Kommunen in SH ringen um den Umgang mit der AfD

Stand: 28.02.2024 18:51 Uhr

Der Einfluss der AfD in Schleswig-Holstein wächst. Während Parteien auf Landesebene an der Brandmauer festhalten, ringen Kommunalpolitiker um den richtigen Umgang. Das wird beispielsweise in Henstedt-Ulzburg deutlich.

von Fabian Boerger

Das Bürgerhaus in Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg) ist der ideale Ort für Großveranstaltungen. Die Lage und die Größe des Gebäudes überzeugen. Es bietet Platz für hunderte Personen und liegt nur wenige Kilometer von der A7 entfernt. Ideal - findet auch die AfD. Immer wieder hat sie das Bürgerhaus für Kreis- oder Landesparteitage gemietet. Sogar Spitzenpolitiker der Partei, wie Alice Weidel oder Beatrix von Storch, kamen zu Veranstaltungen nach Henstedt-Ulzburg.

Henstedt-Ulzburg sagt nein zur AfD

In der Gemeinde sorgt das für reichlich Zähneknirschen. Eigentlich will man die Partei nicht in der Gemeinde haben. Immer wieder kommt es zu Demonstrationen - vor allem dann, wenn die AfD wieder ihre Treffen im Bürgerhaus abhält. Zuletzt kamen Mitte Januar rund 3.500 Menschen zusammen, um gegen Rechtsextremismus und gegen die Partei zu demonstrieren.

"Die AfD hat in Henstedt-Ulzburg noch nicht Fuß gefasst und ich hoffe, dass das so bleibt." Ulrike Schmidt (parteilos), Bürgermeisterin Henstedt-Ulzburg  

Sechs Fraktionen sitzen in der Gemeindevertretung - die AfD ist nicht dabei. Sie propagiere menschenverachtende Inhalte, sagt Bürgermeisterin Ulrike Schmidt (parteilos). Wenn die Partei weiterhin das Bürgerhaus nutzen könne, so ihre Sorge, könne ein falsches Bild von der Gemeinde entstehen.

Entweder alle oder keine

Einfach der Partei den Zutritt verwehren, das geht allerdings nicht. Denn die Satzung des Gebäudes erlaubt es, dass alle politischen Parteien die Räume anmieten dürfen. Das gilt auch für die AfD. Eine Zwickmühle für die Gemeindeverwaltung. Schon mehrfach hatte sie versucht, der AfD den Zutritt zu verwehren - zuletzt im September 2023. Ohne Erfolg. Die AfD legte Klage ein und konnte schlussendlich das Bürgerhaus nutzen.

Nun wagt die Gemeinde einen neuen Anlauf. Die CDU in der Gemeindevertretung hat einen Antrag eingereicht, mit dem geprüft wird, ob die Satzung geändert und ein neuer Paragraf ergänzt werden kann. Dieser soll regeln, dass die Mietenden des Bürgerhauses künftig einen Fragebogen ausfüllen und sich dazu bekennen müssen, dass sie keine Inhalte propagieren, die demokratiefeindlich, nationalistisch, rassistisch oder menschenverachtend sind.

Schmidt: "Haltung kundtun"

So wolle man die Hürden für die AfD möglichst hoch setzen, so Bürgermeisterin Schmidt. Extremismus dürfe keinen Raum bekommen. Schmidt: "Wir müssen alle unsere Haltung kundtun. Wir möchten hier Veranstaltungen stattfinden lassen im Geiste der Demokratie. Das sehen wir bei der AfD nicht." Die Gemeindevertretung steht laut Bürgervorsteher Henry Danielski (CDU) geschlossen hinter dem Vorhaben.

"Wir wollen die AfD nicht in unserem Bürgerhaus haben und das ist einhellige Meinung aller Fraktionen." Henry Danielski (CDU), Bürgervorsteher

Dass dem Antrag der CDU einheitlich zugestimmt werde, daran hat Danielski keinen Zweifel. Bevor das der Fall ist, wird der Antrag aktuell juristisch geprüft. Sollte er der Prüfung standhalten, kann er im Mai in der Gemeindevertretung verabschiedet werden.

Stadt Reinbek als Vorbild

Mit dem Antrag folgt die CDU in Henstedt-Ulzburg dem Vorbild der Stadt Reinbek (Kreis Stormarn). Dort hatten Kommunalpolitiker im vergangenen Herbst eine ähnliche Änderung der Satzung für das Schloss verabschiedet. Auch dort gab es in der Vergangenheit des Öfteren AfD-Veranstaltungen, an denen unter anderem Mitglieder der Identitären Bewegung und des verbotenen "Flügels" der AfD teilnahmen. Seit Anfang des Jahres ist die Änderung nun gültig. Sie besagt, dass Veranstaltungen keine "extremistischen, rassistischen, antisemitischen, nationalistischen oder antidemokratischen Inhalte" haben dürfen.

AfD kündigt Widerstand an

Gegenüber NDR Schleswig-Holstein kündigte der Vorsitzende des AfD-Landesverbands, Kurt Kleinschmidt, an, gegen einen möglichen Ausschluss aus dem Bürgerhaus in Henstedt-Ulzburg juristisch vorgehen zu wollen. Kleinschmidt: "Wir haben keine Probleme, Dinge zu unterschreiben, weil es bei uns keine extremistischen Bestrebungen gibt." Man stehe aktuell noch immer nicht im Schleswig-Holsteinischen Verfassungsschutzbericht.

Medienberichten zufolge prüft der Verfassungsschutz aktuell, ob die AfD bundesweit als gesichert rechtsextrem einzustufen ist. Der Landesverband in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, sowie die Jugendorganisation "Junge Alternative" werden schon jetzt als gesichert rechtsextrem eingestuft. Für den Landesverband in Schleswig-Holstein ist das derzeit nicht der Fall.

Kommunen ringen um richtigen Umgang

Die Rangeleien in Henstedt-Ulzburg und in Reinbek sind dabei keine Einzelfälle. Viel mehr sind sie Beispiele für das mühsame Ringen der Kommunen um einen Umgang mit der AfD - einer Partei, die stetig an Einfluss hinzugewinnt. Denn landesweit hat sie ihre Stimmen bei der vergangenen Kommunalwahl fast verdoppeln können - auf 8,1 Prozent. Sie ist mittlerweile in allen Kreistagen mit mindestens vier Abgeordneten vertreten und hat 2023 in drei Kreisen die 10-Prozent-Marke knacken können:

  • Kreis Dithmarschen 10,7 Prozent (2018: 5,6 %)
  • Kreis Steinburg 10,6 Prozent (6,1)
  • Kreis Segeberg 10,3 Prozent (7,5) 

Parteipolitisches Gerangel in den Kommunen

Mit jedem Sitz in den kommunalen Parlamenten wächst auch der Handlungsspielraum der Partei. Und das hat seine Folgen. Immer öfter kommt es zu parteipolitischem Gerangel - zum Beispiel in der Kieler Ratsversammlung, dem Kreistag in Plön und in Dithmarschen. Fraktionsübergreifend blockierten die Abgeordneten dort, dass die AfD den Vorsitz eines Ausschusses übernehmen konnte.

Auch bei Landratswahlen machte sich die Partei bemerkbar. Im Kreis Rendsburg-Eckernförder hatte zuletzt der Landrats-Kandidat Tim Albrecht (CDU) seine Bewerbung zurückgezogen, weil er nicht mit Stimmen von extremen Parteien gewählt werden wollte. Ein ähnliches Bild bei der Landratswahl im Kreis Dithmarschen: Bereits im Vorfeld der Wahl entzündete sich eine Debatte, bei der sogar Spitzenpolitiker auf Landesebene in die Kommunalpolitik eingriffen. Die Sorge: Stimmen der AfD könnten das Zünglein an der Waage sein.

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Einigkeit auf Landesebene

Auf Landesebene sind sich die Parteien einig: Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD - weder in direkter noch indirekter Form. Das steht in dem gemeinsamen Positionspapier von CDU, Grünen, SPD, FDP und SSW. Vor Abstimmungen oder der Besetzung von Gremien solle stets ein gemeinsames Vorgehen besprochen und festgelegt werden, heißt es dort. Außerdem sollen keine Vertreter der AfD in den Kommunen in führende Positionen gewählt werden.

Auf Landesebene ist das umsetzbar. Die AfD ist im Landtag nicht vertreten. Auf kommunaler Ebene ist es deutlich schwerer: Im Kreis Segeberg ist die Brandmauer längst gefallen. Dort hat ein AfD-Abgeordneter bereits einen Vorsitz übernommen. Mit Julian Flak ist seit 2018 ein AfD-Abgeordneter Vorsitzender des Bauausschusses. Ähnliches Bild in der Stadtvertretung von Kaltenkirchen. Dort ist Flak seit 2023 Vorsitzender des Umwelt-, Natur- und Klima-Ausschusses.

Satzungsänderung schließt AfD nicht per se aus

Und auch in Henstedt-Ulzburg wäre durch die Änderung der Satzung nicht ausgeschlossen, dass die AfD auch in Zukunft Partei-Veranstaltungen im Bürgerhaus abhalten kann. Allerdings würden die Hürden deutlich verschärft, sagt Danielsky. "Wir haben die Hoffnung, dass das die AfD dazu bringt, zu sagen: Wir haben bisher nur Probleme gehabt, wir suchen uns etwas anderes." Sollte es dennoch Veranstaltungen der AfD im Bürgerhaus geben, würden auch wieder Demonstrationen stattfinden. Davon ist Danielski überzeugt.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 28.02.2024 | 19:30 Uhr

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