AfD-Treffen: Proteste begleiten geplante "Vernetzung" in Neumünster
Die AfD Schleswig-Holstein hat am Sonnabend ein sogenanntes Vernetzungstreffen in einem Lokal in Neumünster-Einfeld veranstaltet. Laut Polizei gab es trotz Gegendemo keine größeren Zwischenfälle.
Den Veranstaltungsort hatte die Partei bis zuletzt geheim halten wollen, um großen Protesten aus dem Weg zu gehen. Doch bereits Freitagnachmittag wurden unter anderem auf der Plattform X Aufrufe zu Demonstrationen verbreitet - zusammen mit dem genauen Veranstaltungsort, einem griechischen Restaurant in Neumünster-Einfeld. Bis zum Sonnabendnachmittag waren laut Polizei rund 130 Demonstrierende vor Ort, die Veranstalter sprachen von 200. Unter anderem ein Bündnis aus CDU, SPD, Grünen, SSW und Volt hatte zu Protest aufgerufen.
Midyatli: "Die Maske ist gefallen"
Grünen-Politiker Jan Kürschner sprach von einem Schulterschluss, der zusammen für Demokratie einstünde. "Das ist ganz wichtig, hier ein Zeichen zu setzen. Denn die Gäste der Veranstaltung des 'Tag des Vorfelds' sind Rechtsextremisten", sagte Kürschner. Die SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli wurde noch deutlicher. Die AfD Schleswig-Holstein tue sich mit dieser Veranstaltung mit Rechtsextremisten, Faschisten und Nazis zusammen. "Die Maske ist gefallen. Sie (die AfD - Anm. der Redaktion) sind die größte Gefahr für uns. Deshalb ist es so wichtig, dass wir alle aufrufen und auch hier Gesicht zeigen."
Auch die "Omas gegen Rechts" hatten sich den Protesten in Neumünster angeschlossen. "Die AfD ist gefährlicher, als manche Leute das sehen wollen", begründete Mitglied Manuela Kollmann das Engagement der Gruppe vor Ort. Kurz nach 16 Uhr wurde die Gegendemonstration offiziell für beendet erklärt. Im Verlauf der Demonstration kam es nach Polizeiangaben zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen den Teilnehmern der AfD-Veranstaltung und den Gegendemonstranten. Aus dem linken Spekt-rum seien vereinzelt Gegenstände geworfen und Pyrotechnik abgebrannt worden.
Mehrere Teilnehmer gelten als "gesichert rechtssxtremistisch"
Auf einem Flyer hatte die AfD die Veranstaltung mit einem "ganzen Samstag mit Vortrag und Ausstellern" beworben. Die Partei selbst nennt das den "Tag des Vorfelds". Das Innenministerium in Kiel hingegen spricht in seiner Bewertung der Veranstaltung Klartext: Zu den Teilnehmern gehörten mehrere Organisationen, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch bewertet werden, teilte das Ministerium in Kiel auf Anfrage mit.
Dorow: Einstufung durch "instrumentalisierte Behörden" kein Maßstab für die AfD
Konfrontiert mit der Frage, warum als gesichert rechtsextrem eingestufte Organisationen zu der Veranstaltung eingeladen sind, sagte Kevin Dorow, Beisitzer im AfD-Landesvorstand: "Wir haben in der Vergangenheit immer wieder angemerkt, dass die Einstufung von politisch instrumentalisierten Behörden, die ja auch den jeweiligen politisch gesteuerten Innenbehörden der jeweiligen Länder unterstehen, dass das für uns jetzt nicht unbedingt ein Maßstab ist, mit wem wir uns treffen und mit wem wir uns nicht treffen." Schließlich seien nach diesen Maßstäben auch einige Landesverbände der AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft.
"Compact"-Magazin von Veranstaltung ausgeschlossen
Auf dem ursprünglich verteilten Veranstaltungsflyer ist auch das Logo des rechtsextremen "Compact"-Magazins zu sehen, das am vergangenen Dienstag vom Bundesinnenministerium verboten wurde. Das Magazin werde nach diesem Verbot nicht teilnehmen, die Veranstaltung aber wie geplant stattfinden, hatte AfD-Landeschef Kurt Kleinschmidt auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein mitgeteilt.
Verleger aus dem Kreis Plön eingeladen
Neben "Compact" wird auf besagtem Flyer auch mit dem "Zuerst"-Magazin geworben, hinter dem der seit Jahrzehnten als rechter Verleger aktive Dietmar Munier aus Martensrade im Kreis Plönsteht. Aufgeführt werden außerdem eine Publikation sowie eine Online-Plattform mit Sitz in Österreich. Auch das Logo von "Einprozent" ist auf dem Flyer zu sehen: Dieser Verein wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz seit 2023 als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft.
In einem mittlerweile gelöschten Facebook-Eintrag vom 16. Juni nannte die AfD Schleswig-Holstein "patriotische Radiosender, mutige Fernsehprogramme, unabhängige Medienschaffende" als Bestandteile ihres sogenannten Vorfeldes. Unter Vorfeldorganisationen werden Gruppen verstanden, die Parteien nahestehen und mit diesen kooperieren. Am Montagmorgen war der Beitrag noch abrufbar.
Rechtsextremismus-Experten: Geeint durch völkische Ideologie
Für die "Regionalen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein" ist der Charakter der Veranstaltung eindeutig: "Das Treffen dient der Vernetzung verschiedener Gruppen und Strömungen innerhalb der Neuen Rechten, die durch völkische Ideologie geeint sind", heißt es auf Anfrage des NDR.
Auf dem Flyer wird auch mit Matthias Helferich geworben. In Nordrhein-Westfalen sitzt er dem AfD-Landesvorstand bei, sein Bundestagsmandat übt er ohne Fraktionszugehörigkeit aus. Er hatte sich in Chats als "das freundliche Gesicht des NS bezeichnet", was er später zu relativieren versuchte. Dennoch läuft gegen ihn ein Parteiausschlussverfahren. Die AfD Schleswig-Holstein teilte dazu mit: "Der Ausschluss von Herrn Helferich ist eine Entscheidung der Bundestagsfraktion. Als Abgeordneter und Mitglied unserer AfD ist er ein gern gesehener Gast bei unserer Veranstaltung." Nach Informationen von NDR Schleswig-Holstein sollte Helferich am späten Samstagnachmittag einen Vortrag auf der Veranstaltung in Neumünster halten.
AfD im "Mosaik der patriotischen Bewegungen"
Als Ziel dieses Treffens nannte die AfD auf Anfrage den "offenen Austausch zwischen politisch interessierten Bürgern, unserer Partei und unserem politischen Vorfeld, zu dem unter anderem Vertreter der freien Medien, des Mittelstands und der Landwirtschaft zählen." In dem gelöschten Facebook-Post war die Partei konkreter geworden: "Ziele sind der Abbau von Vorurteilen gegenüber dem Vorfeld, Vernetzungsarbeit untereinander und ein besseres Verständnis für die Rolle unserer Partei im Mosaik der patriotischen Bewegungen in unserem Land."
Die Beratungsteams gegen Rechtsextremismus erkennen bei der Partei durch Neumünster einen Strategiewechsel: "Die AfD Schleswig-Holstein positioniert sich damit klar im rechtsextremen Spektrum und gibt sich keine Mühe mehr, den Schein der Bürgerlichkeit zu wahren."
Innenministerium beobachtet Entwicklung
Das Innenministerium hatte angekündigt, die Entwicklungen rund um den "Tag des Vorfelds" zu verfolgen. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot in Neumünster im Einsatz. "Beim Feststellen strafbarer rechtsextremistischer Äußerungen werden die Strafverfolgungsbehörden ihrem gesetzlichen Auftrag selbstverständlich nachkommen und entsprechende Maßnahmen ergreifen", so das Ministerium.