Corona-Symposium: SH resümiert Folgen der Pandemie
Geschlossene Kitas und Schulen, Branchen wie die Gastronomie oder Kultur, die still standen, Menschen, die einsam starben. Die Corona-Pandemie hinterließ tiefe Einschnitte. Am Freitag haben Experten Maßnahmen der Pandemie diskutiert - und ein paar Lehren gezogen.
Eigentlich erzählt sie nicht gerne davon. Als sie es doch tut, wird es emotional. Eka von Kalben, stellvertretende Landtagspräsidentin (Bündnis 90/Grüne) weiß, was es bedeutet, einen geliebten Menschen in der Pandemie zu verlieren. "Ich habe erfahren, dass mein Mann auf der Intensivstation gestorben ist", erzählt sie am Freitag auf dem Podium des Corona-Symposiums in Kiel. Obwohl von Kalben einen negativen Coronatest vorzeigt, bleibt ihr der Zugang zu ihrem Mann verwehrt, wie sie sich erinnert. "Kurz zuvor hatten wir die Vorschriften bereits gelockert, aber die Krankenhäuser hatten eigene Vorschriften." Eka von Kalben spürte die Konsequenzen der politischen Entscheidungen selbst. "Ich konnte mich nicht mehr verabschieden. Das war sehr traumatisch."
Umfangreicher Rückblick auf Pandemie
Das Corona-Symposium war eine Premiere im Kieler Landeshaus. Nach Angaben der Landesregierung war es bundesweit der wohl umfangreichste Rückblick auf die Pandemie. Rund 400 geladene Gäste kamen in das Parlamentsgebäude, darunter 50 Experten. Unter dem Motto "Aus der Corona Krise lernen - gemeinsam besser werden", resümierten Politiker und Experten das Krisenmanagement der letzten Jahre. Es gab sechs Gesprächsrunden, die aufgeteilt waren in die Themen Forschung, Bildung und Hochschule, gesellschaftliches Leben, Kita und Pflege, Staat und Recht sowie Wirtschaft.
Einsames Sterben
"Es sind Entscheidungen getroffen worden, die mit dem Wissen von heute anders ausgefallen wären. Wir haben damals nach bestem Wissen Maßnahmen beschlossen, die für die Betroffenen sehr gravierende Konsequenzen hatten", fasste Eka von Kalben in ihrer Begrüßungsrede zusammen.
Dass die Maßnahmen bis heute schmerzhaft nachwirken, war besonders in den Diskussionen der Gesprächsrunden zum Thema "Kita und Pflege" und "Gesundheit" zu spüren. Unter anderem ging es um das einsame Sterben in den Altersheimen, den Alltag der Pflegekräfte und um die Situation der Ärzte, die Angst hatten, ihrer Verantwortung nicht gerecht zu werden.
Schwierig, komplexe Maßnhamen schnell umzusetzen
"Es war eine extreme Herausforderung mit der Kurzfristigkeit der Entscheidungen angemessen umzugehen. Wir haben erlebt, dass viele Einrichtungen damit überfordert waren, innerhalb von ein, zwei Tagen, die sehr komplexen Maßnahmen umsetzen zu können. Da hätten wir uns gewünscht, dass diese Kommunikationsschiene etwas direkter läuft", sagte Anette Langner, Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände in Schleswig-Holstein.
Um bei einer möglichen nächsten Pandemie besser vorbereitet zu sein, müsse die Politik verstärkt in die Infrastruktur im Gesundheitswesen investieren, lautete eine der Forderungen auf dem Symposium. Zudem müsse das, was auf Landesebene gut funktioniert, auf Bundesebene stärker berücksichtigt werden, so ein Resümee von Teilnehmern aus den Gesprächsrunden "Gesundheit" und "Kita".
Kinder und Jugendliche spüren Nachwirkungen
Auch der frühere Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) war auf dem Symposium. Heute würde er vieles anders machen, sagte er. "Ich würde auf jeden Fall sagen, dass die Stigmatisierung von nicht Geimpften, die zum Teil stattgefunden hat, ein Fehler gewesen ist."
Auch im Bereich Bildung sind Folgen der Pandemie bis heute zu spüren, wie viele Teilnehmer des Symposiums betonten. Experten sprachen auf der Veranstaltung von Lerndefiziten und einem gering ausgeprägten Sozialverhalten der Kinder und Jugendlichen. Nach Untersuchungen der Bundesregierung benötigen einige Kinder und Jugendliche bis heute Unterstützung.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte anlässlich des Symposiums intensivere Aufholprogramme. Bei zukünftigen Krisen müsse die Lebenssituation jüngerer Kinder sowie von Kindern und Jugendlichen aus schwierigen sozialen Verhältnissen besser berücksichtigt werden. Aus Sicht von Professor Olaf Köller vom Bildungsforschungsinstitut Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) an der Universität Kiel muss der Blick nun nach vorne gehen: Künftig müsse man sich besser vorbereiten. "Wie fängt man die sozialen Folgen auf, wie sichert man zukünftig, dass die Eltern stärker entlastet werden?", fragte Köller.
Harms: SH hat gut zusammengearbeitet
In der Gesprächsrunde zu "Recht und Staat" waren viele Experten der Ansicht, dass der Staat und die Rechtsverordnungen in der Corona-Pandemie gut funktioniert hätten. "In einer solchen Krise, wo man nicht weiß, wie man sie bewältigen soll, haben staatliche Institutionen auf allen Ebenen hervorragend funktioniert. Die Parteien haben sich schnell zu einem Bündnis zusammenschlossen", sagte Lars Harms vom SSW. Die Zusammenarbeit mit der Landesregierung sei gut gewesen. "Das ist ein Schleswig-Holsteinisches Spezifikum. In anderen Bundesländern gab es massive Auseinandersetzungen zwischen Regierung Opposition, was all die einzelnen Fragen angeht." Die Teilnehmer der Gesprächsrunde seien der Ansicht gewsen, man brauche keine grundlegenden Veränderungen in den Strukturen, fasste Professor Sven Siefken von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung und Institut für Parlamentarismusforschung zusammen.
Im Gespräch über den Bereich "Sport und Kultur" lobten die Teilnehmer des Symposiums die guten Netzwerke, die während der Pandemie entstanden seien. Die Menschen hätten sich zum Teil gegenseitig unterstützt, so ein Resümee. Dennoch sei es heute schwerer geworden, Menschen für das Ehrenamt zu finden, hieß es.
Mehr Digitalisierung, Engpässe in der Pflege
Zwei grundlegende Ergebnisse des Corona-Symposiums: Zum einen brachte die Pandemie Fortschritte bei der Digitalisierung, es entstanden Netzwerke und Strukturen. Dennoch wurden auch personelle Engpässe in der Pflege sichtbar, die sich bis heute verschärft haben.
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) zeigte sich am Ende der Veranstaltung selbstkritisch. Er wolle die Ergebnisse des Symposiums nutzen, um künftig gezieltere Maßnahmen zu ergreifen. "Wir alle hoffen, nie wieder eine solche Pandemie zu erleben. Falls doch, werden wir aber besser vorbereitet sein", so Günther.