Rockzipfel Kiel: Kita und Büro in einem
Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen, erfordert meist viel Planung der Eltern. Die Elterninitiative Rockzipfel in Kiel will beides vereinen - mit einem Büro, in das Kinder einfach mitkommen können. Die "NDR Info Perspektiven" haben sich das Angebot angeschaut.
Das Spielzimmer und das Büro liegen hier direkt nebeneinander, getrennt nur von einer Durchgangstür. Gerade ist sie zu. Denn im Spielzimmer geht es mit Bauklötzen und Holzeisenbahn auch mal lauter zu. Hinter der Tür sitzen Mama und Papa konzentriert an einem großen Holztisch und arbeiten an ihren Laptops. Auch der freiberufliche Programmierer und Webdesigner Bernhard Teske ist einmal die Woche hier. Der fast dreijährige Sohn mache das gut mit: "Ab und zu kommt er auch mal rüber. Vorhin war er mal da und wollte was trinken. Wenn er müde wird und ihm langweilig ist, dann kommt er schon häufiger mal rüber. Aber gerade die ersten Stunden klappt das hier ganz gut." In diesem Moment ruft der Sohn. "Da kommt er schon", erklärt der Vater. "Er will jetzt am Computer 'arbeiten'."
Die Idee einer Großfamilie
Vor allem Selbstständige oder Angestellte, die von zu Hause arbeiten können, nutzen das Angebot von Rockzipfel. Aber auch Studierende, die Hausarbeiten schreiben müssen, und Eltern, die einfach mal Zeit für sich brauchen sind darunter. Der Coworking-Space mit Kinderbetreuung befindet sich in einer schlicht eingerichteten Drei-Zimmer-Wohnung. Neben dem Spiel- und dem Arbeitszimmer gibt es noch einen Schlafraum. In der Küche essen um 12.30 Uhr alle gemeinsam zu Mittag. Es erinnert ein bisschen an eine Wohngemeinschaft. Der Community-Gedanke liegt Gründerin Sabrina Theophil besonders am Herzen: "Wir können hier eine Art Dorf oder Clan bilden, in dem die Kinder in einem Umfeld aufwachsen - so wie es eigentlich immer war. Und nicht dieses isolierte Dasein mit Mama alleine zu Hause und jeden Tag muss Mama sich überlegen mit welchen Kindern oder auf welchen Spielplatz sie gehen muss, um andere Kinder zu treffen."
Organisation mit viel Freiraum
Gemeinsam mit einer Freundin hat sie das Konzept nach dem Vorbild einer Leipziger Initiative nach Kiel geholt. Für sie käme es zurzeit nicht infrage, ihre Kinder in eine Kita zu geben. "Ich möchte meine Tochter erst in eine Fremdbetreuung geben, wenn sie sprechen kann. Dann kann sie mir berichten, wenn was schief gelaufen ist." Der Rockzipfel ist ein gemeinnütziger Verein. Eltern geben hier die Aufsichtspflicht für ihre Kinder nicht ab. Das heißt, dass sie immer vor Ort sein müssen. In der Theorie passt dann jedes Elternteil mal auf die Kinder der anderen auf - ohne Verpflichtung. Manchmal helfen auch Ehrenamtliche aus, spielen und basteln mit den Kindern. Um den Bedarf abschätzen zu können, gibt es einen Online-Kalender, in den jeder seine Zeiten eintragen kann.
Je größer der Verein, desto einfacher die Planung
In der Praxis sieht es dann doch häufig anders aus, berichtet Gründerin Theophil: "Es kommt schon vor, dass man sich um 8.30 Uhr einträgt. Dann hat das Kind morgens mal ein anderes Bedürfnis und möchte selbst den Brei löffeln. Oder es passiert, dass die Leute mal ein bisschen später kommen, besonders in den kalten Monaten mit den Krankheitsfällen. Oder man hat Betreuer organisiert und dann kommen aber nur zwei Kinder. Mit Kindern ist einfach immer alles schwierig zu planen."
Mit steigender Mitgliederzahl hofft sie allerdings auch auf mehr Planungssicherheit. Bislang gehören sieben Familien zur Rockzipfel-Kerngruppe. Die meisten kommen für 16 Stunden pro Woche. Nicht-Vereinsmitglieder kostet das 120 Euro im Monat. Die Einnahmen decken zurzeit die Wohnungsmiete. In Zukunft sollen dann auch Angebote wie Musikunterricht für die Kinder davon bezahlt werden. Mehr als neun Kinder sollen aber nicht gleichzeitig hier betreut werden.
Coworking mit Kind statt um vier Uhr morgens aufzustehen
Für Bernhard Teske gibt es in Kiel zurzeit keine Alternative: "Als Freiberufler könnte ich entweder weniger arbeiten oder früher aufstehen. Letzten Winter bin ich teilweise um vier Uhr aufgestanden, um in Ruhe arbeiten zu können, bis das Kind aufwacht." Der beste Faktor an der Rockzipfel-Initiative sei aber, einfach arbeiten zu können. Schließlich müsse das Geld ja auch verdient werden. Der Austausch mit anderen Eltern sei zwar auch schön, ihm gehe es aber auch eindeutig ums Arbeiten. Und das geht hier offenbar trotz - oder vielleicht auch wegen des Bauklotz-Lärms - erstaunlich gut.