Bauen in SH: Weniger Kosten durch geringere Standards
Neu zu bauen oder Häuser zu sanieren ist so teuer wie nie. Vielerorts werden Lösungen gesucht, um zum Beispiel den sozialen Wohnungsbau kostengünstiger und einfacher zu machen. In SH gibt es neue Ideen.
Wer in letzter Zeit eine Wohnung oder ein Haus bauen wollte, musste tief in die Tasche greifen. Egal ob Neubau oder Sanierung - beides ist so teuer wie nie. Das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor. Denn die Kosten für den Wohnungsbau sind kontinuierlich gestiegen. Der Grund dafür liegt aber nicht nur in den hohen Preisen für Baustoffe wie Beton, Stahl oder Holz.
Woran das noch liegt, haben sich auch das Land Schleswig-Holstein, der Gemeindetag und die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE) gefragt. Im Rahmen einer Studie sind sie der Frage nachgegangen, wie Bauen wieder einfacher und bezahlbarer werden kann. Die Ergebnisse haben Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) und ARGE-Geschäftsführer, Dietmar Walberg, am Freitag in Kiel vorgestellt.
Oft zu hohe Standards
Demnach ist eine wesentliche Ursache für die hohen Kosten in den Standards zu finden, die beim Bau neuer Häuser gelten würden. Ob begrünte Dächer, Tiefgaragen oder Fahrstühle - Standards wie diese hätten ihren Sinn, doch seien sie nicht bei jedem Gebäude auch zwingend notwendig.
Doch zugleich seien sie über die Jahre immer aufwendiger, teurer und durch den hohen Ressourcenverbrauch auch klimaschädlicher geworden, so die Ministerin. Deshalb müssten bestehende Standards überdacht werden. Der von ihr vorgestellte "Regelstandard Erleichtertes Bauen" sei ein solcher Lösungsansatz, so die Ministerin.
Weniger Mauerwerk - weniger Kosten
Was sich hinter der sperrigen Bezeichnung verbirgt, sind Maßnahmen, die im Rahmen der gültigen Gesetze und Normen liegen, und mit denen sich die Baukosten reduzieren ließen.
"Die Studie zeigt anschaulich, dass eine kostenbewusste und intelligente Planung, die den Fokus auf den tatsächlichen Bedarf richtet, eine elementare Voraussetzung für Vorhaben ist, die bezahlbar und lebenswert sind." Sabine Sütterlin-Waack, Innenministerin SH
Bis zu 25 Prozent der Kosten, so die Ministerin, könnten so gespart werden, wenn der neue Baustandard konsequent angewendet werde.
Verschlanken für geringere Kosten
Konkret soll das gelingen, wenn zum Beispiel die Dicke der Wände und Decken reduziert würde. Denn oft würden Planer mit dickeren Wänden rechnen, um sicherzugehen, dass die Gebäude später auch keinesfalls Mängel aufweisen, gegen die geklagt werden kann.
Doch das sei nicht unbedingt notwendig, heißt es in der Studie. Auch bei Wänden, die den Mindeststandards entsprächen, würde der nötige Schallschutz und die Stabilität des Gebäudes nicht eingeschränkt. Stattdessen würde bei dünneren Wänden weniger Material verbaut. Das sei ressourcenschonender und gleichzeitig bliebe mehr Platz in den Wohnungen.
Ein anderes Beispiel, das die Studie nennt, sind Keller oder Tiefgaragen. Sie würden nach dem Regelstandard beim Bau neuer Gebäude wegfallen, da sie oftmals die Gesamtkosten nach oben schnellen lassen. Abstellräume, die dadurch wegfallen, würden alternativ in anderen Teilen des Gebäudes untergebracht werden können - zum Beispiel unterm Dach.
"Erwartungen stetig gestiegen"
Dietmar Walberg, Geschäftsführer der ARGE, betont, dass es im Bauwesen darum gehe, wieder mehr Maß zu halten. Stück für Stück seien in den letzten Jahren die Erwartungen gestiegen. Das hält er für einen Irrweg.
"Das wollen wir verschlanken, um überhaupt noch in der Lage zu sein, eben Wohnungen am Markt zu haben, die noch günstig verkauft und vermietet werden können." Dietmar Walberg, ARGE-Geschäftsführer
Grundlage für geförderten Wohnraum
Bereits seit September 2023 wird der Regelstandard in Schleswig-Holstein angewendet. Gebäude, die nach dem Standard gebaut wurden, stehen zum Beispiel in Büdelsdorf, in Kronshagen (beide Kreis Rendsburg-Eckernförde) oder in Kiel.
Und auch in Zukunft sollen die Standards wichtig werden. Denn laut Innenministerin sollen sie entscheidend sein, wenn ab September wieder die Mittel für geförderten Wohnraum vergeben werden. Möchten Bauherren von sozialem Wohnraum, dass ihr Bau vom Land gefördert wird, müssen sie künftig die neuen Standards einhalten.
Zuspruch aus der Politik
Bei den Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtags traf der Vorschlag der Ministerin am Freitag weitgehend auf Zuspruch. Michael Deckmann, wohnungsbaupolitische Sprecher der CDU-Fraktion, sagte: "Die Ergebnisse der Studie sind ein weiterer, wichtiger Baustein, um die Wohnungswirtschaft anzukurbeln und bezahlbares Wohnen in Schleswig-Holstein zu ermöglichen."
Bina Braun, baupolitische Sprecherin der Grünen, betonte, dass das Einsparen von Ressourcen auch dem Klima zugute käme. Mit dem Regelstandard werde ein vielversprechender Anfang gemacht - auch hinsichtlich einer geringeren Dichte von Regulierungen.
Bernd Buchholz, wohnungsbaupolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, zeigte sich skeptischer. Er sagte: "Solche Studien sind immer gut. Doch am Ende muss es darum gehen, die Standards allgemein beim Bauen konsequent abzusenken und Auflagen zu reduzieren." Das müsse neben der Förderung von sozialen Wohnraum auch für den frei finanzierten Wohnungsbau gelten.
Neben den Abgeordneten begrüßten auch die Architektenkammer und der Baugewerbeverband Schleswig-Holstein den Schritt. Allerdings fordern sie, dass zeitnah auch die rechtlichen Sicherheiten für Bauherren geschaffen würden.
Juristische Bedenken
Dass es vor allem auf rechtlicher Ebene Skepsis an dem neuen Baustandard gab, war der Innenministerin Sütterlin-Waack bei der Präsentation der Ergebnisse bewusst. Diese Unsicherheit gelte es nun zu beheben. Denn es sei für Bauherren, Käufer oder Vermieter wichtig, dass die Regelstandards auch rechtlich Bestand haben. Das wolle man nun klären, so die Ministerin.