Alltag zwischen Leben und Tod - 40 Jahre Pfleger auf der Intensivstation
Schwerste Verletzungen, Herzinfarkt oder Organversagen. Ausnahmesituationen sind auf der Intensivstation des Regio Klinikums Elmshorn sein Alltag. Seit Jahrzehnten - bis jetzt, denn Peter Lorenzen geht in den Ruhestand.
Bevor er das Zimmer seiner letzten Patientin betritt, desinfiziert sich Peter Lorenzen die Hände. Sie ist über Schläuche und Kabel mit mehreren lebenserhaltenden Geräten verbunden und nicht bei Bewusstsein. Ob sie ihn hören kann, weiß Peter Lorenzen nicht. "In ihrer Lunge ist noch etwas Sekret, das muss ich absaugen", sagt er, während er sich über ihr Bett beugt. "Ich versuche, so vorsichtig wie möglich zu sein." Lunge, Herz und Niere der Patientin arbeiten nicht mehr - durch eine Blutvergiftung. "Für mich ist es wichtig, dass ich mitfühle, aber nicht mitleide", erzählt der Intensivpfleger, während er einen Schlauch in die Lunge der Patientin einführt. "Emotional ist es herausfordernd, weil wir natürlich immer mit dem Tod konfrontiert sind. Die Angehörigen zu begleiten, ist manchmal sogar noch schwerer."
Viele Patienten hätten es vor 40 Jahren noch nicht geschafft
Als er nach seiner Ausbildung zum Krankenpfleger in Elmshorn (Kreis Pinneberg) angefangen hat, 1984, hätten sie der Patientin hier noch nicht helfen können. Damals gab es nur drei Beatmungsgeräte auf der Intensivstation, rein mechanisch, für fünf Betten. "Schon wenn nur ein Organ betroffen war, war es früher schwierig, die Patienten zu retten", erinnert sich Peter Lorenzen. "Heute sind sie viel schwerer erkrankt, mit viel mehr Komplikationen." Er erlebte mit, wie die Intensivstation umzog, sich von einer sehr kleinen zu einer 18-Betten-Station mit modernster Technik weiterentwickelte. "Heute lassen sich die lebenserhaltenden Geräte mit feinsten Einstellungen genau auf die Patienten anpassen. Lungenvolumen, Druck - jeder Atemzug wird überwacht."
Das Leben der Patienten in seinen Händen
Personalmangel oder Pandemie. Ans Aufhören dachte Peter Lorenzen nie. Er arbeitet so lange auf der Station wie kein anderer der 55 Mitarbeitenden. Tag und Nacht, im Schichtsystem. Hat schon mehrere Hundert Menschen wiederbelebt. "Am Anfang haben meine Hände in Notfallsituationen gezittert", sagt er. "Ich hatte einen riesengroßen Respekt vor der Verantwortung, habe alles drei Mal kontrolliert: Ist es der richtige Patient, das richtige Medikament, zur richtigen Zeit, in der richtigen Dosierung?"
Vierzig Jahre Erfahrung lassen Peter Lorenzen mittlerweile die Ruhe bewahren. In seiner Zeit auf der Station arbeitete er sich vom normalen Krankenpfleger zum Intensivpfleger und bis zur Stationsleitung hoch. Er unterrichtete an der Krankenpflegeschule, ist im Betriebs- und Aufsichtsrat. "Er ist für uns der Fels in der Brandung, vermittelt so eine Ruhe durch seine Kompetenz und sein Wesen, dass es uns schwerfällt, auf ihn zu verzichten", sagt seine Kollegin Dörte Burmester-Günther. Dass man sich auf seine Kollegen verlassen kann, ist auf der Intensivstation lebensentscheidend.
Ein Gefühl von Heimat auf der Intensivstation
Über den Stationsflur hallt ein lautes Piepen, als Peter Lorenzen zur zweiten Patientin geht, für die er heute zuständig ist. Sie ist gerade erst angekommen und bei Bewusstsein, was hier nicht oft vorkommt. "Wo komm' se her? Ich komm' aus Barmstedt", schnackt er auf Platt und nimmt die Hand der Patientin. "Sünn' se n' beeten bang vor morgen?" Das Herz der Patientin schlägt zu langsam. Am nächsten Tag soll sie einen Herzschrittmacher bekommen. "Man bekommt von den Patienten viel Dankbarkeit zurück. Vor allem, wenn sie wieder wach werden, nachdem sie lange beatmet wurden und alles überstanden haben."
Fast vierzig Jahre Intensivpflege - Peter Lorenzen würde sich immer wieder dafür entscheiden, sagt er. Denn er erlebte zwar viel Tod und Leid, aber half auch, vielen Menschen das Leben zu retten.