Landesparteitag der Grünen in SH: Vorstandswahl, Asylpolitik und Grenzkontrollen
An diesem Wochenende hat der Landesparteitag der Grünen Schleswig-Holstein in Neumünster stattgefunden. Inhaltlich ging es vor allem um den Kurs, den die Partei politisch einschlagen möchte - auch beim Thema Migration.
Wofür stehen die Grünen? Und wo möchte sie hin, um wieder mehr Zustimmung zu bekommen? Diese Fragen standen am Wochenende im Mittelpunkt des Landesparteitages in Neumünster. Intensiv wurden verschiedene Themen und Kernpunkte der Partei debattiert. Neben Grenzkontrollen und Sicherheitspolitik ging es am Sonntag auch um das umstrittene Thema Migration.
Besserer Zugang zum Arbeitsmarkt und konsequente Abschiebungen
Die stellvertretenden Ministerpräsidentin, Aminata Touré, sagte, sie erwarte von den Grünen, dass man sich wieder stärker in die Migrationsdebatte einmische und eigene Schwerpunkte setze. Unter anderem verlangte sie einen besseren Zugang von Migranten zum Arbeitsmarkt. Schutzsuchenden innerhalb Europas solle geholfen werden.
Es gehe in der Debatte aber auch darum, die Demokratie zu schützen, so die Integrationsministerin. Politik sei in der Praxis manchmal das Verhindern von noch viel Schlimmerem. Mehrfach- und Intensivtäter müssten deshalb konsequent ausgewiesen werden. Generell setze sie aber auf freiwillige Ausreisen abgelehnter Asylbewerber, bevor man sie zwangsweise abschiebe. "Es ist kostengünstiger, es ist humaner und es ist das, was effizienter ist", so Touré.
Der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz sagte im Anschluss an Tourés Rede, dass die Grünen für Humanität und Rechtsstaatlichkeit eintreten müssten. Er sprach von einem Spagat für die Partei - und den müsse man bewältigen.
Migration: Grundsätze unverhandelbar - aber zu Kompromissen bereit
"Grenzen hoch, Schotten dicht" sei nicht die Lösung, sagte der Landesparteivorsitzende Gazi Freitag vor der Sitzung am Sonntag. Es gehe darum, Schutzsuchenden innerhalb Europas zu helfen und nicht nur "um Zahlen, die reduziert werden sollen." Bereits am Vortag hatte Freitag betont, die Grünen müssten zu ihren Grundsätzen stehen: Mehr Umweltschutz, Recht auf Asyl und Migration als Chance. Auf der anderen Seite betonte Freitag, die Partei müsse immer auch kompromissbereit sein - gerade in Regierungsverantwortung.
Die schwarz-grünen Bundesratsinitiativen zur Migration trage er mit, lehne Verschärfungen darüber hinaus aber ab. "Die Maßnahmen, die jetzt beschlossen wurden, sollen dazu beitragen, das System handlungsfähig zu halten, ohne dabei grundlegende menschenrechtliche Standards aufzugeben", sagte Freitag. Ziel sei es, das Asylrecht in seiner Kernfunktion zu schützen. "Es darf keine Aushöhlung des Rechts auf Asyl geben."
Kritische Infrastruktur soll besser geschützt werden
Am Sonntag stand noch ein weiterer Punkt auf dem Programm: Kritische Infrastruktur müsse besser geschützt werden - dafür setzte sich von Notz ein. Angriffe auf Glasfaserkabel, Beschädigungen an Flüssiggas-Anschlüssen und die Drohnenflüge über dem Industriegebiet Brunsbüttel zeigten, dass "all das keine Erzählungen aus irgendwelchen dystopischen Science-Fiction-Romanen" seien, sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums.
Auch der Landesvorsitzende Freitag forderte einen besseren Schutz - aber nicht nur von Stromtrassen oder Wasserwerken: Man müsse auch "unsere Parlamente, unsere Zivilgesellschaft und die freie Presse" schützen. Die Grünen setzten sich deshalb dafür ein, die Regulierung von Internet-Plattformen wie Tiktok entschlossen voranzutreiben.
Andresen: "Grenzkontrollen ändern nichts"
Zu den Programmpunkten gehörte auf dem Landesparteitag auch die Debatte um die Grenzkontrollen an den deutschen Außengrenzen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte Mitte der Woche angekündigt, die Kontrollen Aufrecht erhalten zu wollen bis europäische Lösungen gefunden werden.
Der Grünen-Europaabgeordnete Rasmus Andresen sagte, in der jetzigen Form würden die Grenzkontrollen aber nichts ändern und kein Problem lösen. "Im Gegenteil: Sie binden unnötige Polizeiressourcen, die wir für wichtigere Aufgaben dringend benötigen." Außerdem würden die Grenzkontrollen dem freien Warenverkehr und somit der freien Wirtschaft schaden, so Andresen weiter.
Jugend fordert einen radikalen Wandel
Vertreterinnen und Vertreter der Grünen Jugend forderten bereits am Sonnabend einen radikalen Kurswandel. Die Partei dürfe nicht elitär, akademisch und abgehoben wirken. Man müsse eine laute linke Partei werden, die den Schwächsten in der Gesellschaft helfe.
Im September war der Landesvorstand der Grünen Jugend nahezu geschlossen zurückgetreten, weil ihnen die Partei zu gemäßigt geworden war. Mayra Vriesmann stellte auf dem Landesparteitag klar, dass viele aus der Nachwuchsorganisation der Partei aber trotzdem erhalten geblieben seien.
Erdmann und Freitag im Amt bestätigt
Am Sonnabend fand außerdem die Wahl der Landesvorsitzenden statt. Anke Erdmann und Gazi Freitag wurden dabei im Amt bestätigt. Gegenkandidaten gab es keine. Erdmann holte gut 94 Prozent der Stimmen, Freitag knapp 82.
In ihrer Bewerbungsrede hatte sich Erdmann vor allem auf die Erfolge der Partei fokussiert, wie beispielsweise beim Ausbau der erneuerbaren Energien, den sinkenden Netzentgelten und der Bergung von Munitionsaltlasten aus der Ostsee. "Das geht alles auf unsere Kappe und ist kein Grund, in Sack und Asche zu gehen", sagte Erdmann.
Auch der der scheidende Bundeschef Omid Nouripour unterstrich die Bedeutung der Partei: Die Grünen würden aktuell gebraucht wie noch nie, sagte Nouripour in der Stadthalle. "Weil sich die Krisen stapeln, braucht es eine Partei, die keine Parolen drischt, sondern die Lösungen angeht."