Battle-Rap hilft bei Demokratie-Erziehung
Ein Rapper, der auf einer Bühne steht, wütend eine Wortsalve nach der anderen abfeuert, um ein reales oder fiktives Gegenüber plattzumachen - untermalt von dröhnenden Beats: Das ist Battle-Rap. In den Texten geht es dabei oft weder gewalt- noch jugendfrei und auch nicht unbedingt politisch korrekt zu. Gerade deswegen ist das Projekt zur Demokratie-Erziehung und Mobbing-Prävention an einer Lübecker Grund- und Gemeinschaftsschule so besonders. Dort lernen die Schüler, ihre eigenen Battle-Rap-Texte zu schreiben, und treten am Ende der Woche mit ihren Raps gegeneinander an. Die "NDR Info Perspektiven" waren bei der Projektwoche an der Gotthard-Kühl-Schule dabei.
Lea Salazar sieht mit ihren langen, dunklen Haaren und ihrem Kapuzenpulli schon aus wie eine Rapperin. Sie hat einen Zettel mit ihrem Text in der Hand, wippt rhythmisch mit und rappt ihre selbst geschriebenen Zeilen der Klasse vor. "Hey Frau Lehrerin, ich sag's dir ganz konkret - ich weiß nicht wie das geht. Diese Aufgabe ist einfach viel zu schwer - ich mache hier jetzt gar nichts mehr." Und weiter: "Einer für alle, alle für einen, niemand ist allein." Dafür bekommt sie einen ordentlichen Applaus. Auch wenn Lea darüber rappt, dass sie es schwierig findet, bei der Projektwoche ihre eigenen Texte zu schreiben, fiel es ihr eigentlich ganz leicht. "Ich habe ja schon vor der Woche angefangen - innerhalb der Woche wurde es dann immer einfacher."
Gewaltfreie Kommunikation
Die Idee zur Projektwoche "Rap it out" hatte Klassenlehrerin Tina Stute. Eines der Ziele hinter dem Projekt: Die Kinder sollen erkennen lernen, welche Themen ihnen wichtig sind. Sie sollen sich gewaltfrei ausdrücken lernen oder auch, sich mit Worten zur Wehr zu setzen. Beim Texten hilft die Lübecker Autorin und Poetry-Slammerin Hannah Rau. In der Runde zeigen die Kinder nach und nach, was sie in den vergangenen Tagen erarbeitet haben. "Und ihr Jungs habt den bösen Text, gegen die Mädchen der 3a", sagt Texterin Rau. Dann kommt der Rap. "Mädchen sind scheiße, und dann sind sie leise. Wir dissen, dissen, dissen, dass die Mädchen sich verpissen. Mädchen sind krumm und sie lachen dumm. Mädchen heulen, dass die Mädchen sich verbeulen."
Frust loswerden - aber mit klaren Regeln
Der Part der Jungs muss bis zum Abschluss-Battle auf jeden Fall noch mal überarbeitet werden, sagt Textcoach Hannah Rau. "Die heftigen Beleidigungen müssen noch raus, das werden wir denen noch klarmachen. Was im Rap möglich ist, sind witzige Vergleiche oder auch Quatsch. Es geht erst mal darum, sich zu äußern. So können die Kinder auch darüber erzählen, was sie an der Schule nicht mögen. Da kommen bei den Mädchen die Jungs vor - und bei den Jungs die Mädchen. Das muss dann auch zur Sprache kommen, aber es gibt dann eben Regeln dafür."
Konzentration und Motivation bessern sich deutlich
Und zu diesen Regeln gehört es, mit Witz und gutem Rhythmusgefühl zu überzeugen - in Rapperkreisen Flow genannt - und eben nicht mit Beleidigungen. Egal, wie gut der Flow ist, über welche Themen sie rappen - die Kinder hören einander aufmerksam zu, geben sich Tipps und wohlwollendes Feedback. Klassenlehrerin Tina Stute ist stolz auf ihre Klasse. "Die Kinder können sich unheimlich lange mit der Arbeit an den Texten beschäftigen. Die Konzentration ist länger, sie arbeiten miteinander, es arbeiten auch Kinder miteinander, die sonst nie miteinander arbeiten. Sie unterstützen sich gegenseitig, feilen an ihren Texten und sind hochmotiviert."
Inspiration durch große Vorbilder
Mit Demokratie-Förderung und Mobbing-Prävention sind die Ziele dieser Projektwoche hochgesteckt - unabhängig davon, wie gut sie mithilfe des Battle-Rap erreicht werden können. Den Kindern macht das Rappen einen Riesenspaß und fördert zudem offenbar ihr soziales Miteinander. Zur Melodie von "A Hard Knock Life" des amerikanischen Rappers Jay-Z rappen sie zum Beispiel. "Mathe ist ein Arsch für mich, ich check die Zahlen nicht, 4, 3 plus b zum Quadrat ergibt für mich Salat - Mathe ist ein Arsch." Das Lied kennen sie von YouTube, vom Comedian freshtorge. Für das Projekt haben sie selbst noch ein paar Zeilen dazugedichtet. Vielleicht hilft der eine oder andere Kraftausdruck dann auch schon mal, mit Frustrationen leichter fertig zu werden. Solange es sich nicht gegen andere Menschen richtet, kommen die Schüler auch damit durch.