Belastete Flächen: Boden-Sanierung nur mit Wasserdampf
Mehr als ein Jahrzehnt lag das Gelände einer ehemaligen Chemikalienhandlung in Neumünster brach. Der Grund: Giftstoffe im Boden. Die Stadt nutzt zur Sanierung jetzt ein neues thermisches Verfahren.
Vorsichtig setzt Frank Lepenies einen Fuß auf die schwarze Folie, die direkt vor ihm auf dem Boden liegt. Hier darf nur rauf, wer das entsprechende Schuhwerk anhat. Denn der Boden unter der Folie ist heiß. So heiß, dass man darauf problemlos ein Spiegelei braten könne, scherzt der Mann von der Unteren Bodenschutzbehörde der Stadt Neumünster. Noch ein weiterer Schritt und er steht ganz drauf: auf der Fläche, die ihn bereits seit 30 Jahren, fast sein gesamtes Berufsleben, begleitet. Sie gehört zum Gelände der ehemaligen Chemikalienhandlung Hanff - und ist seit Jahrzehnten mit Giftstoffen belastet.
650 Quadratmeter vergifteter Boden
"Wir stehen jetzt genau dort, wo vor etwa 45 Jahren ein unangemeldetes Lösemittellager war. Diese Lösemittel sind zum Teil in den Boden gelangt und haben sich da in bis zu sechs Metern Tiefe in Grundwasser-Nähe angelagert", sagt Frank Lepenies. Rund 650 Quadratmeter seien mit leichtflüchtigen, chlorierten Kohlenwasserstoffen kontaminiert - und hätten jegliche Nachnutzung des insgesamt 8.000 Quadratmeter großen Geländes bisher verhindert, erklärt Lepenies, der jetzt noch einen weiteren Schritt auf der schwarzen Bodenfolie macht. Die Hitze, die hier unter ihm herrscht, soll das Problem lösen - indem sie die Giftstoffe aus dem Boden quasi herauskocht.
Wasserdampf bringt Boden zum Kochen
Dahinter steckt ein aufwendiges, thermisches Verfahren, das von der Uni Stuttgart entwickelt wurde. Um den Boden von den Giftstoffen zu befreien, hat die ausführende Baufirma 31 sogenannte Injektionslanzen in den Boden getrieben. Über einen Teil dieser Metallstäbe wird 180 Grad heißer Wasserdampf in den Untergrund gepumpt. Dieser Dampf sorgt dafür, dass sich der Boden auf knapp 100 Grad erhitzt, die dort abgelagerten Giftstoffe ihren Siedepunkt erreichen und über die restlichen Injektionslanzen in dem Boden herausgesaugt werden können. Die abgesaugten Schadstoffe werden abschließend über Aktivkohlefilter gereinigt und als Kühlmittel weiterverwendet.
Erstes Projekt in Schleswig-Holstein
Frank Lepenies ist momentan mehrfach die Woche auf dem Gelände am Stoverweg 38 unterwegs. Die Anlagentechnik arbeitet zwar weitgehend selbstständig, doch gemeinsam mit der Baufirma und einem unabhängigen Bodengutachter überprüft er regelmäßig, ob die Bodensanierung wie geplant voran geht. "Ich habe viele, viele Jahre nach einem geeigneten Verfahren gesucht. Und jetzt zu sehen, dass es endlich voran geht, ist schon sehr aufregend", sagt der Vertreter der Unteren Bodenschutzbehörde. Inzwischen steht er gemeinsam mit seinen Kollegen vor einem unscheinbaren Display am Rande der Anlage. Dort können sie gemeinsam die Bodentemperatur ablesen und prüfen, ob der Wasserdampf tatsächlich ausreichend Hitze im Boden erzeugt.
"Es läuft sehr optimal, muss ich sagen", zieht Gutachter Malte Horstmann ein zufriedenes Zwischenfazit. "Wir waren vorab etwas unsicher, weil der Boden nicht an allen Stellen gleichmäßig durchlässig ist, aber die Siedetemperatur der Giftstoffe ist zwei Wochen nach Inbetriebnahme der Anlage auf den gesamten 650 Quadratmetern in bis zu sechs Metern Tiefe erreicht", sagt der Gutachter. Er ist zuversichtlich, dass sie die Fläche bis Ende des Jahres komplett von den Giftstoffen befreien können. Anschließend soll das gesamte Gelände noch mehrere Jahre regelmäßig auf Schadstoffvorkommen kontrolliert werden.
Weitervermarktung der Fläche
Auch der Job von Frank Lepenies wird mit Ende des Jahres noch nicht ganz nicht erledigt sein. Denn die Stadt plant, die in der Nähe der Autobahn gelegene Fläche wieder in die Nutzung zu bringen - sie also zu recyceln. "Wir wollen als Stadt ungern ganz neue Flächen erschließen und zum Beispiel Ackerland versiegeln, gleichzeitig wachsen wir aber. Deswegen sind solche Sanierungsprojekte so wichtig für uns", erklärt Lepenies. Wer sich auf den insgesamt 8.000 Quadratmetern ansiedeln wird, stehe aber noch nicht fest. Wohn- und Gewerbeprojekte seien gleichermaßen denkbar, so Lepenies. In etwa zwei Jahren wird er in den Ruhestand gehen. Bis dahin, so hofft er, ist es dann abgeschlossen - das längste Projekt seines Berufslebens.