Kita in Halstenbek: Hier bestimmen die Kinder
Politikverdrossenheit ist ein Dauerthema. Demokratie zu üben, kann man daher nicht früh genug anfangen - mit allem, was dazugehört: diskutieren, Kompromisse finden, abstimmen. So machen es acht Kindertagesstätten in Schleswig-Holstein, die als Demokratie-Kitas zertifiziert sind. Die "NDR Info Perspektiven" haben die Kita "Lotte Lemke" in Halstenbek besucht.
Jeden Morgen versammeln sich die Kinder in der Kita "Lotte Lemke" vor einer großen Tafel mit Fotos drauf: Alles, was heute in der Kita angeboten wird, können die Kinder dort auf kleinen Bildern sehen - und selbst entscheiden, was sie machen möchten. Sie können zum Beispiel Schafe basteln, etwas über den Wald lernen oder auch sich am Kinderrat beteiligen. Der kleine Lauri ist von den anderen Kindern seiner Gruppe in den Kinderrat gewählt worden. Er und seine Freundin Bella sind die Gruppensprecher der Wind-Gruppe, ähnlich wie später Klassensprecher in der Schule. Es gab sogar Wahl-Plakate für die Wahl dazu. Abgestimmt haben die Kinder mit Muggelsteinen, kleinen Glassteinen, erzählt Noah aus der Wind-Gruppe: "Jeder, der Gruppensprecher werden wollte, hat etwas gemalt und ein Foto draufgeklebt. Wer die meisten Muggelsteine bekommt, gewinnt die Wahl."
Kinderrat bringt Vorschläge in die Lokalpolitik ein
Einmal die Woche treffen sich die gewählten Sprecher aller Kita-Gruppen im sogenannten Kinderrat. Erzieherin Dilek Hagemann-Akay leitet ihn: "Das Besondere daran ist, dass die Kinder in der Gemeinschaft Sachen besprechen und sich beteiligen können. Und im Kinderrat werden Themen besprochen, die auch die Lokalpolitik erreichen. Demokratie heißt auch, ich werde gehört, ich möchte etwas bewegen." Das aktuelle Projekt des Kinderrates: die Spielplätze in Halstenbek bewerten und die Ergebnisse den Lokalpolitikern vorstellen. Dazu tragen die Kinder erst einmal zusammen, worauf sie auf den Spielplätzen achten wollen. Bella hat einige Ideen: "Ob's da Toiletten gibt? Können Minis auf die Geräte? Gibt's da Mülleimer?" Alles, was im Kinderrat besprochen wird, erzählen Bella und Lauri später den Kindern in ihrer Gruppe.
Kinder werden bei Personalentscheidungen beteiligt
Die Demokratie in der Kita beschränkt sich nicht nur auf dieses Gremium. Die Kinder dürfen bei vielen Entscheidungen, die sie selbst in der Kita betreffen, abstimmen - zum Beispiel, welche Spielgeräte gekauft werden. Und sogar, wenn es darum geht, neue Erzieherinnen oder Erzieher einzustellen. Denn Interessenten müssen in der Kita Probe arbeiten - und sich anschließend den Fragen der Kinder stellen, berichtet Leiterin Claudia Baumann: "Solche Sachen wie: Warum hast du ein Loch in der Hose? Warum willst du hier arbeiten? Wie alt bist du? Kannst du Musik machen? Je nachdem, was die dann so erzählen, können die Kinder dann entscheiden, ob sie hier arbeiten oder nicht"
Fast alles ist verhandelbar
Eine Bewerberin wurde auch schon mal abgelehnt, weil sie den Kindern nicht gepasst hat, sagt Baumann. "Die Kinder haben ein Anrecht darauf, zu entscheiden, mit welchen Pädagogen sie arbeiten, das ist ihr Lebensraum hier und wenn sie jemanden haben, den sie nicht mögen, ist es unangenehm." Klar gibt es Dinge, die nicht verhandelbar sind - bei der Hygiene und beim Händewaschen haben die Erwachsenen das Sagen. Aber ob sie Mittagsschlaf machen wollen, bleibt den Kindern überlassen; oder ob und wie viel sie essen. Nach dem Mittag stimmen sie ab, wie gut es ihnen heute geschmeckt hat - mit Wäscheklammern, die sie an ein entsprechendes Smiley hängen - gut, mittel oder schlecht. Denn viele Kinder wissen schon ganz genau, was sie wollen und was nicht. In der Demokratie-Kita lernen sie, das zu äußern.