Frühe Rapsblüte: Schön fürs Auge, riskant für den Ertrag
Die Rapsblüte in Schleswig-Holstein hat begonnen, drei Wochen früher als üblich. Grund: der warme Winter und die Rekordtemperaturen im März. Auch andere Pflanzen blühen früher.
Was bei Passanten Frühlingsgefühle auslöst, kann für die Landwirte wegen des Klimawandels immer öfter zum Problem werden, sagt Henning Kage, Professor am Kieler Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Christian-Albrechts-Universität im Interview mit NDR Schleswig-Holstein. Die Spätfrostgefahr steige und auch der Ertrag sinke, wenn die Wachstumsphase kürzer werde. Doch Kage sieht auch Lösungsansätze.
Herr Kage, der Raps ist drei Wochen zu früh, auch die Obstbäume stehen zum Teil schon in voller Blüte: Hat Sie das überrascht?
Henning Kage: Nein, nicht wirklich. Wir haben hier ein Projekt, in dem wir versuchen, Pflanzenentwicklung und Pflanzenwachstum zu modellieren. Da haben wir uns schon mal angeguckt, wie weit die Entwicklungsstadien jetzt sind. Dabei handelt es sich speziell um Weizen, aber bei Raps ist das ähnlich. Wir haben überdurchschnittlich hohe Temperaturen gehabt und Temperatur ist einer der wesentlichen Faktoren, der den Blühzeitpunkt steuert.
Es wird gefühlt immer wärmer: Müssen wir uns denn auf immer früher beginnende Vegetationsperioden einstellen?
Kage: Genau und damit werden sich auch die Blühzeitpunkte weiter nach vorne verschieben. Und das freut uns jetzt vielleicht, aber das hat natürlich auch durchaus Nachteile und Risiken. Also, wenn man frühe Blüten bekommt, das wissen die Obstbauern schon länger, aber auch die Ackerbauern wird es künftig mehr betreffen, können ja späte Kälteeinbrüche trotzdem noch kommen, gerade auch, wo die Meere jetzt überdurchschnittlich warm sind, wird das tendenziell etwas wahrscheinlicher.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Klimawandel für die Landwirtschaft?
Kage: Den einen Punkt haben wir gerade angesprochen, also wir haben durchaus ein höheres Spätfrostrisiko. Ich bin Ackerbauer, Weizen und Raps sind die Hauptkulturen, mit denen wir uns hier im Institut beschäftigen, und da sieht man teilweise schon, dass ein Weizen durch einen Frost Ende Februar oder Anfang März stärker geschädigt wird, als wenn die Entwicklung im Herbst und Winter normal abgelaufen wäre. Wenn die Pflanzen dann in die Blüte hinein noch stärkere Fröste bekommen, wird es deutlich kritischer.
Zudem haben wir eine verkürzte Vegetationsperiode. Das klingt jetzt etwas theoretisch, aber am Ende ist es so, dass der Pflanzenstand seinen Ertrag aus der Menge an aufgenommener Energie bildet, also je länger der Bestand wächst, desto mehr Strahlungsenergie kann er aufnehmen und wenn wir hohe Temperaturen haben, dann verkürzt sich die Wachstumsperiode und wir bekommen am Ende auch niedrigere Erträge.
Gibt es auch etwas Positives?
Kage: Ja, wenn wir jetzt frühere Blüten haben, dann haben wir eine frühere Ernte, das schützt ein bisschen vor Hitzestress-Ereignissen, die dann später im Jahr auftreten können. Aber generell würde ich sagen, für viele Ackerbaukulturen haben wir in diesem Jahr erstmal durch diese sehr warme Witterung im Herbst und Winter eher niedrige Erträge zu erwarten.
Auch weil wir einen sehr trockenen Sommer 2023 hatten und ab Herbst dann sehr viel Niederschlag?
Kage: Wir haben natürlich erstmal viel Wasser bekommen, was für manche Regionen ja durchaus auch ein Segen war, denn wir hatten ja sehr trockene Jahre in Folge und wir haben jetzt wieder gute Wasservorräte in den Böden. Aber es stimmt auch, dass die Frühjahre immer trockener werden. Wir haben eben höhere Temperaturen, dadurch eine höhere Verdunstung und entsprechend haben wir eine ganz klare Tendenz der Zunahme von Trockenstress. Und jetzt hatten wir eben im Herbst und Winter viel Nässe und wenn die Böden zu nass sind, dann wachsen die Wurzeln natürlich nicht so fest in den Boden hinein.
Müssen die Landwirte umdenken?
Kage: Das ist ein gradueller Prozess. Wir haben ja Züchter, um die Sorten an die Umweltbedingungen anzupassen. Und die schauen natürlich auch, welche Kreuzungen passen am besten auch seitens der Erträge und da wird durch den Klimawandel eine gewisse Anpassung erfolgen, auch wenn da im Augenblick noch nicht allzu viel passiert ist. Aber die Anpassung von Blühzeitpunkten ist eigentlich schon immer das Geschäft von Züchtern gewesen. Sie gucken welches Material aus Frankreich ist gut, aus England, aus Polen, dann wird gekreuzt und man behält nur die besten Ergebnisse.
Also soll der Landwirt sich ausprobieren?
Kage: Der Landwirt nimmt die besten Sorten der Züchter und die Züchter machen im Prinzip dann die Arbeit, in dem sie jetzt erstmal die Sorten so weiterentwickeln, dass sie auch an das künftige Klima angepasst sind. Wir haben vor 30 Jahren in Schleswig-Holstein zum Beispiel keinen Mais gekannt, jetzt wird zumindest viel Futtermais angebaut, das hat es früher nicht gegeben. Man sieht in Niedersachsen auch schon Soja, das wäre vor einigen Jahrzehnten noch nicht möglich gewesen, aber das ist ein langsamer Prozess. Wir werden jetzt nicht in drei bis vier Jahren völlig neue Früchte auf unseren Feldern sehen.
Wo sehen Sie die Landwirtschaft in 10 bis 20 Jahren? Was muss sich verändern?
Kage: Wir verändern uns ständig, die Wissenschaft arbeitet immer daran, das Bestmögliche aus ihren Feldern herauszuholen, also auch nachhaltig. Aber es gibt da jetzt nicht so etwas wie eine radikale Wende, sondern das ist einfach die Evolution, die da passiert und die wird sich jetzt noch ein bisschen neu ausrichten, vielleicht auch an Geschwindigkeit zulegen müssen, weil der Klimawandel absehbar auch weitergehen wird. Und es ist jetzt nicht eindeutig absehbar, ob wir uns auf Dauer tatsächlich in deutlich niedrigere Erträge hineinbewegen. Die Erwärmung ist schon überdurchschnittlich, aber wir haben in der Summe der Jahre noch ausreichend Niederschläge.
Was würden Sie den Landwirten jetzt raten? Sollen sie sich breiter aufstellen?
Kage: Das ist sicher erstmal keine schlechte Idee, aber im Konkreten wird es dann schwierig. Es ist natürlich schon so, dass die Landwirte sich sehr stark auf bestimmte Kulturen vom Pflanzenbau her fokussiert haben, also die Vielzahl der Kulturen abgenommen hat, dahinter steckt aber eine ganz einfache Anpassung, das sind eben die leistungsstärksten Kulturen und das, was häufig als Erweiterung der Fruchtfolge diskutiert wird, sind häufig Kulturen, die dann unter extremer Witterung auch leiden.
Das Interview führte Julia Lindenau, NDR Schleswig-Holstein.