Brokstedt-Prozess: Mithäftling zu psychischem Zustand von Ibrahim A.

Stand: 15.09.2023 14:44 Uhr

Im Prozess um die tödliche Messerattacke in einem Regionalzug hat vor dem Landgericht Itzehoe ein Mithäftling des mutmaßlichen Täters ausgesagt. Seine Angaben über den psychischen Zustand des Angeklagten waren jedoch widersprüchlich.

von Friederike Schneider

Ist der mutmaßlich Täter Ibrahim A. psychisch krank und damit möglicherweise schuldunfähig? Um bei dieser Frage einen Schritt weiterzukommen, hat das Landgericht Itzehoe (Kreis Steinburg) am Freitag einen Mann befragt, der mit dem Angeklagten gemeinsam inhaftiert war. Begleitet von zwei Betreuern und einer Dolmetscherin für Slowakisch wurde der 26-Jährige als erster Zeuge in den Gerichtssaal gebracht. Trotz der Übersetzerin hatte der Richter sichtlich Mühe, den Äußerungen des ehemaligen Mitgefangenen zu folgen.

Mithäftling: Angeklagter täuscht psychische Krankheit vor

Immer wieder sagte der 26-Jährige, er wisse, was Ibrahim A. getan hätte und dass dieser nicht normal sei. Außerdem habe er in der Justizvollzugsanstalt randaliert und gestört. Dann behauptete der 26-Jährige allerdings auch, dass der Angeklagte nur so tue, als sei er psychisch erkrankt und dass er den Plan verfolgt habe, in die Psychiatrie zu kommen. Das hatte der Zeuge auch früher gegenüber einem Justizvollzugsbeamten angegeben, wie aus einer dienstlichen Mitteilung hervorgeht, aus der der Richter zitierte.

Auf die Frage, woran er das festmache, sagte der Zeuge in Itzehoe allerdings nur: "Das sieht man ja". Es blieb unklar, ob der 26-Jährige jemals tatsächlich Aussagen von Ibrahim A. gehört hat, aus denen hervor geht, dass er gezielt versuchte, eine psychische Krankheit vorzutäuschen. Ebenfalls ging aus den Aussagen nicht genau hervor, ob sich der Zeuge und der Angeklagte jemals unterhielten - und wenn ja, in welcher Sprache.

Mitgefangener macht widersprüchliche Angaben

Als der Mitgefangene gefragt wurde, ob er den Eindruck habe, dass Ibrahim A. tatsächlich psychisch krank sei und ärztliche Hilfe brauche, machte er widersprüchliche und diffuse Angaben. Auf Nachfrage des psychiatrischen Gutachters sagte der 26-Jährige, er habe nie mitbekommen, dass Ibrahim A. Stimmen gehört oder Halluzinationen gehabt habe. Andererseits sprach er davon, dass er gesehen habe, dass der Angeklagte psychische Probleme habe.

Auch die Nachfragen brachten nicht wirklich Klarheit in die Aussagen. Als der Verteidiger den Zeugen befragte, unterbrach der Richter die Verhandlung sogar kurz, weil der Anwalt aus seiner Sicht mehrfach unzulässige Fragen stellte oder dem Mithäftling Antworten in den Mund legte. In einer Erklärung bezeichnete der Verteidiger den Zeugen später als unglaubwürdig.

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Der 26-Jährige war gemeinsam mit dem Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Neumünster. Inzwischen befindet sich der Zeuge im Maßregelvollzug im Helios Klinikum in Schleswig. Über das Verhalten des Angeklagten in der JVA berichtete der 26-jährige Zeuge unter anderem, dass A. gegen die Tür geschlagen, die Wände und die Toilette in seiner Zelle beschädigt, Justizbeamten Wasser ins Gesicht geschüttet und sie bespuckt habe. Auch den Zeugen selbst soll der Beschuldigte bespuckt und beschimpft haben. Während der 26-Jährige Ausgang im Hof hatte, soll A. durchs Fenster zu ihm gesagt haben "Ich töte dich, so wie ich die zwei getötet habe." Außerdem habe er seine Familie beleidigt, so der Zeuge. Ibrahim A. widersprach später über seinen Verteidiger, den Mithäftling mit dem Tod bedroht zu haben.

Bereits im Februar war bekannt geworden, dass sich Ibrahim A. in der Justizvollzugsanstalt Neumünster auffällig verhielt. Die Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Regionalgruppe Justizvollzug, Ute Beeck, berichtete damals, dass er Bedienstete bedroht und beschimpft habe, zudem in seinem Haftraum randaliert habe. Im Juni legte er in seiner Zelle ein Feuer. Inzwischen ist der in der Justizvollzugsanstalt Lübeck.

Bereits in früherer Haft auffällig

Auch während einer früheren Untersuchungshaft in Hamburg war Ibrahim A. laut der dortigen Justizbehörde auffällig. Er soll unter anderem Stimmen und Klopfgeräusche gehört haben. Außerdem habe er provoziert, andere Häftlinge und Justizvollzugsbeamte beschimpft, es kam auch zu körperlichen Auseinandersetzungen. Der Staatsrat der Hamburger Justizbehörde, Holger Schatz, sagte im Innen- und Rechtsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtags über ihn: "Er war ein furchtbar anstrengender Beschuldigter." Die Erkenntnisse hatten nach der Tat von Brokstedt in Schleswig-Holstein und Hamburg zu einer Diskussion über den Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen geführt.

Zwei Zeuginnen aus dem Zug sagen aus

Zudem wurden am Freitag zwei weitere Zeuginnen aus dem Regionalzug befragt. Eine 30-Jährige aus Hamburg schilderte, wie sie den Beschuldigten mit dem Messer in der Hand im Zug gesehen hatte. Zuvor habe sie einen markerschütternden Schrei gehört. Eine 22-jährige Kieler Studentin berichtete ebenfalls von Schreien sowie Hilferufen - auch habe sie einen Mann mit einem Koffer gesehen und vermutet, dass dieser ihn auf den mutmaßlichen Täter geworfen habe.

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Schleswig-Holstein Magazin | 15.09.2023 | 19:30 Uhr

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