Projekt hilft hochqualifizierten Frauen mit Migrationshintergrund
Hochqualifizierte Frauen mit Fluchthintergrund haben es besonders schwer, in Deutschland in ihrem Beruf Fuß zu fassen. Das will das neue Lüneburger Projekt KommMit Bildung ändern.
In Deutschland fehlen in fast allen Bereichen Fachkräfte. Gleichzeitig kommen viele sehr gut ausgebildete Geflüchtete zu uns. Es scheint logisch, dass diese Menschen hier als Fachkräfte arbeiten könnten. So einfach ist es aber nicht. Abschlüsse aus anderen Ländern werden oft nicht anerkannt, hinzu kommt die Sprachbarriere, um nur zwei Hürden zu nennen. Diese Erfahrung hat zum Beispiel Niema El-Moufti machen müssen: Die 50-jährige Marokkanerin hat an renommierten Universitäten in Marokko, Frankreich und Deutschland studiert. Sie verfügt über drei Masterabschlüsse im Bereich Wirtschaft. Hinzu kommen 20 Jahre Berufserfahrung in verschiedenen Unternehmen in ihrem Heimatland Marokko.
Durch das Projekt wieder Hoffnung gefunden
Niema El-Moufti lebt seit fünf Jahren in Deutschland: "Ich dachte, es wäre sehr einfach einen Job zu finden, aber da habe ich mich geirrt." Sie hat 70 Bewerbungen geschrieben - ohne Erfolg: "Ich hatte die Hoffnung verloren. Ich habe nicht mehr an eine Lösung geglaubt. Ich hatte das Gefühl, alle meine Erfahrung hier in Deutschland verloren zu haben." Ihre Deutschlehrerin hat ihr dann einen Flyer des Projektes KommMit Bildung in Lüneburg gegeben. So ist sie in die Beratung zu Martina Kamp gekommen. Sie hat sich ganz individuell mit den Fähigkeiten und Erfahrungen von Niema El-Moufti auseinandergesetzt und ihren Lebenslauf noch einmal gründlich überarbeitet: "Manches wurde nicht korrekt übersetzt, anderes war falsch. Es wurde nicht klar, dass sie für international tätige Unternehmen gearbeitet hat." Es sei wichtig, Unternehmen aus der Region die Möglichkeit zu geben, das auch richtig zu erfassen.
Durchblick im Behörden-Dschungel
Derzeit betreut Martina Kamp gemeinsam mit ihrer Kollegin 31 gebildete und hochqualifizierte Frauen mit Migrationshintergrund in und um Lüneburg. Darunter eine Ärztin aus dem Iran und eine Ingenieurin aus Ägypten. Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob die Abschlüsse aus den Heimatländern in Deutschland anerkannt werden und welche Qualifikationen nachgeholt werden müssen. "Es ist sehr schwierig, sich hier alleine durchzuhangeln. Es gibt in Deutschland über 600 verschiedene Anerkennungsstellen, je nachdem welchen Beruf sie mitbringen", weiß Martina Kamp. Die technische Unterstützung ist aber nur eine Seite der Arbeit von KommMit Bildung. In speziellen Workshops helfen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auch den Migrantinnen, ihren eigenen Weg zu finden. Dabei müsse es auch Platz zum Träumen geben: "Was wünsche ich mir eigentlich? Was spricht mich an? Wenn diese Fragen geklärt sind, ist es auch leichter, einen Weg zu finden."
Mehr individuelle Förderung als im Job-Center
So hat Martina Kamp gemeinsam mit Niema El-Moufti ausgelotet, welche anderen Arbeitgeber für sie noch infrage kommen könnten. Bisher hat die Marokkanerin sich hauptsächlich bei großen, internationalen Unternehmen beworben. Nach dem Coaching kommen für sie jetzt auch Stiftungen als mögliche Arbeitgeber infrage. All diese Überlegungen laufen schon, während sie ihre Sprachkenntnisse perfektioniert, damit sie nicht wertvolle Zeit verliert. Diese individuelle Beratung ist für Mitarbeiterin Yasemin Kocak das Besondere an diesem Projekt. Bevor sie zu KommMit Bildung kam, hat Yasemin Kocak im Jobcenter gearbeitet: "Da hat man hat weniger auf den Lebenslauf und auf die Qualifikationen geguckt. Es wurde eher eine Richtung vorgegeben, bestimmt dadurch, wo Fachkräfte gebraucht werden - also im Lager, in der Gastronomie oder in der Pflege." Im Jobcenter traf sie auf Menschen, die ein abgeschlossenes Chemiestudium hatten, aber in den Maßnahmen nicht die Freiheit hatten, zu sagen, dass sie sich nicht im Lager oder in der Küche sehen.
Fokus auf Lösungen und Perspektiven
Im Projekt KommMit Bildung kann Yasemin Kocak viel individueller ihre Klientinnen betreuen: "Hier gibt es den Druck von außen nicht und auch kein vorgegebenes Ziel. Wir haben hier die Zeit, mit den Frauen herauszufinden, was sie wirklich interessiert und welche Möglichkeiten es gibt, statt immer nur aufzuzeigen, was alles nicht geht." Niema El-Moufti hat sehr von der individuellen Beratung bei KommMit Bildung profitiert. Sie kommt seit Oktober regelmäßig: "Hier habe ich gelernt, andere Perspektiven zu sehen und wieder optimistisch zu sein." Auch Martina Kamp ist sicher und zuversichtlich, dass Niema El-Moufti bald einen guten Job finden wird. Das Projekt KommMit Bildung wird vom Land Niedersachsen und der EU gefördert. Es läuft über zwei Jahre über den Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen. Martina Kamp hofft auf jeden Fall, dass es verlängert wird.