Azubi-Serie: "Ich würde sofort wieder anfangen"
Fünf Autoren begleiten fünf Auszubildende in fünf Branchen - über Wochen, Monate und Jahre: In einer langfristig angelegten Serie berichtet NDR Schleswig-Holstein über junge Menschen, die ins Berufsleben starten. Wie liefen die ersten Monate der Ausbildung? War die Berufswahl die richtige oder wird die Entscheidung bereut? Stellt sich Ernüchterung ein oder wächst die Begeisterung? Nach dem ersten halben Jahr ziehen die Auszubildenden im zweiten Teil der Serie eine erste Zwischenbilanz.
von Cassandra Arden
Evje Wieck ist jetzt seit einem halben Jahr auf Hof Backensholz in Oster-Ohrstedt im Kreis Nordfriesland. Sie arbeitet und lebt dort. Es wird zusammen gefrühstückt, zu Mittag gegessen und abends auch mal ein Bier getrunken. Die junge Frau fühlt sich wohl auf dem Hof. Daran hat sich auch nichts geändert, seit sie im Juli 2018 ihre Ausbildung zur Landwirtin angefangen hat. "Ich würde es auf jeden Fall wieder machen. Mir gefällt das alles sehr gut", strahlt die 18-Jährige. Sie hat ihre langen braunen Haare zu einem Zopf gebunden. Ihre Stirn legt sich kurz in Falten und dann sagt sie lächelnd: "Ich bin total froh, dass das so ist, weil ich wirklich nicht gewusst hätte, was ich sonst hätte machen sollen."
Schweine sind unberechenbar
Die angehende Landwirtin soll heute mit Ahmo Adzemovic eine Hand voll junger Schweine von einem Stall in einen anderen verladen. "Das ist nicht ganz ohne, weil Schweine eigentlich jede Gelegenheit nutzen, um auszubüxen", erklärt Ahmo. Mit großen roten Plastikschildern flankieren Evje zusammen mit einigen anderen Mitarbeitern die offenen Seiten zwischen Anhänger und Stall. Die Schweine werden mit Futter in den Hänger gelockt. Nach einigen Minuten sind alle raus aus dem Stall und fertig zur Abfahrt. Die Tierärztin kommt. Eine Sau hat geferkelt und muss nun untersucht werden. Die Sau macht ordentlich Randale, sie scheint kein Fan von der Untersuchung zu sein. Evje beobachtet alles ruhig und gelassen. "Ich mag Kühe lieber, die sind irgendwie berechenbarer. Aber vielleicht wäre das auch anders, wenn ich mehr mit den Schweinen zu tun hätte. Die kleinen Ferkel sind schon sehr süß", sagt sie.
"Wir sind froh, dass wir Evje haben"
Für Evje war es das erste Mal, dass sie Schweine verladen hat. Die jüngsten Schweine wurden von den Sauen getrennt. Sie kamen im Sommer zur Welt und sind nun alt genug, um in einen eigenen Stall zu kommen. Mitarbeiter Ahmo ist zufrieden mit Evje: "Sie hat das sehr gut gemacht. Eigentlich macht sie wirklich immer alles sehr gut." Evje guckt ihn mit großen Augen an. "So was sagst du sonst nie. Eigentlich sagst du immer 'Mädchen, du machst mich wahnsinnig'." Er lacht und reagiert prompt mit einem: "Ja, damit du nicht denkst, du kannst alles. Aber im Ernst. Sie ist sehr gut, sie fragt viel, mehr als andere. Wir sind froh, sie zu haben auf unserem Betrieb. Erstens menschlich, und sie lernt auch schnell." Er grinst und fügt hinzu: "Nun reicht's aber mit dem Lob."
Landwirtschaft ist manchmal auch klassisches Handwerk
Dann geht es ins Auto. Die Schweine sollen in den anderen Stall. Aber erst müssen Evje und Ahmo noch ein Tor anbringen. Landwirtschaft ist eben auch manchmal klassisches Handwerk und so wird erst mal gebohrt und gedübelt. Dann kommen die jungen Schweinchen raus aus dem Anhänger. "Hier bleiben sie jetzt, bis sie alt genug sind. Dann kommen sie zum Schlachter - irgendwann." Das mache ihr nichts aus, sagt Evje: "Wenn man Fleisch essen will, dann müssen eben Tiere geschlachtet werden. Und ich sehe das so: Hier hatten sie bis dahin ja ein gutes Leben."
Im Sommer wechselt Evje den Betrieb
Evjes Ausbildung dauert eigentlich drei Jahre, aber weil sie Abitur gemacht hat, darf sie auf zwei Jahre verkürzen. Im Sommer wechselt Evje den Betrieb. "Das ist bei uns Landwirten normal. Eigentlich versucht man, jedes Lehrjahr woanders zu sein", erklärt sie. Im Juli geht es deswegen für die 18-Jährige nach Rendsburg. "Nur weil zwei Betriebe vielleicht das gleiche machen, ist es noch lange nicht dasselbe", erklärt Evje. "Und ich will so viel wie möglich sehen und lernen." Vor einem halben Jahr erzählte die angehende Landwirtin noch, dass sie auch gerne mal irgendwann einen Lehrgang machen wolle, in dem man lernt, Kühe zu besamen. Das sei aber nicht Teil der Ausbildung, sagte sie damals. Aber sie hat Glück. Der Betrieb, zu dem sie im Sommer geht, hat sie für so einen Lehrgang angemeldet.
Die nächsten Monate geht's aufs Feld
Auf Hof Backensholz steht in den kommenden Monaten erst mal Feldarbeit an. Evjes Chef, Jasper Metzger-Petersen, strahlt, wenn er nach Evje gefragt wird. "Das klappt total gut mit ihr. Evje ist ein fröhlicher Mensch und sehr tüchtig. Vor allem setzt sie sich für ihre Kollegen ein, das finde ich toll. Ich bin gespannt, wie das jetzt wird. Sie arbeitet ja gerne mit Tieren. Bald geht es mit der Feldarbeit los, dann muss sie auch da mit anpacken. Ich denke sie wird das gut machen", meint Metzger-Petersen, "aber vielleicht ist das etwas, wo sie etwas weniger Lust zu hat." Evje hingegen freut sich: "Ich habe da noch nicht so viel Erfahrung gesammelt und freue mich drauf. Aber klar, der Chef hat schon recht. Das tierische liegt mir mehr", gibt sie zu. "Aber man muss alles können, und ich will alles so gut können wie möglich."