Krankenschwestern schieben ein Krankenhausbett durch eine Flur. © sudok1/fotolia Foto: sudok1
Krankenschwestern schieben ein Krankenhausbett durch eine Flur. © sudok1/fotolia Foto: sudok1
Krankenschwestern schieben ein Krankenhausbett durch eine Flur. © sudok1/fotolia Foto: sudok1
AUDIO: Krankenhäuser in Not? "Situation ist so dramatisch wie nie" (4 Min)

"Alarmstufe Rot" - Kliniken in SH warnen vor Insolvenzen

Stand: 21.06.2023 09:18 Uhr

"Alarmstufe Rot" haben die Krankenhäuser schon etwas länger ausgerufen: Die Aktion gleichen Namens wurde im vergangenen Jahr gestartet. Entwarnung gibt es nicht. Die Kliniken befürchten, dass Insolvenzen drohen.

von Constantin Gill

Eigentlich wollten sie auf so einer Gute-Laune-Veranstaltung wie der Kieler Woche keine schlechte Laune verbreiten - aber die Krankenhausvertreter kamen bei ihrer Pressekonferenz am Stand des Städtischen Krankenhauses Kiel im Schlosspark natürlich nicht an den harten Fakten vorbei. So berichtete Geschäftsführer Roland Ventzke, dass das Defizit seines Hauses in diesem Jahr bei zwölf Millionen Euro liegen wird. "Das hat es über die letzten 25 Jahre nicht gegeben", sagt er. Andere Kliniken in Itzehoe, Heide oder Neumünster planen laut Ventzke mit ähnlichen Zahlen. "Das sind Werte, die kennen wir so nicht."

Im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages machen auch Kliniken in Schleswig-Holstein auf ihre Situation aufmerksam. Das Gesamtdefizit der Kliniken in Schleswig-Holstein, sagte Patrick Reimund von der Krankenhausgesellschaft (KGSH), wachse stündlich um 32.000 Euro. Auf die vom Bund geplante Krankenhausreform zu hoffen, reiche nicht aus, so Reimund: "Wenn politisch nicht gehandelt wird, erleben wir einen eiskalten Strukturwandel mit Insolvenzen, Schließungen und verheerenden Auswirkungen für die Versorgungssicherheit."

Alles wird teurer und das Personal fehlt

Vor allem die Inflation macht den Kliniken zu schaffen, also etwa die gestiegenen Kosten etwa für Lebensmittel oder Arzneien. Und der Fachkräftemangel: Das Städtische Krankenhaus Kieletwa betreibt derzeit zwei Stationen nicht - weil das Personal fehlt. Dadurch gehen Einnahmen verloren. Auch aus diesem Grund hat die Klinik in diesem Jahr einen Stand auf der Kieler Woche - um Personal anzuwerben.

Aber auch der Tarifabschluss, der im kommenden Jahr für höhere Personalkosten sorgt, belastet die Kliniken. Die Mitarbeiter sollen mehr Geld bekommen, "keine Diskussion", sagen die Krankenhausvertreter unisono. Aber wie sie es bezahlen sollen, wissen sie nicht. Denn die Tarifsteigerungen seien nur teilweise refinanziert.

VIDEO: Apotheker- und Ärzte-Streik in Schleswig-Holstein (3 Min)

Bund soll Deckel öffnen

Die Krankenhausgesellschaften von Land und Bund fordern deshalb einen sofortigen Inflationsausgleich über ein so genanntes Vorschaltgesetz zur angekündigten Krankenhausreform und Verlässlichkeit bei der Finanzierung. Das Vorschaltgesetz soll ermöglichen, dass Krankenhäuser ihre steigenden Kosten weitergeben können, sprich: mehr Geld für ihre Leistungen bekommen.

Bisher sind die Beträge gedeckelt und die Kliniken bleiben auf Schulden sitzen. Zusätzliches Geld sollte laut Krankenhausgesellschaft aus einem erhöhten Bundeszuschuss kommen.

Rückendeckung aus der Politik im Land

Aus der Landespolitik kommt Unterstützung für die Forderungen der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein (KGSH). Die SPD-Gesundheitspolitikerin Birte Pauls etwa fordert Lösungen zum Inflationsausgleich: "Hierbei muss sich auch die Landesregierung einbringen", fordert sie. Heiner Garg von der FDP hält das von den Kliniken geforderte Vorschaltgesetz für "dringend erforderlich, damit versorgungsrelevante Krankenhäuser nicht weiter in die Insolvenz getrieben werden. Das ist auch kein Freifahrtschein für die Länder, die dringend notwendigen Strukturveränderungen in der Krankenhauslandschaft nicht auf den Weg zu bringen."

Und Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) steht "voll und ganz hinter dem Aktionstag der Kliniken und teile die Forderung, dass der Bund hier tätig werden muss, um Kostensteigerungen auszugleichen."

Bisher, sagt Patrick Reimund von der Krankenhausgesellschaft, könnten sich die Länder aber nicht gegen den Bund durchsetzen.

Kliniken pochen auf Planbarkeit

Der Bundesgesundheitsminister, kritisiert Reimund, rechne zwar auch mit Klinikinsolvenzen - ziehe sich aber darauf zurück, dass der Bundesfinanzminister kein Geld für die Krankenhäuser übrig habe. Das sei eine "Kapitulationserklärung" von Karl Lauterbach (SPD), sagt Reimund. Die Politik hat aus Sicht der Kliniken zwar finanziell geholfen - aber es fehlt laut KGSH-Geschäftsführer Reimund Planungssicherheit. Man hangle sich von Hilfspaket zu Hilfspaket.

Weitere Informationen
Chirurg operiert mit Hilfe eines Katheders © colourbox Foto: -

Krankenhäuser im Minus: Itzehoes Klinik-Chef hofft auf Reform

Direktor Ziegler erwartet für 2023 einen Verlust von vier Millionen Euro, auch viele seiner Kollegen rechnen mit Verlusten. mehr

Im vergangenen Jahr hatten die Kliniken schon einmal um Unterstützung geworben. Gebessert hat sich die Lage aus Sicht der Kliniken nicht. Die geplante Krankenhausreform stimmt die Krankenhausvertreter heute auch nicht optimistischer. Bis sie kommt, könnten noch Jahre vergehen.

Die Krankenhäuser müssten aber jetzt stabilisiert werden, sagt Patrick Reimund. Wenn es so weitergehe wie jetzt, spitzt er zu, "dann können wir uns in zwei Jahren angucken, wer an Krankenhäusern noch übrig geblieben ist."

Weitere Informationen
Absperrband und Zettel zum Apothekerstreik an Hof- und Schloss-Apotheke in Plön © NDR Foto: Tobias Gellert

Streik in Kliniken und Apotheken in Schleswig-Holstein

Welche Krankenhäuser sind betroffen? Wo werden Notfälle behandelt? Was Patientinnen und Patienten wissen müssen. mehr

Die Imland Klinik in Rendsburg. © NDR

Schön Klinik offiziell neue Eigentümerin der Imland Kliniken

Der Verkauf der insolventen Imland Kliniken an die Schön Klinik ist besiegelt. Ganz abgeschlossen ist die Übernahme aber noch nicht. mehr

Eine Ärztin tauscht sich mit einem Kollegen und einer Kollegin der Notaufnahme aus. © Constantin Gill Foto: Constantin Gill

Irrläufer in der Notaufnahme: Chronische Anspannung

Immer wieder kommen Menschen ohne Not in Notaufnahmen. Dabei sind die ohnehin schon überlastet. Wie ist die Lage in Schleswig-Holstein? mehr

Ein Gang mit einem Roboter. © NDR Foto: Hauke Bülow

Die Technik-Katakomben des UKSH

Das UKSH Lübeck ist eine medizinische Kleinstadt. Damit die funktioniert, hält das FMSH - der "Handwerkerhof des UKSH" - die Technik am Laufen, die Menschenleben rettet. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 20.06.2023 | 16:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Gesundheitspolitik

Kiel

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Kiels Hendrik Pekeler © picture alliance Foto: Eibner-Pressefoto | Eibner-Pressefoto/Juergen Augst

THW Kiel: Duvnjak und Pekeler verlängern - Sieg gegen Bietigheim

Schöne Bescherung bei den "Zebras": Der Kapitän und der Abwehrchef bleiben an Bord. Zudem feierte der THW am Sonntag einen Arbeitssieg gegen Bietigheim. mehr

Videos