Brokstedt-Verdächtiger: "Furchtbar anstrengender Beschuldigter"

Stand: 08.02.2023 18:11 Uhr

Im Innen- und Rechtsausschuss des Kieler Landtags berichtete der Hamburger Justizstaatsrat, dass Ibrahim A. in der Haft häufig provoziert habe. Außerdem ging es wieder um die Kommunikation zwischen den Behörden. Möglicherweise wurden formale Mitteilungspflichten verletzt.

von Friederike Schneider

Im Innen- und Rechtsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags hat der Staatsrat der Hamburger Justizbehörde, Holger Schatz, neue Details über den mutmaßlichen Messerangreifer von Brokstedt bekanntgegeben. Schatz äußerte sich zu Aussagen von Ibrahim A., in denen dieser sich mit dem Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri verglich. Es handle sich um einen einzigen Vorfall während der U-Haft in Hamburg, es habe keine Anhaltspunkte für eine extremistische Einstellung gegeben. Die Äußerung sei in einem Konflikt gefallen, ohnehin habe Ibrahim A. häufig provoziert. "Er war ein furchtbar anstrengender Beschuldigter", sagte Schatz. "Er hat gestört, provoziert, sich nicht an Regeln gehalten." Außerdem habe er Stimmen und Klopfen gehört. Dennoch sei Ibrahim A. weder extrem aggressiv aufgefallen noch sei er von Psychiatern als unzurechnungsfähig eingeschätzt worden.

Schatz weist Vorwürfe zurück

Darüber hinaus ging es am Mittwoch wieder um die Kommunikation der Behörden über den mutmaßlichen Täter von Brokstedt. Dabei wies der Justizstaatsrat erneut Vorwürfe zurück, die Ausländerbehörde Kiel und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seien unzureichend informiert worden. Er halte es für unproduktiv, sich gegenseitig die Sendedaten von E-Mails vorzubeten, sagte Schatz. Er betonte jedoch, dass spätestens am 10. März 2022 alle Informationen bei der Ausländerbehörde Kiel vorgelegen haben müssen. An diesem Tag sei auf eine E-Mail aus Kiel geantwortet und dabei explizit auch über die U-Haft informiert worden. Dabei sei auch das BAMF im Verteiler gewesen. Zuvor habe es mehrere erfolglose Kontaktversuche aus Hamburg gegeben.

BAMF: Keine Mitteilung auf vorgeschriebenem Weg

Frank Schimmelpfennnig vom BAMF betonte entgegen der Aussage aus Hamburg: "Wir haben keine Meldung auf dem offiziellen Meldeweg." Es sei richtig, dass das BAMF bei einem Mailverkehr zwischen Kiel und Hamburg im Verteiler gewesen sei. Dabei sei aber keine Information über die U-Haft erfolgt. Generell hätte das BAMF direkt über ein zentrales Postfach informiert werden müssen.

Der in Kiel zuständige Stadtrat Christian Zierau sagte, E-Mails würden nicht die offiziellen Mitteilungspflichten ersetzen. Die gesetzlich vorgeschriebenen Meldewege müssten eingehalten werden. "E-Mails sind dafür kein geeignetes Kommunikationsmittel." Dennoch werde man über die versendeten E-Mails noch sprechen müssen. Zierau bekräftigte erneut, dass einige von Hamburg genannte E-Mails in Kiel nicht verzeichnet seien.

FDP: Kommunikation muss nachvollzogen werden

Unter den Fraktionen bestand nach den Ausführungen weitgehend Einigkeit, dass die Kommunikation zwischen den Behörden nicht optimal abgelaufen sei und es an verschiedenen Stellen Versäumnisse gegeben habe. Alle Beteiligten hätten Fehler gemacht, sagte der innenpolitische Sprecher der FDP, Bernd Buchholz. In Hamburg sei bestimmten Pflichten nicht nachgekommen, aus Kiel nicht ausreichend nachgefragt worden. "Im Austausch zwischen den beiden Bundesländern muss nachgebessert werden." Bernd Buchholz plädierte weiterhin dafür, dass der Mailverkehr aus Hamburg schriftlich übermittelt werden soll. Dies hatte der FDP-Politiker bereits für die Ausschusssitzung beantragt, bisher wurden den Angaben zufolge jedoch keine Unterlagen übersendet. Auch Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) hatte eine Übermittlung der Kommunikation direkt bei den Hamburger Behörden angefragt.

SPD: Meldepflichten vereinfachen

SPD-Innenpolitiker Niclas Dürbrook sagte: "Es sind an allen Orten Fehler gemacht worden, die ärgerlich sind, die zu Verzögerungen geführt haben, aber die jeder für sich keine Erklärung für die Tat sind." Man müsse sich dringend die Kommunikation zwischen den Behörden anschauen. Dürbrook regte außerdem an, die Regeln für die Meldepflichten zu vereinfachen. In der Sitzung sei deutlich geworden, dass das System sehr komplex sei, wenn selbst Expertinnen und Experten immer wieder nachschauen müssen, wer wen informieren muss.

CDU: In Hamburg fehlte "nötige Inbrunst"

Die CDU sprach ebenfalls von einer nicht optimalen Kommunikation, sah aber dennoch deutliche Versäumnisse in Hamburg. "Ich finde, es ist schon deutlich geworden, dass vieles aus Hamburg nicht mit der nötigen Inbrunst durchgeführt wurde", sagte der innenpolitische Sprecher Tim Brockmann. Dennoch habe man sich offenbar auf beiden Seiten mit Antworten zufrieden gegeben, bei denen man hätte nachhaken müssen.

Grüne: Prozesse verbessern, digitaler werden

Sozialministerin Touré verwies ebenfalls auf vorhandene rechtliche Regelungen, die offenbar nicht eingehalten wurden. "Wir müssen uns fragen: Wie können wir Prozesse verbessern? Das ist das, was ich politisch mitnehme." Der Ausschussvorsitzende Jan Kürschner (Grüne) ergänzte: "Was ich mitnehme, ist: Die Behörden könnten alle ein Stück digitaler werden und es gibt sichere, bessere Wege als E-Mails."

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 08.02.2023 | 17:00 Uhr

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