Agrarministerkonferenz in Kiel: Landwirte protestieren
Die Agrarministerkonferenz hat am Donnerstag in Kiel für zahlreiche Demonstrationen und Protestaktionen gesorgt. Auf dem Land wie auf dem Wasser - hunderte Landwirte, Fischer und Waldbesitzer machten ihrem Unmut Luft.
Lautstarke Proteste, Traktor-Blockaden in der Innenstadt und heulende Schiffssirenen. Obwohl am Donnerstag in Kiel reichlich Anspannung in der Luft gelegen hat - zu einer echten Entladung ist es nicht gekommen. Am Mittag haben sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) Zeit genommen, um sich auch die Sorgen der Landwirte im Gespräch direkt anzuhören. Es wurde zwischenzeitlich auch mal laut, aber man hat sich gegenseitig zugehört.
Anlässlich der Agrarministerkonferenz hatten sich am Vormittag etwa 200 Traktoren zu einem Demonstrationszug auf vier Rädern im Kieler Stadtteil Moorsee zusammengefunden. Ihr Weg führte zunächst zum Umweltministerium, wo die Landwirte ihrem Protest Luft machten. Anschließend zog die Kolonne weiter in Richtung Hauptbahnhof. Dort hatte die Initiative "Land schafft Verbindung" eine Kundgebung organisiert. An der nahmen auch die protestierenden Landwirte teil, nachdem sie ihre Traktoren auf dem Exerzierplatz geparkt hatten.
Landwirte fordern Planungssicherheit
Die Landwirte fordern nach eigenen Angaben von Bund und Ländern unter anderem mehr Unterstützung und weniger Bürokratie. Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz, der in diesem Jahr den Vorsitz der Agrarministerkonferenz innehat, betonte, dass die Branche vor zahlreichen Umbrüchen stehe, die Betriebe aber Planungssicherheit bräuchten.
Diskussionsbedarf beim Tierwohl
Deutlich wurde das unter anderem bei einem Gespräch zwischen Özdemir und mehreren Putenhaltern. Die Putenhalter wollen auch, dass es ihren Tieren gut geht, sie sorgen sich aber um eine mögliche neue Verordnung, die dafür sorgen könnte, dass sie weniger Tiere in ihren Ställen halten können. Das wäre unwirtschaftlich, sagen sie. Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir wirbt für Kompromisse. Er sagt, bei der Anzahl der Tiere müsse man etwas machen, aber die Vorgaben dürften nicht so streng sein, dass alle anderen Länder billiger produzieren könnten.
Eine Milliarde Euro für Umbau von Schweineställen
Die Interessengemeinschaft ISN befürchtet, dass viele Schweinehalter ihre Betriebe angesichts der Unklarheiten aufgeben werden. In Schleswig-Holstein ist die Anzahl der schweinehaltenden Betriebe laut dem Statistischen Bundesamt in den vergangenen 20 Jahren bereits von 2.540 auf 520 gesunken. Auch der Bauernverband sieht Deutschland als Landwirtschaftsstandort in Gefahr - und Özdemir in der Verantwortung. Mit immer neuen Auflagen ohne ausreichend finanzielle Entlastung werde die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe geschwächt, so der Verband. Rund eine Milliarde Euro will Özdemir für den Umbau von Schweineställen für mehr Tierwohl in die Hand nehmen, aber auch hier gibt es Probleme. Zum einen wird kritisiert, dass das Geld eben nur für den Umbau von Schweineställen eingeplant ist, zum anderen sagen Schweinebauern, dass die Hürden einfach enorm hoch seien, um an das Geld zu kommen. Auch die Investitionssumme ist auf mehrere Jahre gesehen aus Sicht vieler Landwirte zu niedrig.
BUND: "Um- und Abbau der Tierhaltung ist dringend notwendig"
Auch aus Sicht von Patrick Müller vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) reicht eine Milliarde Euro nicht aus. Seiner Ansicht nach werden bis zu fünf Milliarden Euro benötigt, um die artgerechte Haltung von Nutztieren in den Ställen zu gewährleisten. Er appelliert aber auch an die Landwirte selbst: "Die Landwirte sehe ich ganz klar in verschiedenen Bereichen in der Pflicht. Zum einen müssen sie selber auch sich ein Stück weit bewegen, müssen selber ein Stück weit Konzepte erarbeiten. Das tun andere Wirtschaftsbereiche auch, und sie müssen vor allem den Realitäten ins Auge sehen. Und das heißt Um- und Abbau der Tierhaltung ist dringend notwendig."
Fischer demonstrierten auf der Förde
Auch der Landesfischereiverband setzte lautstark ein Zeichen anlässlich der Agrarministerkonferenz. Etwa 30 Kutter, vollbesetzt mit Berufsfischern, veranstalteten kurz vor 10 Uhr mit ihren Schiffshörnern ein lautes Hupkonzert auf der Kieler Förde. Die Fischer fürchten um die Zukunft ihrer Existenz und sind unzufrieden mit den aktuellen Entwicklungen: Sie beklagen sich über EU-Verbote, Fangquoten, mangelnde Perspektiven durch schrumpfende Befischungsflächen durch Windparks oder auch die Planungen zum Nationalpark Ostsee. Sollte der tatsächlich beschlossen werden, sprechen die Mitglieder des Landesfischereiverband Schleswig-Holstein vom Aus für die meisten Betriebe. Dabei hatte sich die schwarz-grüne Regierung im Koalitionsvertrag noch für den Erhalt der traditionellen Krabbenfischerei in der Region ausgesprochen.