Blauzungenkrankheit: So läuft die Entsorgung der Kadaver in SH
Immer mehr Rinder und Schafe in Schleswig-Holstein leiden an der Blauzungenkrankheit - und sterben zum Teil auch daran. Um alle Kadaver zu entsorgen, muss das beauftragte Unternehmen Sonderschichten einführen.
Wie viele Tiere in Schleswig-Holstein genau verendet sind, können die betreffenden Kreisveterinärämter nicht sagen. Um die Entsorgung selbst kümmert sich das Unternehmen Rendac aus Jagel (Kreis Schleswig-Flensburg), das vom Land beauftragt worden ist. Die steigende Zahl von Tieren, die in Schleswig-Holstein an der Blauzungenkrankheit erkranken und teils daran sterben, sorgt dort offenbar für deutlich mehr Arbeit. Einige Kreise und das Landwirtschaftsministerium berichten NDR Schleswig-Holstein, dass das Unternehmen aufgestockt hat. Um verendete Tiere abzuholen, arbeite Redac auch am Wochenende, habe weitere Fahrer beschäftigt und mehr Fahrzeuge im Einsatz, so eine Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums. Entsorgt werden die Kadaver in der Tierkörperverwertungsanstalt Jagel. Rendac selbst hat auf eine NDR Anfrage nicht geantwortet.
Herzogtum Lauenburg: Fahrzeuge reichen nicht
Die Situation bei der Entsorgung ist in Schleswig-Holstein zurzeit aber offenbar nicht so dramatisch wie zum Beispiel im Kreis Stade in Niedersachsen. Da müssen Landwirte laut Kreisverwaltung die Kadaver sammeln und mit Planen abdecken. Vereinzelt dauert es aber auch in Schleswig-Holstein zumindest länger, bis Kadaver abgeholt werden. "Aufgrund der aktuell angespannten Lage und der Vielzahl auftretender Fälle, reichen die Entsorgungsfahrzeuge momentan nicht aus, um alle Kadaver schnell zu entsorgen", teilt Tobias Frohnert vom Kreis Herzogtum Lauenburg auf Nachfrage von NDR Schleswig-Holstein mit.
Land SH: Abholtouren stark durchgetaktet
Das Landwirtschaftsministerium erklärt, dass im "Einzelfall nicht auszuschließen [ist], dass es aufgrund von fehlerhaften Anmeldungen, technischen Problemen, krankheitsbedingten Ausfällen sowie weiteren Gründen zu Verzögerungen bei der Abholung kommen kann." Verendete Tiere müssen laut Ministerium über ein Online-Portal angemeldet werden. "Sollten bis zur Abholung weitere Tiere verenden, können diese in der Regel nicht zusätzlich geladen werden, sondern sind für die nächste Abholung nachzumelden, da die Abholtouren durchgeplant und stark ausgelastet sind", heißt es.
Mehr Personal und mehr Schichten
Laura Lewin vom Kreis Nordfriesland berichtet, dass es zu Beginn der Blauzungenkrankheit "teilweise zu Verzögerungen bei der Abholung gekommen ist. Unserem Kenntnisstand nach ist das Unternehmen den Anforderungen durch vermehrten Einsatz von Fahrzeugen, Fahrern und Containerlösungen begegnet." Aus Sicht des Kreises Segeberg hat sich die Situation nach dem Engpass im August verbessert, weil das zuständige Unternehmen reagiert habe.
Auch Stefan Bork, Amtstierarzt im Kreis Rendsburg-Eckernförde bestätigt, dass die zuständige Firma die Arbeitszeiten verlängert und mehr Personal eingesetzt habe, um alle toten Tiere zu entsorgen. Massive Probleme gebe es deshalb nicht, die Entsorgung dauere aber hin und wieder einen Tag länger. Der Kreis Stormarn betont, es sei nicht bekannt, dass es bei der Abholung der Kadaver Missstände gegeben habe. Ähnlich äußert sich der Kreis Plön. Auch der Kreis Schleswig-Flensburg betont, unter anderem durch mehr Personal gebe es genügend Kapazitäten für die Entsorgung.
Fallzahlen: 800 Prozent-Steigerung in drei Wochen
Seit Anfang August dieses Jahres sind immer mehr Tiere von der Blauzungenkrankheit betroffen. Bis Ende vergangener Woche (12. September) gingen positive Befunde aus insgesamt 1.100 Rinder-und Schafhaltungen im Land beim Landwirtschaftsministerium ein, wie das Ministerium auf seiner Webseite mitteilt. Vor einer Woche waren es noch 804 Betriebe. Das ist ein Plus von knapp 27 Prozent. Mit insgesamt 387 Fällen ist aktuell vor allem der Kreis Nordfriesland betroffen. Auch in den Kreisen Dithmarschen (141), Rendsburg-Eckernförde (128) und Schleswig-Flensburg (106) gibt es viele Fälle. Zum Teil liegen NDR Schleswig-Holstein aktuellere Zahlen vor: Um vergleichbar zu bleiben, werden zunächst die Zahlen vom 12. September verwendet. Dazu, wie viele Tiere genau gegen die Blauzungenkrankheit geimpft wurden, gibt es keine landesweiten Zahlen.
Der Amtstierarzt aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde, Stefan Bork, betont, dass die Impfungen in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen haben. Allerdings dauere es auch bis zu drei Wochen, bis die anschlagen. Im Kreis sei man daher noch weit entfernt von einer nötigen 80-prozentigen Abdeckung. Eine Sprecherin des Kreises Segeberg sagte auf Nachfrage von NDR Schleswig-Holstein, dass eine Pflichtimpfung - wie es sie 2008 gab - nötig wäre, um das Virus erfolgreich zu verdrängen.
Norden in SH vor allem betroffen
Festgestellt wurde die Krankheit in folgenden Kommunen (Stand: 12. September):
- Dithmarschen: 48 Rinderhaltungen; 93 Schafhaltungen
- Herzogtum Lauenburg: 34 Rinderhaltungen; 26 Schafhaltungen
- Kiel: 1 Rinderhaltung
- Lübeck: 2 Rinderhaltung; 5 Schafhaltungen
- Neumünster: 3 Rinderhaltungen
- Nordfriesland: 186 Rinderhaltungen; 201 Schafhaltungen
- Ostholstein: 2 Rinderhaltung; 9 Schafhaltungen
- Pinneberg: 13 Rinderhaltungen; 18 Schafhaltungen
- Plön: 13 Rinderhaltungen, 7 Schafhaltungen
- Rendsburg-Eckernförde: 88 Rinderhaltungen; 40 Schafhaltungen
- Schleswig-Flensburg: 79 Rinderhaltungen; 27 Schafhaltungen
- Segeberg: 42 Rinderhaltungen; 15 Schafhaltungen
- Steinburg: 49 Rinderhaltungen; 36 Schafhaltungen
- Stormarn: 37 Rinderhaltungen; 26 Schafhaltungen
Deiche an der Westküste teilweise gesperrt
Wegen der Ausbreitung der Blauzungenkrankheit sind einzelne Deichabschnitte an der Westküste für Spaziergänger gesperrt. Der Stress für die erkrankten und ohnehin geschwächten Tiere soll damit nach Angaben des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN) reduziert werden. Welche Deichabschnitte gesperrt werden, können laut LKN die Deichschäfer selbst entscheiden. Derzeit sind davon die Deiche rund um Glückstadt, bei Brunsbüttel, Friedrichskoog und südlich des Meldorfer Hafens betroffen. Auf Eiderstedt sind im Norden weite Teile des Deiches nicht begehbar sowie westlich von Husum.
Verzehr von Fleisch und Milch ist unbedenklich
Die Blauzungenkrankheit ist eine Virus-Krankheit, die durch die Mückengattung Gnitzen übertragen wird. Betroffen sind Rinder, Schafe und Ziegen, aber auch Wildwiederkäuer sowie Lamas und Alpakas. Der Erreger der Blauzungenkrankheit ist für den Menschen nicht gefährlich. Der Verzehr von Fleisch- und Milchprodukten ist unbedenklich.
Kühles Wetter kann Situation verbessern
Viele Verantwortliche in den Kreisen hoffen nun, dass kühleres Wetter die Ausbreitung der Blauzungenkrankheit bald abbremst, weil die Gnitzen bei kaltem Wetter nicht mehr aktiv sind.