Zwei Jahre Ukraine-Krieg: So gelingt Integration im Klassenzimmer
Seit Kriegsbeginn sitzen am Gymnasium Winsen (Luhe) ukrainische Kinder im Unterricht. Sie lernen nicht nur die Sprache und die Kultur kennen, sie beginnen in Niedersachsen ein neues Leben und finden neue Freunde.
Es ist die fünfte Schulstunde. Jennifer Marquardt unterrichtet Mathe in einer sechsten Klasse. Geometrie steht auf dem Lehrplan. Unter den Schülerinnen und Schülern ist auch ein ukrainisches Mädchen. Marquardt spricht deutsch mit ihr, kontrolliert die Hausaufgaben, stellt Fragen zu Dreiecken und Winkeln. "Es ging sehr schnell, dass wir uns grob verständigen konnten. Das macht einen großen Unterschied, wenn man fragen kann: Wie geht’s dir?", erzählt die Mathe-Lehrerin. Von Anfang an haben die ukrainischen Kinder am Winsener Gymnasium Deutsch gelernt.
In der Schule Sicherheit vermitteln
Vor zwei Jahren, kurz nach Russlands Angriff auf die Ukraine, sind die ersten ukrainischen Kinder mit ihren Familien nach Niedersachsen gekommen. Sofort wurden sie an den Schulen aufgenommen. "Das war natürlich eine Herausforderung. Man wusste ja nicht, was die Kinder durchgemacht haben", so Marquardt. Die Winsener Lehrerin wollte den Kindern zu Beginn vor allem ein gutes, ein sicheres Gefühl geben. "Nach dem Motto: Komm erstmal an. Schule ist dafür da, dass du nicht allein bist, dass es so langsam wieder einen Alltag gibt."
Die ukrainischen Kinder integrieren
Die ukrainischen Kinder integrieren – für die Schulen eine große Aufgabe. "Also haben wir die Konzepte aus der Schublade geholt, die wir schon von der ersten Flüchtlingsbewegung 2015 hatten. Da haben wir gelernt, was falsch, was richtig ist. Was gut funktioniert, was nicht", sagt der Schulleiter des Gymnasiums Winsen Jens Peter. Konkret: Statt eine neue Klasse mit allen ukrainischen Kindern zu gründen, wurden die Schülerinnen und Schüler aufgeteilt, in die bereits bestehenden Klassen integriert. Zusätzlich haben sie regelmäßig Sprachunterricht am Nachmittag.
Politik lobt Engagement der Schulen in Niedersachsen
Fast 20.000 ukrainische Kinder besuchen derzeit Schulen in Niedersachsen. Am Winsener Gymnasium sind es 25. Das niedersächsische Kultusministerium bewertet die Integrationsarbeit an Schulen als Erfolg – trotz aller Schwierigkeiten: "Die Fluchtbewegungen aus der Ukraine haben das System Schule, das sich bereits zuvor mit den Folgen des Fachkräftemangels und der Corona-Pandemie konfrontiert sah, ohne Zweifel noch einmal zusätzlich belastet." Zur Unterstützung wurden seit Kriegsbeginn fast 400 Ukrainerinnen und Ukrainer als pädagogische Mitarbeitende an den Schulen eingestellt.
Angekommen in der Schule
Für Jennifer Marquardt kehrt nach zwei Jahren so langsam der normale Schulalltag zurück. Zum Halbjahreswechsel haben die ukrainischen Kinder am Gymnasium Winsen zum ersten Mal Zeugnisse bekommen. Einige wenige sind zurückgekehrt in die Ukraine. Die, die geblieben sind, haben sich gut entwickelt, findet Marquardt – sprachlich und persönlich. "Sie wollen sich mit Schule beschäftigen, stellen Fragen zum Unterrichtsinhalt." Einige Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine wollen in Winsen sogar ihr Abitur machen.