Ein Taschenrechner, Stift, Ordner und ein Blatt Papier auf einem Holztisch © IMAGO/Shotshop Foto: IMAGO/Zerbor

Corona-Soforthilfen zurückzahlen: Für viele Unternehmen "böse Überraschung"

Stand: 16.01.2025 17:27 Uhr

Während der Coronapandemie vor fünf Jahren stehen viele Unternehmen in Schleswig-Holstein auf der Kippe. 56.000 von ihnen beantragen Soforthilfen. Aber: Wenn diese Hilfen sich als zu hoch herausstellen müssen sie zurückgezahlt werden. Für viele Unternehmen bedeutet das nun hohe Kosten.

von Anne Passow

30 Millionen Euro fordert die Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) aktuell von Unternehmen zurück, die Corona-Soforthilfen beantragt haben. Es geht dabei um Hilfen, bei denen der finanzielle Engpass als zu hoch eingeschätzt wurde - und zu viel Geld ausgezahlt wurde. Festgestellt wird das durch die Schlussabrechnung. Zusammen mit einem ersten Rückmeldeverfahren im August 2021 und dem nun laufenden zweiten Rückmeldeverfahren ergeben sich laut IB.SH Rückforderungen in Höhe von 189 Millionen Euro.

"Stellt einige der Unternehmen vor große Herausforderungen"

Das überfordert viele Unternehmen - sagt zum Beispiel der Unternehmensverband Nord (UV Nord). "Die Rückzahlungsbescheide von Corona-Hilfen sind für viele Unternehmen eine böse Überraschung gewesen", sagt Sebastian Schulze vom UV Nord. "In wirtschaftlich leider nach wie vor trüben Zeiten stellt das einige der betroffenen Unternehmen vor große Herausforderungen." Etwa 1.700 Unternehmen haben laut der IB.SH Widerspruch eingelegt - 1.300 aus dem ersten Rückmeldeverfahren - und 400 aus dem laufenden zweiten.

Alles zu den Corona-Soforthilfen in Schleswig-Holstein

  • Im Frühjahr 2020 zahlte die Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) insgesamt rund 467 Millionen Euro Corona-Soforthilfen an 56.000 Unternehmen, die wegen der Corona-Pandemie in Schieflage geraten waren. Rund 412 Millionen Euro davon kamen aus dem Bundesprogramm, rund 56 Millionen Euro aus dem Landesprogramm.
  • Bei einem ersten Rückmeldeverfahren im August 2021 stellte sich heraus, dass häufig zu viel gezahlt wurde. Und es hatten sich nur ein Drittel der Antragsteller gemeldet.
  • Aktuell, seit Mai 2024, läuft das zweite Rückmeldeverfahren. Eine Rückmeldung ist jetzt für alle verpflichtend.
  • Insgesamt haben sich laut IB.SH aus dem ersten und dem zweiten Rückmeldeverfahren bislang Rückforderungen in Höhe von 189 Millionen Euro ergeben - zurückgezahlt wurden 149 Millionen Euro. Die Rückmeldeverfahren schließen Bundes- und Landeshilfen ein.
  • Von Beginn der Soforthilfe-Programme bis zum Anfang des zweiten Rückmeldeverfahrens wurden rund 1.300 Widersprüche erhoben. Die meisten Widersprüche, rund 85 Prozent, wurden laut IB.SH zurückgenommen oder zurückgewiesen.
  • Aktuell liegen der IB.SH etwa 400 Widersprüche aus dem zweiten Rückmeldeverfahren vor.

Kredit aufnehmen, um den Corona-Kredit abzubezahlen?

Dennis Jahnke, Betreiber des Studio-Kinos in Kiel. © NDR Foto: Tobias Gellert
Dennis Jahnke, Betreiber des Studio-Kinos in Kiel, hat noch keine Schlussabrechnung erhalten.

Während einige Kleinunternehmen schon wissen ob und wieviel sie zurückzahlen müssen, wartet Dennis Jahnke, Betreiber des Studio-Kinos in Kiel, noch auf seine Schlussabrechnung. "Wir reden da über einen mittleren fünfstelligen Betrag." Sobald er den genauen Betrag kenne, müsse er entscheiden "ob wir für die Rückzahlung eines Coronakredits selber einen Kredit aufnehmen müssen, was total absurd klingt. Oder ob wir es schaffen, das Sparschwein zu füllen, und dafür Rücklagen zu bilden."

Madsen: "Nicht Aufgabe des Staates ein Unternehmen permanent am Leben zu halten"

Schleswig-Holstein Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) zeigt Verständnis für die Menschen, die nun viel Geld zurückzahlen müssen.

"Man hat Zahlen abgegeben anhand von Prognosen, die man vom eigenen Steuerberater hatte. Man musste in die Zukunft schauen. Und da kann man davon ausgehen, dass die ein oder andere Zahl nicht der Prognose entspricht." Claus Ruhe Madsen, Wirtschaftminister Schleswig-Holstein

Dieses Geld müsse nun zurückgezahlt werden - auch mit Zinsen. "Wenn einer zu Unrecht Geld bekommen hat und wenn man das über eine längere Zeit hatte, dann ist es vielleicht nicht ganz ungerecht, dass man dafür ein klein bisschen Zinsen zahlt", so Madsen. Es sei nicht Aufgabe des Staates ein Unternehmen permanent am Leben zu halten. "Es sollten Überbrückungshilfen sein, damit man durch die Corona Zeit kommt. Es sollte aber keine permanente Hilfe sein. " Madsen betonte auch: "Mein Vorgänger durfte sehr viel Geld austeilen. Ich darf jetzt sehr viel Geld wieder zurückfordern." 

IHK: Bei Zahlungsschwierigkeiten Kontakt zur IB.SH suchen

Das Wirtschaftsministerium und die IB.SH unterstreichen, in den Bescheiden zu den Soforthilfen habe es einen Passus gegeben, der darauf hinweist, dass zu viel gezahlte Hilfen zurückgezahlt werden müssen. Nils Thoralf Jarck von der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Lübeck bestätigt das. Er rät Unternehmen bei Zahlungsschwierigkeiten mit der Investitionsbank Kontakt aufzunehmen. "Da kann man genau den Einzelfall durchsprechen: Wie kriegen wir das für alle Beteiligten am besten hin, so dass ihr eure Vorgaben erfüllt und ich aber mit meinem Unternehmen auch weitermachen kann?" Man könne dann zum Beispiel Stundungs- oder Ratenzahlungen vereinbaren.

Für Kinobetreiber Dennis Jahnke ist die Ungewissheit darüber, wann die Schlussabrechnung kommt und was sie finanziell für sein Unternehmen bedeutet, momentan schwer auszuhalten. "Das ist wie ein Damoklesschwert: Man fühlt sich sehr unwohl damit, weil einem während dieser ganzen Monate der Überblick verloren gegangen ist. Das ist ein ungutes Gefühl."

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Schleswig-Holstein Magazin | 16.01.2025 | 19:30 Uhr

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