt der Fall Eckernförde, dass es nicht funktioniere, "dass man einfach nur Wünsch-Dir-was sagt." Jeder wolle eine wohnortnahe Versorgung, sagt der Ministerpräsident. Aber die Politik müsse eben auch die Frage beantworten, ob es genügend Personal gibt. Und ob die Leistungen überhaupt nachgefragt werden, "denn jeder will natürlich die bestmögliche Leistung haben."
Henning Brien, der den Bürgerentscheid in Eckernförde mit auf den Weg gebracht hat, denkt rückblickend, dass der Umgang mit der Imland-Klinik für Politikverdrossenheit gesorgt haben könnte. Allerdings: Nicht bei ihm selbst. Er tritt jetzt für eine Wählergemeinschaft bei der Kommunalwahl an.