Ein Jahr Schwarz-Grün in SH: Viele Ziele, großer Unmut
Die Landesregierung von Schleswig-Holstein hat nach der Wahl 2022 "ehrgeizige Vorgaben" mit "zügiger Umsetzung" versprochen: Energieversorgung unabhängig machen, Planungsverfahren digitaler gestalten, Fachkräfte langfristig binden. Was wurde schon umgesetzt?
Bis 2040 soll Schleswig-Holstein das erste klimaneutrale Industrieland werden, heißt es im Koalitionsvertrag. Dafür sollen Erneuerbare Energien im Land schnell ausgebaut werden. Ein zentraler Baustein: Die Regionalplanung für Windkraftanlagen. Im Koalitionsvertrag einigten sich CDU und Grüne darauf, "bereits bestehende Flächen besser auszunutzen". Im Juli 2022 wird dies im sogenannten "100-Tage-Programm" nachgeschärft: "In dieser Legislaturperiode werden weitere Flächen für die Windkraft zur Verfügung gestellt mit dem Ziel, perspektivisch 15 Gigawatt (GW) installierte Leistung zu erreichen", heißt es darin.
Das sei nicht genug Tempo, sagt der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) Schleswig-Holstein. Zwar seien viele Windkraftanlagen in Schleswig-Holstein genehmigt worden. Unklar sei jedoch, ob diese Geschwindigkeit bleibt. "Wir haben große Sorge, ob dieses Niveau bis zum Ziel der Klimaneutralität gehalten werden kann", sagt LEE-Geschäftsführer Markus Hrach.
Windkraft: Ausbau soll Priorität bleiben
Hrach sieht Schleswig-Holstein als Vorreiterland in der Energiewende. Damit das so bleibt, wünscht er sich mehr Priorität für das Thema. "Die Landesregierung hat versprochen, zeitnah mehr Flächen auszuweisen. Da ist nicht viel passiert. Wir warten sehr dringend auf den neuen Kriterienkatalog, damit neue Pläne ausgewiesen werden", so Hrach. Aus seiner Sicht sollten die Planungen schon bis 2025 anstatt 2027 abgeschlossen sein.
Dass viele Prozesse noch zu kompliziert ablaufen, wird bei der Logistik auf der Straße sichtbar. "Wenn eine Windenergieanlage in Niedersachsen anlandet und die Windmühlen nach Schleswig-Holstein transportiert werden müssen, sind unterschiedliche Anträge nötig", meint Hrach. Jedes Bundesland habe aber seine eigenen Regelungen. "Da passiert viel doppelte Arbeit." Das könne den Ausbau der Windkraft im Land bremsen.
Dass von der Idee bis zur Umsetzung der Windkraftanlage oft viele Jahre vergehen, das bestätigen auch andere Stimmen aus dem Land. Sieben Jahre hat ein Projektentwickler aus Heide (Kreis Dithmarschen) gewartet, bis eine Windkraftanlage in Betrieb ging.
Wohnen: Entwurf für Wohnraumschutzgesetz entwickelt
Mit dem sogenannten Wohnraumschutzgesetz sollen Kommunen künftig die Verwahrlosung von Wohngebäuden verhindern. Der Entwurf des Gesetzes liegt derzeit dem Mieterbund Schleswig-Holstein vor. Es sei ein notwendiger Schritt, dennoch hat Carsten Wendt vom Mieterbund Bedenken. Die Kommunen seien dafür finanziell nicht gut ausgestattet. Auch gebe es derzeit zu wenig Wohnraum. Für Studierende ist es nach wie vor schwierig, eine bezahlbare Wohnung im Land zu finden. Im Vergleich zu anderen Bundesländern steht Schleswig-Holstein hier deutlich schlechter dar.
"Solange es zu wenig Wohnraum gibt, müssen die Mieten durch eine Mietpreisbremse gestoppt werden", fordert Wendt. Eine Entlastung auf dem Markt sei nicht in Sicht. Das Thema ist für die Landesregierung nicht neu. Bereits im Koalitionsvertrag einigten sich CDU und Grüne auf "bezahlbaren Wohnraum, der langfristig in öffentlicher Hand und für Mietende bezahlbar bleibt". Doch auch nach einem Jahr sei dies nicht in Sicht. Wendt sieht hier weiterhin großen Handlungsbedarf.
Schulen: Marode Gebäude, viele Unterrichtsausfälle
Um die Situation in Kitas und Schulen zu verbessern, hat die Landesregierung einen eigenen Themenkomplex im 100-Tage-Programm entwickelt. Um die Lehrkräftegewinnung im Land zu stärken, stellte Bildungsministerin Karin Prien (CDU) den sogenannten Februar-Pakt des Handlungsplans Lehrkräftegewinnung vor. Im März gab es von Opposition und Gewerkschaft Kritik. Bis heute herrscht Unmut.
"Die Schulversorgung im Kreis Pinneberg ist zum Teil unterirdisch, zu viele Ausfälle, marode Gebäude", berichtet ein Zuschauer bei #NDRfragt. Eine andere Zuschauerin erzählt von gesundheitsschädlichen Gebäuden: "Viele Schulen sind so marode, dass das für die Schüler unzumutbar ist, dort zu lernen, oft gesundheitsschädlich durch Schimmel oder Ähnliches."
Kindergärten: Situation für Erzieherinnen untragbar
Zum Thema Kitas plant die Landesregierung: "Kitas und deren pädagogische Fachkräfte sollen entlastet werden." Doch gerade bei der Förderung der Kleinsten drückt der Schuh gewaltig. Einige Eltern halten die Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen und Erzieher im Land für untragbar. Ihre Forderungen haben sie in mehreren Petitionen zusammengefasst. Mittlerweile gibt es sechs Petitionen im Land, die sich mit den Gebühren und dem Fachkräftemangel in Kitas befassen. Die Petition gegen Kita-Gebühren erreichte über 9.000 Unterschriften.
Auch Gewerkschaften sehen Defizite. "Wir erkennen an den Sparbemühungen der Landesregierung, dass schon wieder am völlig falschen Ende gespart wird", sagt Frank Hornschu, Regionsgeschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes und SPD-Mitglied. Franziska Hense von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßt, dass das Bundesprogramm der Sprachkitas auf Landesebene verlängert wurde. Für Fachkräfte gebe es weiterhin Schulungsbedarf. "Die Erzieherinnen in den Kitas brauchen mehr Vorbereitungszeit", so Hense.
Am Mittwoch (12.7.) will die Landesregierung ihre Arbeit des vergangenen Jahres bilanzieren. Vorgelegt wird ein Bericht mit dem Titel: "Wohin will die Landesregierung das Land führen."