Landwirtin: "Evje brennt für den Beruf"
Fünf Autoren begleiten fünf Auszubildende in fünf Branchen - über Wochen, Monate und Jahre: In einer langfristig angelegten Serie berichtet NDR Schleswig-Holstein über junge Menschen, die ins Berufsleben starten. Wie liefen die ersten Monate der Ausbildung? War die Berufswahl die richtige oder wird die Entscheidung bereut? Stellt sich Ernüchterung ein oder wächst die Begeisterung? Nach dem ersten Jahr haben unsere Autoren die Auszubildenden zum dritten Mal getroffen.
von Cassandra Arden
Die angehende Landwirtin Evje Wieck hat den Ausbildungsbetrieb gewechselt. Ein Jahr lang war die 19-Jährige auf Hof Backensholz im Kreis Nordfriesland, inzwischen läuft sie durch die Ställe des Milchviehbetriebs Hof Holling in Osterstedt im Kreis Rendsburg-Eckernförde. Sie strahlt und erklärt: "Ich habe nicht gewechselt, weil es mir auf Hof Backensholz nicht gefallen hat, sondern weil das in der Landwirtschaft in der Ausbildung so üblich ist." Nach den ersten Wochen habe sie sich schon gut eingelebt, sagt sie. Die angehenden Landwirte wechseln, weil jeder Betrieb anders funktioniert. Damit die Auszubildenden möglichst viel lernen, sollen sie verschiedene Höfe kennenlernen. Hof Backensholz setzt auf Bio, Hof Holling ist ein konventioneller Betrieb. "Die üblichen Sachen wie Ställe misten und füttern sind gleich, aber man kann hier anders arbeiten, weil mehr erlaubt ist."
Bald darf die 19-Jährige Kühe besamen
Auf ihrem neuen Hof werden den Kühen zum Beispiel Hormone gegeben, um sie in Brunst zu bringen, damit sie dann besamt werden können. Das gehe bei Bio-Betrieben nicht, sagt Evje Wieck, da müsse man die Tiere genau beobachten. "Manchmal aber sieht man nicht, dass die Kühe in der Brunst sind. So kann man genau kalkulieren und sie zum richtigen Zeitpunkt besamen. Das macht auch die Planung einfacher und effizienter." Schon zu Beginn ihrer Ausbildung war sie an der ganzen Thematik rund ums Kühe besamen interessiert. Damit man das darf, muss ein Lehrgang gemacht werden. "Der ist normalerweise nicht Teil der Ausbildung, aber hier darf ich im Herbst einen machen," strahlt sie.
Evje Wieck brennt für ihren Beruf
Ihr Chef Sönke Holling bietet seinen Sprösslingen diesen Lehrgang an, weil er findet: "Das erfordert viel Vertrauen in die Auszubildenden, weil es einfach ein wichtiges und sensibles Thema ist." Die meisten seiner Kollegen geben das an Profis ab, ergänzt er. "Fruchtbarkeit ist bei uns Milchviehbetrieben ein zentrales Thema. Ich habe aber gelernt, wenn man Vertrauen gibt, dann bekommt man viel zurück. Sie übernehmen gerne Verantwortung und sie laufen dann einfach mit viel offeneren Augen über den Betrieb." Nach den ersten Wochen ist Chef Sönke Holling schon sehr angetan von Evje Wieck: "Man merkt ja richtig, wie sie für den Beruf brennt. Das ist bringt richtig Spaß."
Ein gemischtes Team ist ein gutes Team
Neben der 19-Jährigen sind noch drei weitere Auszubildende auf dem Hof. Mit allen vier Auszubildenden laufe es gut, sagt Sönke Holling. Evje Wieck ist unter den Azubis das einzige Mädchen. Er findet eine reine Männerwirtschaft hat auch Schwächen. "Gerade im Tier- und Hygienebereich haben Frauen einen anderen Blick und das ist gut." Aber das habe sich auch gewandelt in der Landwirtschaft, beobachtet Sönke Holling. "Früher wollten oder mussten die Töchter der Landwirte immer mit den Männer konkurrieren. So sind sie groß geworden. Aber ich sage immer, sei mal kein schlechterer Mann, sondern nutze die Stärken, die du als Frau hast. Dann lass doch die Männer schwer tragen oder das die Maschine machen."
Betriebsausflug nach Wacken
Füttern hat Evje Wieck bisher hier noch nicht gemacht, das erklärt ihr Azubi-Kollege Arne Bestmann. Er hat auch ab und an den Wochenenddienst zusammen mit ihr. Sein Fazit über seine Kollegin: "Sehr offen, gut mit dabei –schockt!" Vor einigen Wochen war die Crew von Hof Holling gemeinsam in Wacken. Das habe auch geschockt, sagt Arne. Evje Wieck steht die ganze Zeit grinsend neben ihm und fügt hinzu: "Ich finde das gut, auch nach Feierabend etwas zusammen zu machen. Man lernt sich noch mal ganz anders kennen. Klar redet man auch mal bei der Arbeit über was Privates, aber eben nicht so viel. Und so ein Ausflug ist wirklich gut fürs Team." Die junge Frau strahlt und jede Frage danach, ob sie nicht nach ihrem Abitur doch hätte etwas anderes machen wollen erübrigt sich. Auf Hof Holling lernt ein junger Mensch, der rundum zufrieden ist, mit seiner Wahl.