Gerichte in SH kritisieren die geplante Justizreform
In einem offenen Brief an Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) haben die Direktoren und Präsidenten der Amts- und Landgerichte gefordert, die geplanten Einsparungen zurückzunehmen - denn diese schadeten dem Rechtsstaat.
Die Unruhe in der Justiz in Schleswig-Holstein ist groß, die Sorgen ebenso. Seit Justizministerin Kerstin von der Decken (CDU) im September ihre geplante Justizreform öffentlich gemacht hat, reißt die Kritik daran nicht ab. Dabei geht es zum einen darum, wie die Ministerin ihr Vorhaben kommuniziert hat und zum anderen um die geplanten Standorte-Zusammenlegungen an sich. Ziel ist es laut von der Decken, Kosten zu senken.
Offener Brief: "Zugang zu Gerichten hat Verfassungsrang"
In einem Schreiben machten die Gerichtsdirektoren und -präsidenten nun deutlich, dass die geplanten Standortschließungen der Arbeits- und Sozialgerichte zu großer Aufregung und Zukunftsängsten bei den Beschäftigten geführt hätten. Gleichzeitig vertreten sie die Auffassung, dass Gerichte für die Bürger auch in Zukunft sichtbar, präsent und erreichbar sein müssen: "Die Gerichte bilden das Rückgrat des Rechtsstaates. Der Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu den Gerichten hat Verfassungsrang."
Sie fordern Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) dazu auf, die geplanten Einsparungen zu überdenken und zurückzunehmen, da diese in der vorgesehenen Form dem Rechtsstaat schadeten. Ihres Erachtens muss jede Änderung der Gerichtsstruktur im Land inhaltlich gut begründet sein. "Die geplanten Schließungen von Gerichtsstandorten aufgrund eines Kabinettsbeschlusses allein aus Sparzwängen ohne vorherige Ankündigung und Beteiligungsmöglichkeit der Angehörigen und der Vertreter der rechtsprechenden Gewalt stehen hierzu im direkten Widerspruch."
Von der Decken will mit allen Beteiligten sprechen
In einem gesellschaftlichen Klima, in dem das Vertrauen der Bürger in ihre staatlichen Institutionen abnehme und der demokratische Rechtsstaat bedroht sei, stelle der Rückzug der Gerichte aus der Fläche ein fatales Signal dar, heißt es weiter in dem offenen Brief. Ministerpräsident Günther wollte sich zu dem Schreiben nicht äußern. Justizministerin von der Decken ist nach eigener Aussage in intensivem Austausch mit den Beteiligten. Sie hatte wiederholt betont, dass sie die Sorgen der Justiz sehr ernst nehme. Im Oktober hatte sie dazu mitgeteilt: "Ich bin jedoch überzeugt, dass wir im Zuge des Anhörungsprozesses gemeinsam gute Lösungen finden werden und ermutige zu einer konstruktiven Beteiligung“. Ihres Erachtens dient die Reform dazu, die Rechtssprechung in Schleswig-Holstein zukunftsfähig aufzustellen.
Das sehen die Gerichtsdirektoren und -präsidenten anders. In einem justizöffentlichen Schreiben an die Ministerin plädieren sie für eine ergebnisoffene Diskussion unter Beteiligung aller Betroffenen. "Dies könnte dazu führen, dass Einsparmöglichkeiten ermittelt werden, die möglicherweise auch ohne die vom Kabinett beschlossene Strukturreform auskommen." Eine rein fiskalisch begründete Strukturreform solle nicht Ausgangspunkt aller Überlegungen sein, so der Appell.
Geplante Reform Thema im Innen- und Rechtsausschuss
Auch im Landtag steht das Thema erneut auf der Tagesordnung. Im Innen- und Rechtsausschuss wird es zunächst eine Anhörung geben. Mehr als 4.200 Menschen haben inzwischen eine Petition unterzeichnet, die sich für den Erhalt des Zugangs zum Recht und der Sicherung der Arbeits- und Sozialgerichte in den Regionen in Schleswig-Holstein einsetzt. Danach wird Justizministerin Kerstin von der Decken den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. FDP-Politiker Bernd Buchholz hatte einen Bericht beantragt. Erst im Oktober hatten gut 200 Menschen in Kiel vor dem Landeshaus gegen die Justizreform demonstriert.