Brokstedt-Prozess: Aufgelöste Zeugen - teilnahmsloser Verdächtiger
Bereits 22 Zeugen und Opfer wurden im Brokstedt-Prozess vor dem Landgericht Itzehoe angehört. Sie alle zeichnen ein Bild des Schreckens - während sich der Tatverdächtige gelangweilt zeigt.
Einige Zeugen waren unmittelbar am Tatort im Regionalzug. Sie beschreiben im Brokstedt-Prozess vor dem Landgericht Itzehoe (Kreis Steinburg) das auffällige Verhalten des Angeklagten vor der Tat. Er sei unruhig gewesen, habe Dehn- und Lockerungsübungen gemacht und sich die Jacke ausgezogen. Einer 22-jährigen Studentin, die in Brokstedt aussteigen wollte, versperrte er den Weg. Sie sah einen Mann, der blass wirkte, weit aufgerissene Augen hatte und sie "wahnhaft ansah". Und sie konnte bereits das Messer in seiner Hand sehen, noch halb in der Sporttasche versteckt. Die junge Frau lief in die entgegengesetzte Richtung. Kurz darauf stach der Täter auf seine ersten Opfer ein. Zuerst griff er eine 17-Jährige an, ihr 19-jähriger Freund wollte ihr helfen - und wurde dann ebenfalls angegriffen. Es sind die beiden Todesopfer. Die Zeugen, die den Angeklagten direkt bei der Tat sahen, berichteten alle von seinem leeren, ausdruckslosen Gesichtsausdruck, während er zustach.
Opfer leidet unter Panikattacken
Vier weitere Personen hat der Täter danach mit dem Messer verletzt, teilweise schwer. Eine von ihnen trat am vergangenen Freitag in den Zeugenstand. Die 27-jährige Frau wirkte aufgelöst, sprach immer den Tränen nahe und knetete dabei einen kleinen Stressball. Die Frau war in Brokstedt zugestiegen und ging auf der Suche nach einer Toilette durch den Zug. Hinter einer gläsernen Durchgangstür sah sie dann den Täter und bemerkte zuerst seine Verletzungen und das ganze Blut - und wollte ihm helfen. Dann aber sah sie seinen wütenden und aggressiven Gesichtsausdruck und versuchte zu fliehen. Der Täter war schneller, er stach von hinten mit dem Messer auf sie ein und verletzt sie. Er hörte nicht auf, sie zu verfolgen, brachte sie später zu Fall und stach weiter auf sie ein. Als er kurz abgelenkt war, konnte die Frau schwerverletzt entkommen. Sie leidet heute noch jeden Tag an Panikattacken und ist auch körperlich eingeschränkt. Der angeklagte Ibrahim A. hörte ihrer Aussage teilnahmslos zu, ein paar Mal grinste er. Ansonsten zeigte er keine Regung.
Krankenpfleger leistete Ersthilfe an Ibrahim A.
Sehr mitgenommen wirkte auch einer der Ersthelfer, der von den ersten Angriffen nichts mitbekommen hatte. Auf dem Bahngleis sah er dann einen Verletzten und wollte als Krankenpfleger sofort helfen. Vom Bahnsteig aus musste er dann mit ansehen, wie hinter der geschlossenen Zugtür ein junger Mann mit dem Messer angegriffen wurde. Er sah das Blut an die Fensterscheibe spritzen. Als der Mann aus dem Zug kam, versorgte er dessen Wunden und später kam auch der mittlerweile entwaffnete mutmaßliche Täter heraus. Der junge Krankenpfleger erkannte ihn nicht, weil er den Mann durch das Fenster der Zugtür nicht richtig hatte sehen können. Er sah die Schnittwunden an den Händen und viel Blut und leistete auch bei dem mutmaßlichen Täter erste Hilfe. Danach stieg er mit einem Polizisten in den Zug ein, weil er weiter helfen wollte. Doch als er den Zustand eines der Opfer sah, wurde ihm schwarz vor Augen.
Zeugin über Ibrahim A.: "Irre und wahnsinnig"
Auf dem Gleis fiel der mutmaßliche Täter dann vielen Zeugen als ruhig, erschöpft und mit sich selbst beschäftigt auf. Er soll dort im Schneidersitz gesessen haben. Der Krankenpfleger, der ihn erstversorgte, beschrieb ihn als orientierungslos, weil er sich nicht um seine Verletzungen kümmerte und ständig nach einer Zigarette fragte. Später sahen ihn einige Zeugen dann auch eine Zigarette rauchen. Eine Zeugin sah, wie er von den Sanitätern weggebracht wurde. Sie beschrieb ihn als völlig erschöpft, weil er sich immer wieder hinsetzen musste und beschrieb ihn weiter als "ein Stück weit irre und ein Stück weit wahnsinnig".
Ein Bild, das der Angeklagte auch im Sitzungssaal zeigt. Überwiegend wirkt Ibrahim A. teilnahmslos und gelangweilt. Mal spielt er mit dem Übertragungsgerät des Übersetzers, dann schaut er sich im Saal um, lässt den Kopf hängen und legt ihn gelegentlich auch auf der Tischplatte ab. Teilweise folgt er den Zeugenaussagen aber auch konzentriert. Besonders auf Frauen reagiert er aufmerksamer - eine Zeugin lächelte er sogar an, als ob er sie kennen würde.
Am Montag werden die letzten zwei Zeugen, die sich zur Tatzeit im Zug befanden, vor der Sommerpause des Landgerichts Itzehoe befragt. In dieser Woche werden zudem noch Sachbeweise wie Urkunden und Bildberichte gesichtet. Weitere der insgesamt 127 Tatzeugen werden dann ab Ende August gehört.