Landesparteitag: Die Grünen zwischen Unruhe und Aufbruch
Es sind unruhige Zeiten bei den Grünen in Schleswig-Holstein. Nachdem fast der gesamte Vorstand der Grünen Jugend der Partei den Rücken gekehrt hat, läuft die Aufarbeitung, viele sehen in den unruhigen Zeiten die Chance für einen Neuanfang.
Die Stühle stehen schon bereit, in einer Ecke stehen frische Sonnenblumen, nun werden noch kleine Schildchen auf die Tische in der Stadthalle in Neumünster gestellt. Ab heute wollen sich hier 130 Delegierte der Grünen treffen - zum Landesparteitag. Ihr Motto: "Grün, gerecht, gestalten". Sie wollen Lösungen finden, die gerecht sind für alle, die sie betreffen.
Unruhige Zeiten
Es sind unruhige Zeiten für die Grünen in Schleswig-Holstein. Erst Ende September holte der Parteinachwuchs zum Paukenschlag aus: Fast der gesamte Vorstand der Grünen Jugend erklärte seinen Austritt aus der Partei. Eine Begründung: Die Partei sei "nicht bereit, sich mit den Reichen und Konzernen anzulegen, um die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend zu ändern."
Grüne Jugend blickt nach vorne
Jasper Balke ist seit 2018 Mitglied der Grünen Jugend in Schleswig-Holstein, war zeitweilig auch ihr Landessprecher. Mittlerweile sitzt er im Landtag. Er findet den Rücktritt seiner Parteikollegen falsch, kann ihre inhaltliche Kritik aber durchaus nachvollziehen, denn "in der aktuellen politischen Debatte kommen Themen wie soziale Gerechtigkeit und Ungleichheit zu kurz", betont er. Es sei nicht gelungen, die nun Ausgetretenen so zu integrieren, dass sie sich mitgenommen fühlten. Aber der Großteil der Grünen Jugend-Mitglieder könne den Schritt nicht nachvollziehen: "Viele sagen: Jetzt bleiben wir erst recht und zeigen denen, die ausgetreten sind, dass es funktioniert." Am 27. Oktober soll ein neuer Vorstand gewählt werden.
Landesvorstand sieht Aufbruchstimmung
Der Landesvorsitzende Gazi Freitag betont, die entstandene Unruhe bewirke auch Positives. Aus der Debattenfreude schöpfe die Partei viel Energie: "Ich spüre keine negative Unruhe, sondern sehr viel Aufbruch, Gestaltungswillen." Gazi Freitag verweist auch auf die wachsende Zahl der Parteimitglieder: Aktuell seien es 6.230 - etwa 230 mehr als zu Jahresbeginn. Allein in den vergangenen zwei Wochen habe die Partei 22 Mitglieder hinzugewinnen können. Auch seine Amtskollegin Anke Erdmann spricht von Aufbruchstimmung - und das in einer Zeit, in der die Unruhe längst nicht nur die Grünen in Schleswig-Holstein erfasst hat.
Erdmann spricht von Kamala-Harris-Moment
In vier weiteren Bundesländern und auf Bundesebene hatten sich die Spitzen der Grünen Jugend Ende September zum Rückzug entschlossen. Stühlerücken gab es auch beim Bundesvorstand, die Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour wollten einen Neustart und gaben ebenfalls ihren Rücktritt bekannt.
Die Landesvorsitzende Anke Erdmann sieht darin eine Chance: Der Rücktritt des Bundesvorstandes habe der Partei einen Kamala-Harris-Moment beschert. Eine Anspielung auf den US-Wahlkampf: Denn die Aufstellung von Harris anstelle des Amtsinhabers Joe Biden als Präsidentschaftskandidatin brachte den Demokraten neuen Schwung.
Hoffen auf Wiederwahl und klare Entscheidungen
Freitag und Erdmann wollen sich für ihr Amt erneut bewerben. Sie führen den Landesverband seit 2022, beide hoffen auf ihre Wiederwahl am Wochenende. Denn "zwei Jahre seien sehr kurz, um Dinge auf den Weg zu bringen", betont Freitag. Gegenkandidaten gibt es bisher nicht.
Der Parteitag sei enorm wichtig, um sich als Grüne wiederzufinden, betont Jasper Balke. Die Grüne Jugend müsse nun deutlich machen, dass die Mehrheit hinter der Partei steht. Gleichzeitig brauche es dringend "Klarheit über zentrale Themen", beispielsweise müsse das "hin- und her Mäandern" in der Migrationspolitik beendet werden.
Streitthema Migration
Inhaltlich will die Partei in Neumünster vor allem über die Innen- und Sicherheitspolitik debattieren. Dabei wird ein großes Thema wohl die Migrationspolitik sein. Vor ein paar Wochen hatte die schwarz-grüne Landesregierung eine Verschärfung des Asylrechts in den Bundesrat eingebracht. Nun wollen die Delegierten auf dem Landesparteitag abstecken, unter welchen Rahmenbedingungen dies möglich ist.
Freitag betont: Die Debatte sei sehr herausfordernd, denn es gebe sehr viele Punkte, bei denen sich die Grünen schwer täten. Im Migrationspapier liege der Schwerpunkt auf Integration und das begrüße er, denn: "Die Lösung ist für uns Grüne nicht: Grenzen hoch, Schotten dicht."