AKW Brokdorf startet Rückbau: Alles muss raus

Stand: 20.01.2025 17:05 Uhr

Das AKW Brokdorf wird jetzt zurückgebaut. Es geht los im Bereich des Kühlsystems. 15 Jahre wird der Rückbau dauern. Dann soll auf dem Gelände der größte Batteriespeicher der EU gebaut werden.

von Carsten Rauterberg

Ende 2021 ist das Atomkraftwerk Brokdorf (Kreis Steinburg) vom Netz gegangen. Nun haben nach Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen) und Krümmel in Geesthacht (Kreis Herzogtum Lauenburg) auch im letzten der drei AKW in Schleswig-Holstein die Rückbauarbeiten begonnen. Die offizielle Rückbau-Genehmigung der Atomaufsicht lag bereits seit Oktober vor. Nun hat der Betreiber Preussen Elektra auch die letzten Voraussetzungen für die sogenannte Inanspruchnahme der Genehmigung erfüllt. Jetzt können die ersten Teile im Innern des Meilers stillgelegt und demontiert werden.

Rückbau von innen nach außen

Der Rückbau läuft nach dem Prinzip "von innen nach außen". Konkret bedeutet das: Erst wird die komplette Technik im Inneren des Meilers demontiert, dann die äußeren Teile wie die Mauern des AKW. Rund 15 Jahre sollen die Arbeiten dauern. 655.000 Tonnen Abfall werden dabei anfallen. "Aber nur gut 5.000 Tonnen davon, das sind 0,7 Prozent von der Gesamtmenge ist radioaktiv", sagt Tammo Kammrath. Er ist als Leiter des Kernkraftwerks für die Rückbau-Arbeiten verantwortlich.

Er und seine Mitarbeitenden brauchen für jeden einzelnen Arbeitsschritt die Zustimmung der Atomaufsicht. "Jeder Vorgang benötigt nochmal einen zustimmungspflichtigen Änderungsantrag, der wird überprüft und das dauert so drei Monate. Und wir werden hier in Brokdorf hunderte dieser Vorgänge brauchen, um die Anlage zurückzubauen."

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Wasserdampf steigt aus dem Kühltum des Kernkraftwerks Isar 2. © picture alliance/dpa Foto: Armin Weigel

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Erste Arbeiten in den Kühlsystemen

Los gehts in dem Bereich der nuklearen Zwischenkühlung. Die wird nicht mehr benötigt, weil der Reaktor bereits abgekühlt ist. Jörg Wamser und Michael Wilstermann sind Elektriker im AKW Brokdorf. Selbst wenn sie beim Kühlsystem zum Beispiel nur zwei Kabel durchtrennen wollen, müssen sie nach einem genauen Abstimmungskatalog vorgehen. Darin sind die einzelnen Schritte geregelt. "Wir gehen hier sehr sorgfältig und akribisch vor, denn es geht ja hier um Strahlenschutz und um Arbeitssicherheit", erklärt AKW-Chef Kammrath.

Wehmut bei Mitarbeitenden

Elektriker Jörg Wamser erledigt die Arbeiten beim Rückbau gewissenhaft und routiniert. Er kennt die Anlage - wie zum Beispiel den Bereich der Kühlsysteme - ganz genau. Die meiste Zeit seines Arbeitslebens war der Meiler am Netz und hat Strom produziert. "Ich bin jetzt 40 Jahre hier und das tut schon in der Seele weh, wenn man das jetzt alles zurückbauen muss." Wamsers Kollege Michael Wilstermann hat im AKW Brokdorf seine Ausbildung zum Elektriker gemacht. Er kann die Gedanken seines Kollegen verstehen. "Jo, das ist schon komisch, das alles hat ja hier gut funktioniert bis zur Abschaltung. Und nun müssen wir es stillsetzen und zurückbauen." Auch bei ihm sei ein bisschen Wehmut dabei.

Kabel, Schrauben, Pumpen - alles muss raus

Neben einzelnen Kabeln müssen auch Großkomponenten im Inneren des Meilers zurückgebaut werden. Bei den Kühlsystemen sind das zum Beispiel vier riesige Hauptkühlmittel-Pumpen. "Die sind jeweils 15 Meter hoch und 100 Tonnen schwer, die können wir natürlich nicht hier zerkleinern", erläutert Tammo Kammrath. "Ein Spezialkran wird sie hier herausheben und dann werden wir sie auf dem Deckenboden der Kühlanlage demontieren, das wird Monate dauern."

Alle Teile ins Reststoffbehandlungszentrum

Ob kleine Teile wie die Kabelenden und auch die größeren wie die Einzelteile der Pumpen - alles kommt dann in das Reststoffbehandlungszentrum (RBZ) auf dem Gelände. Wo im Leistungsbetrieb die große Werkstatt des Kernkraftwerks war, stehen jetzt schon riesige Sägen für alle möglichen Teile. Es sieht aus wie die Maschinenstraße einer Fabrik.

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"Hier kommt alles rein aus dem gesamten Rückbau und erstmal wird es dekontaminiert in der Dekont-Anlage", beschreibt der Leiter des RBZ, Frank Bischoff, den vorgeschrieben Arbeitsweg. "Wenn die Teile dann aus der Dekont-Anlage kommen, sind sie quasi gereinigt und haben keine Strahlung mehr. Erst dann können wir sie zerkleinern." Und dafür stehen mehrere große Säge-Maschinen in der Halle, damit zum Beispiel auch größere Eisenteile aus dem Meiler zerkleinert werden können. "Das Reststoffbehandlungszentrum ist das Herzstück des Rückbaus", sagt Frank Bischoff. Derzeit arbeiten dort zehn Mitarbeitende. Wenn in einigen Wochen der Aufbau abgeschlossen ist, sind es bis zu 70.

Extra-Halle für radioaktive Abfälle im Bau

Im Inneren des Kernkraftwerks nehmen die Rückbau-Arbeiten langsam Fahrt auf. Damit die radioaktiven Teile aus dem Rückbau später auch sicher aufbewart werden können, wird derzeit auf dem AKW-Gelände eine eigene Halle gebaut. AKW-Chef Tammo Kammrath kann die Bauarbeiten aus seinem Büro verfolgen. "Das wird die Transportbereitstellungshalle für schwach- und mittelradioaktive Abfälle werden. Denn keiner kann uns jetzt sagen, wann das bundesweite Atommüll-Endlager Schacht Konrad bei Salzgitter fertig sein wird. Solange bleiben die Abfälle aus dem Rückbau dann hier in der Halle." Ende 2026 soll die Halle fertig sein. Die Teile aus dem Rückbau, die keine radioaktive Strahlung haben, sollen später auf eine Mülldponie in Schleswig-Holstein gebracht werden. Welche das sein wird, steht laut Kammrath noch nicht fest.

Perspektive am Standort - Europas größter Batteriespeicher

Auch nach dem Ende der Rückbauarbeiten soll es eine berufliche Perspektive am Standort für die derzeit noch 200 Mitarbeitenden des Kernkraftwerks Brokdorf geben. AKW-Betreiber Preussen Elektra und der Mutterkonzern E.ON planen auf dem AKW-Geländes Europas größten Batteriespeicher. Der Speicher soll laut einer Unternehmenssprecherin in mehreren Stufen und abhängig vom Rückbaufortschritt bis zu einer Leistung von 800 Megawatt und einer Speicherkapazität von bis zu 1.600 Megawattstunden ausgebaut werden.

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Das Bild zeigt ein Schild, welches vor radioaktiver Strahlung warnt. © picture-allaince Foto: Ole Spata

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 19.01.2025 | 19:30 Uhr

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Ein Blick auf das Atomkraftwerk in Brokdorf. © NDR

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