Flüchtlingsunterkunft in der Wik: Stadt Kiel weiter unter Druck
Lärm und Straftaten - die Unterkunft für Geflüchtete in der Arkonastraße und die Stadt stehen in der Kritik. In einer aktuellen Stunde in der Kieler Ratsversammlung wurde nun darüber debattiert.
Etwa 600 bis 650 Menschen sind laut Stadt Kiel in dem Areal im Kieler Stadtteil Wik untergebracht. Die Umgebung um die Einrichtung ist weitgehend sauber. Sie grenzt an ein Supermarktgelände, ein Industrieareal, Militärkasernen und an einer Seite an Wohnhäuser. Vereinzelt liegt ein Fetzen Papier in den Büschen. Ein verlassener Einkaufswagen steht vor dem Eingang der Unterkunft. Ein Passant erzählt, man spüre ein klein wenig, dass sich in der letzten Zeit etwas verändert habe. Vor wenigen Tag habe er eine Auseinandersetzung von Bewohnern untereinander mitbekommen. Das habe er früher so nicht gesehen. Ein paar Häuser weiter, wo er wohne, sei aber alles wie immer.
Flüchtlingsunterkunft Thema in "aktueller Stunde"
Berichte über die Gemeinschaftsunterkunft haben bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt und das Thema beschäftigt jetzt auch die Kieler Stadtpolitik. Am Donnerstag stand es auf der Tagesordnung in der Kieler Ratsversammlung. Das Heim wird von der Diakonie Altholstein betrieben. Dort wohnen Menschen unterschiedlicher Herkunft. Eine große Gruppe machen laut Stadt Personen aus der Ukraine aus.
Laute Musik und Lärm
Die Polizei spricht von 200 Personen, die innerhalb eines Jahres straffällig geworden seien. Insgesamt gehe es um 800 Ermittlungsverfahren. Auffällig seien viele Diebstähle, Ladendiebstähle. Es würde auch zu gewalttätigen Übergriffen kommen, größtenteils untereinander. Vereinzelt würde es Beschwerden von Anwohnern geben. Der Wiker Ortsbeiratsvorsitzende Torsten Nolte (Grüne) spricht davon, dass die Mehrzahl der Menschen die in der Wik leben, von dem Flüchtlingsheim in der Arkonastraße wohl wenig mitbekommen würden. Die Akzeptanz für eine eventuelle dritte Unterkunft sei da. Allerdings gebe es vereinzelte Beschwerden von Anwohnern. Es gehe um Lärm und laute Musik. Von vereinzelten Beschwerden aus der direkten Umgebung berichten auch Stadtverwaltung und Polizei.
Wer sich nicht an die Hausordnung hält, muss woanders wohnen
Zurück in die Arkonastraße: Zwei Passanten berichten, sie seien vereinzelt angebettelt worden. Eine Straße weiter - vor der nahen Kirchengemeinde - erzählen Gemeindemitglieder, dass man sich in der Unterkunft engagiere. Es ist jetzt später Abend und außer ihnen ist hier niemand unterwegs. Es habe aber kurz hintereinander mehrere Einbrüche bei der Gemeinde gegeben. Man können aber nicht sagen, wer dahinterstecke.
Sozialdezernent Stöcken rudert zurück
Sozialdezernent Gerwin Stöcken (SPD) hatte zunächst Anwohnern empfohlen, Gespräche mit den Bewohnern zu suchen. Doch das ist schwer: Hier spricht kaum jemand Deutsch oder Englisch. Stöcken spricht im Nachhinein von einem doofen Beispiel. Mit einer Dolmetscherin sei dennoch ein Kontakt möglich.
Ein Paar, das vor dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine geflüchtet ist, erzählt: "Einmal im Monat machen wir Bewohner gemeinsam die Umgebung und das Gelände sauber." Doch nicht alle würden sich daran beteiligen.
Mehr Bewohner als gemeldet?
Immer wieder berichten auch die Bewohner der Unterkunft von lauter Musik, lauten Unterhaltungen und auch lauten Auseinandersetzungen in den Gebäuden. In den sanitären Anlagen sei es häufig nicht sauber. Wir sprechen mit Ukrainern aus der Unterkunft - einige von ihnen sind von der Volksgruppe der Roma. Wir erfahren: Man lebe zusammen, dennoch gebe es kulturelle Unterschiede. Immer wieder erzählen Bewohner: In den Gebäuden würden sich mehr Menschen aufhalten, als dort gemeldet seien. Sozialdezernent Stöcken konnte das auf Nachfrage nicht bestätigen, wolle die Informationen überprüfen.
Flüchtlingsunterkunft Thema in "aktueller Stunde"
"Wir alle hier haben dem Thema in den letzten Wochen oder Monaten zu wenig Beachtung geschenkt." Das sagt Ratsherr Carsten Rockstein (CDU) in der aktuellen Stunde in der Ratsversammlung. Es gehe um Menschen, die hier zu Recht Schutz suchen würden. Dennoch sei es nicht in Ordnung, von einem Teil in der Unterkunft Wohnenden sich zu benehmen, wie die Axt im Walde. Man dürfe aber nicht alle Flüchtlinge als Problemfälle bezeichnen. Es gehe um eine kleine Gruppe. Die Ausführungen Rocksteins waren eine Antwort auf die Position der AfD-Fraktion. Die hatte das Thema auf die Tagesordnung setzen lassen. In der Unterkunft habe es Probleme mit diversen Personen gegeben, die straffällig geworden seien. Die Einrichtung gerate ans Ende ihrer Leistungsfähigkeit. Die Linke-Fraktion hatte den Saal aus Protest verlassen.
Wer sich nicht an die Hausordnung hält, muss woanders wohnen
Stadtrat und Sozialdezernent Gerwin Stöcken (SPD) sagte in der Debatte: "Wir haben eine Hausordnung und diese Hausordnung besagt, wie man sich dort untereinander begegnen soll. Da achten die Betreuungsträger drauf, dass die eingehalten wird. Wenn die nicht eingehalten wird, werden Leute auch abgemahnt." Stöcken will sich verstärkt darum kümmern, dass Behörden und Stadt feststellen können, wer die Straftaten begeht. Man wolle vor Ort den Bewohnern nochmals nahe bringen, was die Nachbarschaft erwarten würde. Wer sich nicht daran halten könne, müsse dann eben woanders wohnen.
Die Stadt wolle nun unter anderem prüfen, einzelne Familien aus der Unterkunft woanders unter zu bringen. Und: Weil Langeweile ein Grund für Fehlverhalten sein könne, wolle die Stadt mehr Angebote machen, die den Bewohnern eine Tagestruktur geben. Ob die Zahl der Straftaten zurückgeht und die Maßnahmen der Stadt wirken, das wird sich wohl erst nach einiger Zeit zeigen.