Sylt-Prozess gegen "Letzte Generation" beginnt mit Aussagen
Die Angeklagten sollen für die Farbattacke auf einen Privatjet auf Sylt verantwortlich sein. Fünf der sechs "Letzte Generation"-Mitglieder haben sich zum Prozessstart geäußert. Das Urteil soll am Freitag fallen.
Für die meisten der sechs Angeklagten ist es keine ganz fremde Ausgangslage: Fast alle Mitglieder der Protestgruppe "Letzte Generation", die sich ab Dienstag (12.11.) vor dem Amtsgericht Niebüll verantworten müssen, saßen für ähnliche Protestaktionen bereits auf der Anklagebank. Trotzdem ist dieser Prozess besonders. Das liegt neben den symbolträchtigen Schauplätzen der Aktionen auf Sylt vor allem an der Schadenshöhe. Es dürfte die bislang kostspieligste Farbattacke der "Letzten Generation" gewesen sein. Die zwischen 22 und 61 Jahre alten Angeklagten müssen sich wegen Sachbeschädigung, der Störung öffentlicher Betriebe und Hausfriedensbruch verantworten.
Privatjet mit Farbe besprüht: Millionenschaden am Flugzeug
Fünf der sechs Angeklagten sollen auf das Sylter Flughafengelände eingedrungen sein und dafür einen Zaun zerschnitten haben. Dort haben sie laut Staatsanwaltschaft Flensburg einen Privatjet mit orangener Farbe besprüht und damit auch die Triebwerke beschädigt. Schadenshöhe: mindestens eine Million Euro. Die Angeklagten haben sich demnach teilweise auf den Tragflächen des Jets festgeklebt und Transparente mit den Aufdrucken "Euer Luxus - Unsere Dürre" und "Euer Luxus = Unsere Ernteausfälle" ausgerollt. Der Flugverkehr soll zwischenzeitlich eingeschränkt worden sein, heißt es von der Staatsanwalschaft. Die Staatsanwaltschaft wirft vier Angeklagten außerdem vor, auf einem Sylter Golfplatz Löcher gegraben und einen Baum gepflanzt zu haben. Die Taten ereigneten sich Anfang Juni vergangenen Jahres.
Fünf Mitglieder geben Beteiligung zu
Am ersten Prozesstag hatten die Angeklagten nach dem Verlesen der Anklage Gelegenheit dazu, sich zu äußern. Fünf der sechs Mitglieder gaben am Morgen ihre Beteiligung zu. Sie nutzten die Gelegenheit, die ihrer mutmaßlichen Taten zugrunde liegende Überzeugung umfangreich zu erläutern. Ein Angeklagter wollte sich nicht zu den Vorwürfen äußern. Die Angeklagten führten aus, dass sie mit der symbolischen Aktion auf die CO2-Bilanz und den Ressourcenverbrauch der sogenannten Superreichen aufmerksam machen wollten. "Der Beitrag der Superreichen zur Zerstörung unserer Lebensgrundlage ist unverhältnismäßig groß", sagte Lilli G. Es folgten diverse Verweise auf Studien und wissenschaftliche Artikel, unter anderem zum CO2-Ausstoß von Flugreisen mit Privatjets.
Angeklagte nimmt Gefängnisstrafen in Kauf
In teilweise sehr emotionalen Reden und vereinzelt unter Tränen prangerten die Angeklagten an, dass aus ihrer Sicht der politische Wille für zwingend notwendige Veränderungen fehle. "Demos und Petitionen reichen nicht aus. Uns bleibt keine andere Option", so eine der Angeklagten. Mindestens eine der Beteiligten saß wegen Protestaktionen bereits für einige Wochen im Gefängnis - weitere Haftstrafen würde sie in Kauf nehmen. "Es gibt keinen anderen Weg als zivilen Ungehorsam", sagte Lilli G.
Geld- oder Haftstrafen möglich
Der Strafrahmen für Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch liegt laut Gericht bei einer Geld- oder einer Gefängnisstrafe von maximal zwei Jahren. Für die Störung öffentlicher Betriebe sind theoretisch sogar bis zu fünf Jahre Gefängnis möglich. Inwieweit der Flugbetrieb auf Sylt allerdings gestört wurde und ob dieser Tatvorwurf grundsätzlich zu halten ist, werden die Verhandlungen in den kommenden Tagen zeigen. Unklar blieb am ersten Verhandlungstag auch, ob die Angeklagten den mutmaßlichen Millionenschaden am Flugzeug lediglich in Kauf genommen oder vorsätzlich herbeigeführt haben. Am Freitag soll das Urteil fallen. Obwohl das Verfahren beim Amtsgericht Niebüll (Kreis Nordfriesland) ansässig ist, finden die vier geplanten Verhandlungstage aus Platzgründen im China Logistic Center Itzehoe (Kreis Steinburg) statt. Es gibt an jedem Prozesstag Ausweis- und Taschenkontrollen.
"Letzte Generation" plant Mahnwache
Die Protestgruppe "Letzte Generation" hat vor dem Prozessbeginn am Dienstagmorgen eine Mahnwache mit Transparenten abgehalten. Etwa 15 Personen waren beteiligt. Eine weitere Aktion ist demnach für Sonnabend geplant. Anders als bei ähnlich gelagerten Prozessen von anderen Protestgruppen in Schleswig oder Flensburg haben sich die Angeklagten nicht von Laienverteidigern, sondern von gelernten Rechtsanwälten vertreten lassen.
Getrennte Verfahren zu krimineller Vereinigung und Miramar-Aktion
Gegen eine 32-jährige Frau, die auch an der Farbattacke auf dem Sylter Flughafen beteiligt gewesen sein soll, hat die Staatsanwaltschaft Flensburg mittlerweile ein Ermittlungsverfahren abgeschlossen. Darin ging es um die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung. Für ein mögliches Hauptverfahren am Landgericht Flensburg gibt es noch keinen Termin. Weitere Sylt-Proteskationen wie etwa die Farbattacken auf das Hotel Miramar und auf zwei Geschäfte in Kampen werden ebenfalls in einem weiteren Verfahren behandelt.