Als Organspender sichtbar sein mit einem bestimmten Tattoo
Die Entscheidung über eine Organspende liegt oft bei den Angehörigen. Aber was wollte der oder die Verstorbene selbst? Mit einem Tattoo soll erkennbar sein, wenn jemand Organe spenden möchte - bei einer Tätowierungsaktion in Lübeck war das Interesse groß.
Ein abstraktes Design aus geometrischen Formen, darin versteckt die Anfangsbuchstaben von "Organ Donor", auf Deutsch Organspender. Diese Linien auf der Haut sollen mehr lebensrettende Organspenden möglich machen. Denn: Aktuell warten in Deutschland rund 8.500 Menschen auf ein überlebenswichtiges Organ. Demgegenüber stehen knapp 3.000 gespendete Organe im vergangenen Jahr. Zukünftig sollen potenzielle Organspenderinnen und Organspender mit dem tätowierten Zeichen sichtbarer sein.
Tattoo kann Angehörige entlasten
Doch das Tattoo kann noch mehr: "Es ist ein leichter Zugang zu einem schweren Thema. Es ist extrem wichtig, dass wir das Gespräch über Organspende anregen und wirklich dafür sorgen, dass jeder um uns herum weiß, was hätten wir gerne gewollt, weil es eben die Angehörigen entlastet", so Anna Barbara Sum während der Tätowierungsaktion im Studio "Lemonade Tattoo" in Lübeck. Sie ist Mitgründerin des Vereins "Junge Helden", der über Organspende aufklären und vor allem jüngere Menschen erreichen will.
Mehr als 7.000 Menschen tragen das Organspendetattoo
Dafür gehen die Vereinsmitglieder in Schulen oder überlegen sich, wie der Organspendeausweis fürs Handy aussehen könnte. Als Anna Barbara Sum sich vor 20 Jahren das erste Mal wegen der Erkrankung einer Freundin mit Organspende beschäftigt hat, fanden sie und ihre Freunde die vorhandenen Informationen wenig ansprechend, erzählt Sum.
"Wir wollten das anders machen, lebensbejahend. Wir wollten den Menschen die Informationen so geben, dass sie das wirklich mitten aus dem Leben heraus entscheiden. Und da haben wir uns eben Aktionen überlegt, die das Thema da platzieren, wo das Leben tatsächlich stattfindet, nämlich zum Beispiel im Tattoo-Studio." Anna Barbara Sum, Mitgründerin des Vereins "Junge Helden"
Die Tattoo-Aktion OptInk haben sie vor zwei Jahren ins Leben gerufen. Mehr als 7.000 Menschen haben sich seitdem das Organspendetattoo stechen lassen.
Bewusstsein schaffen für den Mangel an Organspendern
Der Lübecker Sascha Käufer gehört seit dieser Woche auch dazu. Er hat seine Entscheidung zur Organspende schon vor Jahren getroffen: 2014 hat er den Organspendeausweis unterschrieben. Seitdem trägt er ihn in der Tasche.
Mit seinem neuen Tattoo will er in seinem privaten Umfeld auf den Mangel an Organspendern aufmerksam machen, erzählt der 46-Jährige. "Einfach zu sagen: 'Ich finde es wichtig, denk' du doch vielleicht auch mal darüber nach. Wenn du es für dich verneinst, ist das ja auch okay.' Aber sich bewusst mal Gedanken über ein Thema machen, was wir alle vielleicht gerne wegdrücken wollen, nämlich, was passiert, wenn mir was passiert? Und kann ich dann vielleicht in dem Moment noch etwas tun, was anderen Menschen hilft?"
Über das Tattoo reden - das ist auch wichtig, damit im Ernstfall die Angehörigen wissen, was es bedeutet.
Tattoo ist nicht rechtskräftig
"Ein Tattoo kann bei der Entscheidungsfindung helfen - vorausgesetzt, dass Ärztinnen und Ärzten sowie den Angehörigen, das Tattoo und seine Bedeutung bekannt sind", das betont auf NDR-Anfrage die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Rechtskräftig wie der Organspendeausweis ist das Tattoo aber nicht.
Andere Länder versuchen die Entscheidung für oder gegen Organspende mit der sogenannten Widerspruchslösung zu erleichtern. Das heißt, dass dort alle Menschen potenzielle Organspender und -spenderinnen sind - außer sie widersprechen. Also genau umgekehrt als in Deutschland. Auch hier wird dieser Ansatz immer wieder politisch diskutiert. Laut BZgA würde eine Einführung aber viele Umstellungen erfordern, so eine Sprecherin: "Erst ein Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren wirkt sich auf die Organspenderzahlen aus. Dazu zählen zum Beispiel: Die Anzahl und Strukturierung der Transplantationszentren, die Stellung der Transplantationsbeauftragten, die medizinische Voraussetzung für Organspende und die Grundeinstellung der Bevölkerung zum Thema."
Weitere Aktion in Lübeck im Herbst
Wenn es um Organspende geht, geht es immer auch um Tod - ein unangenehmer Gedanke oder sogar Tabuthema für viele Menschen. Mit den Tattoos wollen Anna Barbara Sum und die Jungen Helden es einfacher machen, auch im Alltag über Organspende zu sprechen. Denn wie die BZgA machen auch sie die Erfahrung, dass der Großteil der Menschen Organspenden positiv gegenübersteht. In Lübeck war das Interesse an Organspendetattoos so hoch, dass die Jungen Helden im Herbst 2024 eine weitere Tattoo-Aktion planen.